485 Kilometer und den Grenzübertritt nach Botswana zeigt das GPS für heute an – und die ziehen sich hier ganz schön hin. Landschaftlich ist gerade der erste Teil, noch in Südafrika, sehr schön. Immer wieder kreuzen Rinder, Esel, Hühner und gelegentlich Paviane die Fahrbahn. Die meisten Straßen sind hier schnurgerade bis zum Horizont, so dass wir die «Hindernisse» schon vom weiten sehen und rechtzeitig abbremsen können.
Die Tiere sind offenbar an den Verkehr gewöhnt, denn sie lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Manchmal bleiben sie auch mitten auf der Straße stehen. Einmal sehen wir sogar eine Eselin, die seelenruhig ihr Fohlen mitten auf der Straße säugt.
Durch eine Landschaft mit hübschen Hügeln führt uns die Straße. Zum Glück können wir meistens 120 km/h fahren, so dass wir recht flott voran kommen. Irgendwann, nach über 300 Kilometern, erreichen wir dann „Martins Drift“, den von uns angepeilten Grenzübergang nach Botswana. Und hier sollte sich die von uns so gut herausgefahrene Zeit («Vielleicht können wir heute abend ja schon ein bisschen im Khama Rhino Sanctuary Park herumfahren») nun sprichwörtlich in der heißen Mittagsluft auflösen.
Zunächst bekommen wir, noch im Auto sitzend, von einr Zöllnerin einen Zettel in die Hand gedrückt. „Haben Sie einen Laptop?“ fragt mich die Dame, die offenbar dafür da ist, die Neuankömmlinge erstmal in Empfang zu nehmen. Komische Frage – bevor ich Zeit habe, darüber nachzudenken, was nun genau die Implikationen der von mir nun zu gebenden Antwort sein würden, höre ich mich schon „Ja“ sagen.
Nun zieht sie einen weiteren, größeren, Zettel hervor: „Tragen Sie ihn da ein, damit Sie ihn wieder ausführen können. Parken Sie da drüben.“ – sie deutet auf den riesgen Parkplatz, auf dem schon Unmengen an Autos stehen.
Hmmm… Soll ich da jetzt nur den Laptop eintragen? Und was ist mir den anderen Sachen? Kameras? Objekive? Etc. Etc.? Ich habe natürlich wenig Lust, das jetzt hier alles zu deklarieren. Noch weniger Lust habe ich aber, bei der Ausreise Stress zu bekommen, oder gar noch Steuern für die Sachen zahlen zu müssen. Vorausschauenderweise habe ich zuhause Kopien aller Rechnungen meines Equipments gemacht und in ausgedruckter Form dabei. Für den Fall der Fälle. Daher bin ich insgesamt verhältnismäßig entspannt.
Ich beschließe, mich später zu entscheiden, wie ich damit umgehe. Jetzt muss ich erst mal sehen, wie an die Stempel in unserem Pass komme. Ich steige aus und will gerade einen Beamten fragen, wie es denn weiterginge – da sehe ich schon die riesige Menschen-Schlange vor dem Grenzgebäude.
„Muss ich mich da anstellen?“ frage ich trotzdem, eine Mini-Hoffnung nicht aufgebend, das dem nicht so sei.
„Yes sir“
Na gut. Was bleibt mir anderes übrig. Ich stelle mich also als einziger Weißer ungefähr an Stelle 75 ans hintere Ende dieser Schlange. Und es dauert, und dauert. Die Afrikanische Sonne brennt erbarmungslos und die arme Diana wartet im Auto und passt darauf auf. Die Leute in der Schlange sind alle relativ entspannt. Ich kann mir das nur so erklären, dass die das hier nicht zum ersten Mal erleben und sich wahrscheinlich mit solchen Prozessen einfach schon abgefunden haben. Überhaupt – Zeit scheint im ländlichen Afrika ohnehin eine untergeordnete Rolle zu spielen. Eine solche Situation hätte in Europa schon zu mittelgroßen Aufständen geführt.
