Tamron bietet für einige Objektive ein spezielles USB-Dock an, um den Fokus zu kalibrieren und einige Einstellungen vorzunehmen, die ansonsten dem Service vorbehalten sind. Warum das sinnvoll ist und wie das ganz einfach geht, erkläre ich euch in diesem Artikel.
Fokus-Ungenauigkeiten (sog. Backfokus oder Frontfokus) kennen Benutzer von Spiegelreflex-Kameras schon seit den ersten Autofokus Objektiven. Die Ursache dafür liegt einfach in dem Prinzip, wie der sog. Phasen-Autofokus der Kameras funktioniert. Das habe ich schon einmal in einem separaten Artikel erklärt. Vereinfacht gesagt kann es Unterschiede zwischen der tatsächlichen Entfernung eines Objekts und der vom Autofokus gemessenen Entfernung geben – und das ist leider recht üblich – dann liegt der Fokus beim Fokussieren durch den Sucher hinter oder vor dem anfokussierten Objekt.
Bei einigen Kameras kann man dafür in der Kamera selbst Korrekturwerte hinterlegen, leider aber pro Objektiv in der Regel nur einen für alle Fokus- und Zoom-Bereiche.
Einen besseren Weg gehen hier die Firmen Sigma und Tamron. Seit einiger Zeit bieten sie für ihre neueren Objektive spezielle USB-Adapter, bei Sigma heißt der USB-Dock (wie man Sigma-Objektive kalibriert, habe ich in einem separaten Artikel beschrieben) und bei Tamron Tap-In-Console. Damit könnt ihr die Objektive selbst kalibrieren und müsst sie nicht zum Service schicken. Auf der Tamron-Website findet ihr eine Liste der kompatiblen Objektive.
Bei spiegellosen Kameras brauchen die Objektive übrigens in der Regel nur justiert werden, wenn sie extrem verstellt sind. Normalerweise bekommen spiegellose Kameras das automatisch hin, da sie mit einer Kombination aus Phasen- und Kontrast-Autofokus arbeiten.
Einstellen des Autofokus mit der Tamron Tap-In-Console
Jede moderne DSLR bietet zwei Arten des Autofokus: zum einen den Phasen-Autofokus – das ist der, der aktiv ist, wenn wir durch den Sucher schauen und fotografieren und zum anderen den Kontrastautofokus, das ist derjenige, der aktiv ist, wenn wir im Live-View fotografieren.
Der Phasen-Autofokus ist derjenige, der anfällig für Front- und Backfokus ist. Der Kontrastautofokus ist hingegen immer exakt, wenn er genügend Kontrast beim anfokussierten Objekt findet.
Die unterschiedlichen Charakteristika dieser beiden Autofokus-Varianten machen wir uns nun zunutze, um den Phasen-Autofokus zu kalibrieren. In diesem Artikel habe ich schon einmal erklärt, wie man Back- oder Frontfokus erkennt. Im Prinzip messt ihr den Fokus zunächst mit eingeschaltetem Live-View (Kontrast-Autofokus) und danach ohne Live-View (Phasen-Autofokus). Wenn sich dabei die Entfernungsanzeige vorne am Objektiv bewegt, ist euer Fokus dejustiert. Und genau auf diesem Prinzip beruht nun auch die von mir nun im Folgenden vorgestellte Vorgehensweise beim Kalibrieren mit der Tap-In-Console.
Zunächst benötigt ihr diese Konsole (Bezugsquellen unten). Leider ist sie bei Tamron noch etwas teurer, als bei Sigma. Ich finde, die Hersteller sollten diese Konsolen oder Docks deutlich günstiger anbieten, schließlich sparen sie dadurch Support-Anfragen und einen höheren Aufwand für exakteres Kalibrieren von Werk aus.
Wie auch immer – wenn man ein solche Objektiv hat, möchte man sicherlich nicht an der falschen Stelle sparen und unscharfe Bilder produzieren, nur weil man das Objektiv nicht kalibriert. Wir müssen also leider in den sauren Apfel beißen, und dieses Zubehör anschaffen, wenn wir nicht Kamera und Objektiv zum Support schicken wollen.
