Heute möchte ich einmal auf die Frage eines Lesers eingehen, der sich von meinem Artikel Video mit der Digitalen Spiegelreflex – Praxistipps dazu verleiten lassen hat, in die Materie einzusteigen. Er schreibt:
Hallo Gunther,
angeregt durch Deine Artikel habe ich vor ein paar Wochen auch mit dem Filmen über die DSLR angefangen, mein Sohn muss seitdem so einiges ertragen.
Besten Dank für Deine Artikel, die haben mir den Einstieg wirklich erleichtert (auch wenn ich bei Canon gelandet bin).In vielen Tutorials wird immer wieder empfohlen, als Belichtungszeit den doppelten Wert der Framerate zu nutzen. Bei Aufnahmen mit 50fps also 1/100 Sek., bei 25fps 1/50 Sek. usw.
Die tatsächliche Belichtung des Films wird somit natürlich stark auf Blende und ISO beschnitten, bei den Aufnahmen wirkt diese Faustregel aber irgendwie stimmig.
Hast Du hierzu evtl. auch Erfahrungen gemacht?
Eigentlich hatte ich die Antwort als Kommentar schon fertig, da habe ich mir überlegt, dass das Thema eigentlich so spannend ist, dass ich ihm einen eigenen Artikel widmen kann.
Warum ist es beim Filmen relevant, mit welcher Belichtungszeit man arbeitet, wie sollte man sie wählen und woher um alles in der Welt kommt diese Faustregel?
Nun zunächst einmal die Antwort auf die letzte Frage. Wie vieles ist das historisch bedingt. Alte Filmkameras für Kinofilme haben 24 Bilder pro Sekunde aufgenommen. Dabei wurde die Hälfte der Zeit belichtet (1/48 Sek.) und die andere Hälfte der Zeit benötigte die Kamera, um den Film zu transportieren.
Heute sind wir da natürlich flexibler – fast alles ist möglich, nur länger als Standzeit eines Bildes (hier als 1/24 Sek.) kann man aus naheliegenden Gründen natürlich nicht belichten, sonst könnte die Wiederholfrequenz nicht gehalten werden.
Nun kommen wir zur Frage, wie wir mit unserer neu gewonnenen Flexibilität umgehen sollten. Möglichst kurz, möglichst lang, oder die goldene Mitte?
Schauen wir uns einmal an, wie die unterschiedlichen Belichtungen wirken.
Im ersten Bild würden wir mit 1/240 belichten, also einem Zehntel von 1/24.
9/10 der Standzeit eines Bildes belichten wir nicht, die eigentliche Zeit in der der Verschluss offen ist, ist sehr kurz. Der Film «verpasst» ein Großteil der Bewegung.
Im zweiten Beispiel würden wir mit 1/27 Sek. Belichten, also nur etwas kürzer, als die Standzeit. Der Film bekommt das meiste der Bewegung mit, es entsteht eine relativ starke Bewegungsunschärfe.
Cineasten schwören nach wie vor auf den sog. 180 Grad Shutter. Das ist die eben beschriebene Belichtung mit der Hälfte der Standzeit. So ist man es aus dem Kino gewöhnt und bei 24p sieht das «gut» bzw. «gewohnt» aus.
Also: die Fausregel besagt, dass man nicht allzuviel kürzer belichten soll, also die halbe Standzeit eines Bildes. Wenn man länger belichtet, gibt es mehr Bewegungsunschärfe, wenn man kürzer belichtet, gibt es den sogenannten «Stakkato-Effekt». Der Film wirkt deutlich ruckeliger.
Das kommt nun natürlich wie gesagt aus dem Kinofilm, der mit 24fps ja recht langsam läuft. Puristen schwören darauf und filmen auch mit der DSLR immer mit 24fps und belichten brav mit 1/40 oder 1/50 Sek.
Ich sehe das nicht so eng. Für mich kann die Bildwiederholfrequenz meiner Filme ruhig höher sein, gerade, wenn ich Action aufnehme. Nicht zuletzt deswegen habe ich mir als Ergänzung zu meiner D7000 ja noch die D5100 gekauft, die mit 30fps filmen kann.