Über zwei Stunden stehe ich in der Schlange. Ganz vorne dauert es dann noch einmal besonders lange. Vor mir sind 4 Einheimische, die die zwei Schalter bestimmt 20 Minuten belegen. Und nun ergibt sich dann doch eine Diskussion (hier eher ein entspanntes Gespräch) zwischen dem, der hinter mir in der Schlange steht und den Zollbeamten, der vor mir steht, und verhindert, dass die Schlange (also ich) das Gebäude betritt. Es geht darum, dass alle gleich abgefertigt werden. Der Einheimische verlangt, dass man Ausländer und Einheimische an unterschiedlichen Schaltern abfertige, so wie das offenbar auf den Botswanesischen Seite gemacht werde. Bei den Ausländern dauere das doch immer so lange, da wäre es doch besser, wenn die Einheimischen ihren eigenen Schalter bekämen. Der Zöllner sagt lapidar, er habe das nicht zu bestimmen – wenn das hier sein Grenzübergang wäre, dann – ja, dann – würde hier alles ein bisschen anders laufen – aber so… Aber immerhin sei ja auch Feierabend, und gestern abend wäre noch viel weniger los gewesen und heute morgen um 6 erst. Warum er denn da nicht gekommen sei…
Sie diskutieren noch eine Weile und dann kann ich endlich passieren. Innerhalb von 10 Sekunden habe ich zwei Stempel in unseren Pässen und bin wieder auf dem Weg zu unserem Auto. Wer braucht hier jetzt lange – ha??
Jedenfalls ist Diana heilfroh, dass ich endlich da bin und wir fahren an den ganzen anderen wartenden Autos vorbei zur Botswanesischen Grenze. Dort ist viel weniger los (wo sind die jetzt auf einmal alle?).
Wir fahren also direkt vor zum Schlagbaum, aber ohne Botswana-Stempel lässt man uns natürlich nicht einreisen.
Erst muss ich also nochmal mit unseren Pässen in das Gebäude. Stempel holen. Hier gibt es jetzt – wie angekündigt – mehrere Schalter. Einreise, Zoll, Einheimische etc. Ja, ich gebe zu – hier geht es erstmal recht fix und ich bin sofort dran.
„Reisen Sie mit zwei Pässen?“ fragt mich die Schalterbeamtin. Sie sieht ein bisschen aus wie Whoopie Goldberg.
„Nein, der eine ist von meiner Frau“ spreche ich das Offensichtliche aus.
„Und – wo ist die?“ will Whoopie wissen.
„Die passt auf das Auto auf.“
„Sie muss persönlich herkommen.“
Argh. Also stiefele ich zurück zum Auto und sage Diana Bescheid.
„Können wir das Auto denn unbeaufsichtigt hier stehen lassen?“
Hmm, was sollen wir denn machen – es bleibt uns ja nicht viel anderes übrig. Zum Glück ist hier wie gesagt nicht viel los, so dass wir also schnell gemeinsam reingehen.
Als wir dann wieder dran sind gibt uns Whoopie dann auch die ersehnten Stempel und wir gehen zurück zum Auto. Alles in Ordnung.
Wieder vorne an der Ausfahrt angekommen die Frage des Beamten, wo denn unsere Auto-Berechtigung sei?
„Auto-Berechtigung?“ – ich krame in dem Wust an Unterlagen, der sich mittlerweile schon angesammelt hat und fische eine Vollmacht des Vermieters heraus.
„Nein, ihr müsst doch eine Berechtigung gekauft haben“ sagt der Zöllner. Jetzt dämmert mir, was er meint. Hier haben wir natürlich (noch) nichts derartiges gekauft. Hätte uns Whoopie nicht eigentlich darauf hinweisen müssen?
„Wo bekommen wir die denn?“
„Drinnen“ lautet die lapidare Antwort.
Also wieder rein. Demonstrativ stelle ich mich wieder bei Woopie an und frage sie nach der Auto-Berechtigung.
„Ach, ihr seid mit dem Auto da?“
„Ja – immer noch mit dem, in dem meine Frau eben gewartet hat.“
Missmutig reißt sie mir einen Zettel von einem Block ab und bedeutet mir, damit zur Kasse zu gehen.
An der Kasse dauert es wieder eine kleine Ewigkeit. Vor mir sind noch zwei Andere, die offenbar den gleichen Zettel in der Hand haben und diesen bezahlen müssen. Der jeweilige Zahlvorgang scheint extrem kompliziert zu sein, denn jeder Einzelne benötigt ungefähr zehn Minuten.
In diesem Moment fällt mir ein, dass ich natürlich noch gar keine Pula (die Botswanesiche Währung) habe – na das kann ja heiter werden.