→ Tamron Tap-In-Console für Nikon, Canon, Sony
Nun downloaded ihr die Software für die Tap-In-Console von der Tamron Webseite (es gibt eine Mac und eine PC Version) und installiert sie.
Steckt erst nach der Installation die Console in einen freien USB-Port
Kalibrieren der Unendlich-Einstellung
- Stellt die Kamera auf ein Stativ, M‑Modus, Offenblende (!) – also bei einem 24–70 f/2.8 wäre das Blende 2.8 und stellt die Belichtungszeit so ein, dass ihr ein einigermaßen vernünftig belichtetes Bild bekommt. Stellt die Kamera im Garten auf oder öffnet ein Fenster und richtet die Kamera nach draußen. Den Autofokus stellt ihr auf Einzelfeld, kontinuierliche Fokussierung. Als Messfeld wählt ihr das in der Mitte. Dieses richtet ihr auf irgendetwas in mehr als 30 Metern Entfernung, das etwas Kontrast aufweist, so dass ihr darauf fokussieren könnt. Zum Beispiel eine Baumgruppe in der Ferne.
- Wenn ihr ein Zoom Objektiv kalibrieren wollt, wählt zunächst die Weitwinkel-Einstellung, bei einem 24–70 wäre das 24mm.
- Nun schaltet die Kamera in den Live-View-Modus. Das Live-View-Fokusfeld sollte auch genau in der Mitte platziert sein, so dass es exakt die Stelle fokussiert, auf der das Messfeld im Sucher gezeigt hat.
- Nun fokussiert im Live-View. Haltet den Auslöser halb gedrückt, solange, bis vorne am Objektiv die Entfernungsanzeige zur Ruhe kommt. Schaut weiterhin auf diese Anzeige und schaltet den Live-View aus. Nun fokussiert noch einmal und beobachtet die Skala dabei. Wenn sich der Fokus nicht verändert, ist er ohnehin perfekt eingestellt. Wenn die Skala sich leicht nach rechts dreht, habt ihr einen Backfokus, wenn sie sich leicht nach links dreht, habt ihr einen Frontfokus.
- Nun setzt ihr das Objektiv wieder in das Dock und tragt Korrekturfaktor in der rechten Spalte für Unendlich ein. Hier müsst ihr etwas probieren. Bei einem Backfokus, müsst ihr in den Minus-Bereich gehen, beim Frontfokus in den Plus-Bereich. Ihr könnt ruhig großzügig starten z.B. mit 10 als Wert mit dem jeweiligen Vorzeichen. Dann klickt ihr auf «Einstellungen auf Objektiv anwenden».
- Nun wieder das Objektiv an die Kamera und noch einmal probieren. Normalerweise sollte die Abweichung zwischen Live-View-Autofokus und Phasenautofokus nun geringer geworden sein. Macht das solange, bis die Abweichung kaum noch merkbar ist.
Führt das nun nacheinander für die einzelnen Zoomstufen (bei 24–70 sind das 24, 35, 50 und 70mm) zunächst bei Unendlich durch.
Um die weiteren Messungen bei kürzeren Distanzen durchzuführen, braucht ihr ein Motiv, auf das ihr zuverlässig fokussieren könnt. Ich habe dafür ein Plakat genommen, das an meiner Tür hängt. Achtet darauf, dass das Motiv möglichst flach ist und genug Details für eine zuverlässige Fokussierung mitbringt.
Die Kamera müsst ihr unbedingt auf ein Stativ stellen und möglichst horizontal ausgerichtet auf das Motiv richten. Das Prozedere ist nun wieder das Gleiche:
- Erst im Liveview Fokussieren, dann ohne Liveview, vergleicht den Fokus der 2. Aufnahme (ohne LV) mit der ersten. Wenn der Fokus:
- kürzer ausfällt -> Korrekturwert erhöhen (Frontfokus)
- länger ausfällt -> Korrekturwert verringern (Backfokus)
Führt das nun für die fehlenden Entfernungsstufen durch:
- 0,38 Meter (kurz vor der Naheinstellgrenze)
- 1 Meter
Um diese Positionen zu finden, könnt ihr einfach die Kamera bei angetipptem Auslöser inklusive des Statives auf euer Motiv zubewegen, bis auf der Fokusanzeige am Objektiv die gewünschte Entfernung angezeigt wird, hier stellt ihr dann das Stativ ab.