Je höher die Framerate, um so irrelevanter wird allerdings der oben beschriebene Effekt. Wenn Ihr mit 60fps filmt, werdet ihr vermutlich kaum einen Unterschied mehr feststellen, ob ihr kurz oder lang belichtet. Schon bei 30fps müsst ihr genau hinsehen.
Auf keinen Fall würde ich auf eine offene Blende mit der entsprechenden Tiefenunschärfe verzichten wollen, nur um die Belichtungszeit länger zu bekommen. Und da kommen wir dann auch schon zum Knackpunkt: wie schafft man es, die Blende offen zu halten und gleichzeitig ausreichend lange «Film-Kompatible» Belichtungszeiten zu realisieren?
Bei strahlendem Sonnenschein und einer Festlegung auf 1/40 Sekunde Belichtungszeit bliebe uns ja selbst bei ISO 100 nicht anderes übrig, als auf Blende 11 oder kleiner runterzugehen. Oftmals absolut inakzeptabel. Hier müsst ihr also entscheiden, ob ihr doch kürzer belichtet, oder zu einem Trick greift…
Die Lösung: Der Graufilter im Einsatz fürs Filmen
Viele Filmer nehmen ND-Filter (Graufilter) zur Hilfe, um bei offener Blende trotzdem die gewünschten relativ langen Belichtungszeiten realisieren zu können. Der ND-Filter tut nichts anderes, als einfach weniger Licht ins Objektiv einfallen zu lassen. Aus der Mittagssonne wird eine Abenddämmerung.
ND-Filter gibt es in verschiedenen Stärken, die passende müsst ihr dann jeweils ausprobieren oder errechnen. Allerdings wird die Anschaffung von 3 oder 4 ND Filtern schnell relativ teuer und das Rechnen bzw. Umschrauben der Filter nervt auf Dauer auch.
Als Alternative bietet sich daher ein sog. Vario-ND Filter, z.B. ich nutze z.B. die Freewell Filter, dazu habe ich ein ausführliches Video gemacht (achtet darauf, dass ihr den richtigen Filterdurchmesser kauft!). Damit lässt sich stufenlos die Lichtdurchlässigkeit regulieren.
Das Prinzip beruht auf 2 gegeneinander verdrehbaren Polfiltern, die allerdings bei dem Vario-ND Filter besonders dünn ausfallen, um nicht zu vignettieren. ND2-ND400 bedeutet, dass die schwächste Einstellung immer noch die Hälfte des Lichts durchlässt, die stärkste allerdings nur noch 1/400 des Lichts, also eine 400x längere Belichtung ermöglicht.
Das Freewell Filtersystem hat meine Arbeitsweise mit Filtern komplett verändert!
Welche Filter sind heute eigentlich noch für welche Anwendungen wirklich wichtig? Außerdem erfahrt ihr im heutigen Video, wie ein neues System von Filtern mich motiviert hat, diese bei Videoaufnahmen auch tatsächlich immer einzusetzen und so zu deutlich besseren Ergebnissen zu kommen. Klar, bei Zeitraffern setze ich so gut wie immer meine ND Filter ein. Bei […]
Fazit:
Wenn ihr cineastisch anspruchsvoll filmen wollt, dann kommt ihr um die Anschaffung eines oder mehrerer Graufilter nicht drumherum. Ich empfehle Euch für den Anfang einen Vario Filter. Im Bereich der nicht allzustarken Abdunklung macht der einen guten Job. Für langzeit Fotografie, solltet ihr euch mindestens noch einen festen 1000x ND-Filter dazu kaufen.
Wenn ihr allerdings größtenteils Action mit hohen Frameraten wie 60fps oder 120fps filmen wollt, kommt dem Thema «Verschlusszeit» keine ganz so hohe Bedeutung zu.
So, ich hoffe, damit etwas Licht ins Dunkel gebracht zu haben und freue mich immer über Eure Fragen, Kommentare und Anregungen zu neuen Artikeln!
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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Über meine Zusammenarbeit mit externen Partnern habe ich hier ausführlich geschrieben. Danke!