Als ich nach 20 Minuten dann endlich dran bin, gebe ich dem Typen den Zettel, er tippt irgendwas in seinen Computer, ich frage, ob ich mit Rand zahlen kann, er schaut mich entgeistert an. Tippt irgendwas in seinen Taschenrechner und sagt 160 Rand. Hmmm… für 100 Pula? Das erscheint mir doch jetzt ein – ahem – arg schlechter Wechselkurs zu sein (normal ist der ca. 1:1). Er nimmt das aber ganz gelassen. Ich könne ja gegenüber in der Wechselstube wechseln, da sei der Kurs besser. Ein Blick auf die «Wechselstube», die eher ein Bretterverschlag ist und einer auf meine Uhr lassen mich schnell von der Idee Abstand nehmen. Ich will hier endlich weg.
Also probiere ich es anders, und lege 200 Rand auf den Tisch, wohl wissend, dass er eben schon kein Wechselgeld hatte.
Seine Entgeisterung steigt nur noch. Ob ich es nicht passend hätte?
Ich krame also umständlich in meinem Portemonnaie Und ich fische nun 140 Rand raus. Lege sie ihm hin und sage, das wäre das was ich gerade da hätte. Den Spaß muss ich mir wenigstens geben. Für die Finte ist er aber natürlich zu schlau und so sagt er nur, nein, es wären 160, täte ihm leid.
Knurrend krame ich nochmal und bin dann ganz überrascht, dass ich noch 20 Rand finde, die ich offenbar vorher übersehen haben muss.
Nun aber schnell her den Schein. Weitere 5 Minuten später ist der dann auch mit den erforderlichen 7–13 Stempeln versehen und ich eile raus zu Diana. Ich finde sie in einer lebhaften Diskussion mit de Grenzer. Oh nein, was ist denn nun schon wieder. Entsetzt sehe ich, dass die anderen Autos, die in der Schlage vor dem Schlagbaum stehen, komplett ausgeladen werden. Das hat mir ja gerade noch gefehlt. Als ich näher komme, merke ich aber, dass das Gespräch zwischen Diana und dem Zöllner recht entspannt verläuft – eher sehr entspannt – fast freundschaftlich!
Ich schaue sie an – „und, wie geht es jetzt weiter?“
Freundlich lächelt der Zöllner jetzt auch mich an und Diana sagt:
„Gib ihm den Zettel – alles andere habe ich schon geklärt“.
Verdutzt gebe ich ihm den Zettel, für den ich gerade so hart gekämpft und teuer bezahlt habe und er wünscht uns gute Fahrt!
Das lasse ich mir nicht zweimal sagen und springe in das Auto. Motor an und dann vorbei an all den armen Seelen, die ihr ganzes Auto auspacken müssen.
„Was hast Du denn mit dem gemacht?“ frage ich Diana, als wir draußen sind.
„Och – wir haben uns nett unterhalten. Ich hatte keine Lust, wie alle anderen das Auto auszupacken“ – sie grinst.
„Seht gut gemacht!“, freue ich mich. „Das übernimmst Du jetzt immer!“ – endlich können wir nach über 4 Stunden Grenzaufenthalt weiter fahren.
Nach ca. 1 1/2 Stunden erreichen wir das Khama Rhino Sactuary, wo wir die nächsten 2 Nächte verbringen werden. Die Camps sind hier innerhalb des Parks, man fährt ca. 2 Kilometer auf einer losen Sandpiste bis man die großzügigen und recht weit voneinander entfernten Stellplätze erreicht.
Leider haben wir an der Grenze so viel Zeit verloren, dass heute abend keine Rundfahrt durch den Park mehr möglich ist. Außerdem sind wir echt müde und erledigt.
Unser Stellplatz ist sehr schön. Unter großen, schattigen Bäumen gelegen und recht einsam. Sogar ein Waschraum ist in der Nähe, leider auch ein Handymast und ein Transformator, der etwas zu laut brummt. Zeugen der Zivilisation – auch hier in Botswana.
Abends kochen wir noch und dann muss ich trotz Müdigkeit noch einen Zeitraffer ausprobieren, obwohl die Sicht hier wegen der Bäume und dem Handy-Masten im Süden nicht so toll ist. Einen ersten Eindruck des tollen Südhimmels und der Milchstraße vermittelt die Aufnahme aber schon. Und macht Lust auf mehr. Beim Experimentieren mit dem 300mm Objektiv erwische ich durch Zufall einen Nebel, der mit Bloßem Auge gar nicht sichtbar ist und bin fasziniert.