Fazit
Immer wieder höre ich Kritik, dass man für die Sigma und Tamron Objektive extra diese Kalibier-Docks kaufen müsse und damit verbunden Aussagen wie «die sollen die Objektive von vornherein richtig kalibrieren, dann wäre diese Mehrausgabe nicht nötig».
Sicher, es ist ärgerlich, zu einem teuren Objektiv auch noch eine solches Dock kaufen zu müssen. Aber auf der anderen Seite ermöglicht es eben auch, das Objektiv wirklich akkurat an die eigene Kamera anzupassen, ohne beides zum Service schicken zu müssen (und eine gewisse Zeit darauf zu verzichten). Solche Fokus-Ungenauigkeiten sind eben nicht immer nur eine Sache des Objektives. Die Kamera spielt dabei nämlich auch eine Rolle. Und wenn die Nikons und Canons dieser Welt ihren Kameras vernünftige Kalibrier-Werkzeuge mitgeben würden (die eben nicht einfach nur einen einzigen Korrekturwert pro Objektiv verarbeiten) könnte man sich das alles sparen.
Die Idee, die Objektivkorrektur durch einen semi-automatischen Abgleich zwischen Phasen- und Kontrastautofokus durchführen zu können, wie Nikon sie in einigen Modellen wie der D500 und D850 eingeführt hat, ist ein an sich gut gemeinter Ansatz. Leider greift der aber derzeit noch viel zu kurz, da er nicht unterschiedliche Zoom- und Fokusbereiche differenzieren kann und ist somit unbrauchbar ist (dazu hatte ich in meinem Testbericht zur D500 ausführlich geschrieben) – ihr seht ja, wie unterschiedlich die Korrekturwerte sind, die ich eintragen musste.
Solange es also keine andere Möglichkeit gibt, bleibt Spiegelreflex-Fotografen nur die Investition in eine solche USB-Lösung. Letztendlich dient das USB-Dock ja nicht nur der Fokusjustage, sondern man kann damit auch Firmware-Updates einstellen und noch einige spezielle Einstellungen im Objektiv vornehmen, z.B. das Verhalten des Bildstabilisators. Weiterhin muss man es nur einmal anschaffen, wenn man sich mehrere Objektive des Herstellers kauft.
Hier noch einmal die Links zu der Tamron Tap-In-Console bei Amazon:
- Tamron Tap-In-Console für Nikon
- Tamron Tap-In-Console für Canon
- Tamron Tap-In-Console für Sony
Und nun – auf zu schärferen Bildern und viel Spaß beim Kalibrieren!
Disclaimer: ich habe keine wie auch immer geartete Verbindung zur Firma Tamron sondern bin nur Anwender und habe meine Objektive und die Konsole selbst gekauft und bezahlt.
Hat Dir der Artikel gefallen?
Dann melde Dich doch bitte zu meinem kostenlosen Newsletter an. Dann bekommst Du eine Nachricht bei neuen Artikeln und Du wirst auch exklusiv als erstes über neue Workshops und Reisen informiert! Außerdem gibt es dort auch immer wieder Hintergrund-Infos, die so nicht im Blog stehen.
Natürlich freue ich mich auch sehr, wenn Du mir bei YouTube, Instagram und Facebook folgst.
Alle Inhalte © Gunther Wegner
*) Mit einem Stern gekennzeichnete Links sind externe Partner-Links. Ihr unterstützt mich, wenn ihr darüber bestellt. Alternativ könnt ihr auch über folgende Direktlinks in die Shops wechseln:
Amazon.de, Amazon.at, Amazon.com, Foto Koch, Augenblicke-Eingefangen, camforpro.com.
Über meine Zusammenarbeit mit externen Partnern habe ich hier ausführlich geschrieben. Danke!