Voller Vorfreude freue ich mich auf die weiteren Nächte, womöglich ohne störende Bäume und Mond. Der Mond ist abnehmend und in ca. 2 Wochen werden wir Neumond haben, ideale Aussichten also für weitere Zeitraffer und Astro-Fotos!
Weiterlesen:
Afrika Hautnah – Folge 4 – Das Khama Rhino Sanctuary und seine Bewohner
Gleich nach Sonnenaufgang – der Wecker geht bei uns hier immer um 6 – (doch, doch, das ist Urlaub – und wir machen das freiwillig ;-)) fahren wir auf erste Pirschfahrt. Und wieder ist es einfach faszinierend, wenn plötzlich hinter einer Kurve eine Giraffe auf dem Weg steht, ein Zebra direkt neben dem Auto steht […]
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Hammer bericht . Wir möchten auch gern im Jahr 2014 nach Namibia . Toll auch die Geduld die ihr beiden hattet. Könnte ich nicht. Aber was will Mann/Frau machen. Man muß halt über die Grenze. LG JoeGast
Hallo Gunther,
habe gelacht mit Deinem Bericht, denn ähnliches ist mr 2009 auf einer Reise Botswana/Namibia passiert. Der Reiseleiter konnte uns vor der kompletten Räumung des Busses bewahren. Trotzdem: die Koffer alle raus, jeder mußte seinen identifizieren und was sollten wir zeigen? Die Schuhe(!)…
Wir mußten damals durch Brackwasser laufen, denn
dies Schuhe, die wir trugen, mußten «desinfiziert» werden.
Ähnliches passiert aber auch bei den sog.l «Straßensperren», die mitten auf den Landstraßen Botswanas aufgestellt werden. Also wieder: aus dem Bus, die Schuhe … usw. Ungefähr 3x, dann konnten wir die Grenze in Richtung Windhuk passieren.
Botswana empfang ich übrigens als ein ganz eigenes Land.
Beste Grüße, Griet
Hallo Ihr Beiden,
der Bericht ist köstlich! Es macht Spaß, Euch bei der Teamarbeit zu erleben. Dazu der tolle Sternenhimmel! Klasse!
L.G. IHW
Hallo Gunther, Hallo Diana,
sehr schön, tolle Berichte.
Ich verschlinge Eure Berichte, sehr entspannt. War auch schon mal in Südafrika. :-)
Danke
Einspannender Bericht. Die Fortsetzung wird mit Ungeduld
erwartet. Der Südliche Nachthimmel, ein einmaliges
Erlebnis und Wunder. Gruß E.
Ich bin wirklich begeistert von deinem Reisebericht. Er hat mich super unterhalten und die Bilder sind passend :-) Ich hoffe, die nächsten Tage kannst du dich wieder mehr aufs Fotografieren als auf Bürokratie konzentrieren.
Vielen Dank Gunther,
für die Fortsetzung der Afrika Story. Offensichtlich funktionieren Charme und Schönheit in der ganzen Welt :-).
Grüße WoFu
Eins vorweg: es macht riesen Spaß deine Berichte zu lesen und sich die dazu gehörigen Fotos anzuschauen. Hut ab und weiter so!
Mich würden die Einstellungen deiner Kamera interessieren, die du für das spektakuläre Astrofoto verwendest hast.
LG Patrick
Klar, das ist mit dem 300mm f/2.8 entstanden bei Blende f/2.8, 2.5 Sek. Belichtungszeit (um die Sterne noch punktförmig abbliden zu können, darf es bei der Brennweite nicht länger sein) und ISO 6400 an der Nikon D7000.
Vielen Dank Gunther! :)
cool!
PS: Wie stellst du nachts mit dem 300 Scharf? Einfach durch versuchen etc..(Testaufnahmen mit rechtem Anschlag und dann stückchenweise zurück?)Gruß dave
Ja, ich weiß ungefähr, wo die Fokus Anzeige stehen muss (nämlich exakt in der Mitte des Unendlich-Symbols – aber ggf. dann nochmal finetuning mit Liveview und Probieren.