Mit der Bearbeitung gebt ihr euren Fotos den Feinschliff. Aus Fotos werden Bilder. Im dritten Teil unserer Reihe «Das 3x3 für bessere Fotos» behandeln wir daher nun nach dem Fotografieren und Selektieren das Bearbeiten der Fotos.
Schritt III: Bearbeiten
Öfter als ihr vielleicht denken würdet, höre ich auch heute noch die Meinung, das Bearbeiten von Fotos sei manipulativ oder gar verwerflich. Das sind dann Stimmen wie
«Ich möchte nicht, dass meine Bilder bearbeitet werden – ich will die Realität so wiedergeben wie sie ist.»
oder
«Wer Bilder bearbeiten muss, macht beim Fotografieren etwas falsch.»
Oft kommt dann noch die Aussage:
«…außerdem habe ich gar keine Zeit meine Fotos alle zu bearbeiten».
Um das letzte Argument habt ihr euch ja nun schon gekümmert, indem ihr, wie in der letzten Folge beschrieben, nur die allertollsten Bilder ausgewählt habt. Den Berg habt ihr also schon fast bezwungen, jetzt sollen diese ohnehin schon großartigen Fotos noch ihren Feinschliff bekommen – und das ist jetzt wahrlich keine Arbeit mehr, sondern nur noch pures Vergnügen!
Die ersten beiden Punkte möchte ich hingegen mit „Falsch, falsch, falsch!“ beantworten!
Jedes JPG, das aus der Kamera kommt, wird automatisch «bearbeitet» – nämlich durch die Software in der Kamera. Jede Digitalkamera bearbeitet die Bilder. Und keine Kamera der Welt sieht oder gibt die Realität so wieder, wie sie ist! Wenn das wirklich das Ziel sein soll, kann nur der Fotograf – in der Nachbearbeitung – einem Foto die Anmutung geben, die seiner Meinung nach die „richtige“ ist. Richtig oder falsch ist hier nämlich total subjektiv. Eine Kamera wendet stumpf Bearbeitungsalgorithmen auf alle Fotos an. Sie „sieht“ nicht und sie weiß nicht, wie ihr das Motiv seht. Sie nutzt spezielle (recht einfältige) «Kochrezepte» zur Bearbeitung, die ihr ihre Entwickler eingeimpft haben und die sie mehr oder weniger Stumpf anwendet. Und diese Rezepte sollen dann für alle Aufnahmesituationen möglichst irgendwie funktionieren. Nur noch ein Denkanstoß: die Kamera hat zwar eine Uhr eingebaut, aber sie berücksichtigt bei ihrer Bearbeitung noch nicht einmal, ob Tag oder Nacht ist.
Ihr merkt schon: wir sprechen von einer gehörige Portion «Zufall» und Ergebnissen, die maximal Durchschnitt sein können. Eigentlich nicht dass, was ihr als ambitionierte Fotografen produzieren wollt, oder?
Daher ist es wichtig, dass ihr dies Bearbeitung nicht der Kamera überlasst, sondern sie selbst in die Hand nehmt. Dazu müsst ihr der Kamera beibringen, dass sie Euch ihre rohen Bilddaten (RAW) zur Verfügung stellen soll, damit ihr sie dann bearbeiten könnt. Mit heutiger Software zur Fotobearbeitung geht das ganz leicht.
Auch schon zu analogen Zeiten haben sich ambitionierte Fotografen nicht auf die Ergebnisse aus Großlaboren verlassen, bei denen die Automaten einfach eine Standard-Entwicklung durchgeführt haben. Jeder der seine gutgemeinten Nachtaufnahmen mal als Lila-/Grauen Abzug aus dem Großlabor gesehen hat, weiß, wovon ich spreche. Nein, um wirklich tolle Bilder zu erzeugen, musste man die Bilder von Hand entwickeln und ausbelichten. Fotografen haben teilweise tagelang an einem einzelnen Bild gearbeitet, bis es dem entsprach, was sie sich vorstellten. Soviel zum Thema «Keine Zeit». Zum Glück geht das heute am Rechner alles viel, viel schneller. Aber gemacht werden sollte es halt. Wie das sehr effizient geht, dazu kommen wir dann weiter unten.
III.1 RAW Dateien aufnehmen und selbst bearbeiten
Alle Digitalkameras nehmen Fotos nicht nur auf, sondern sie bearbeiten sie auch automatisch. Weißabgleich, Schärfe, Rauschreduzierung. Die von den Kameras angewandten Algorithmen können dabei noch so gut (oder intelligent, wie die Hersteller uns glauben lassen wollen) sein, sie werden das Bild nie «sehen» und somit wie ein Mensch beurteilen können.
Um wirklich gute Ergebnisse zu bekommen, müsst ihr die Farben und Kontraste in euren Bildern selbst einstellen. Kaum ein Foto kommt so aus der Kamera, als dass in dem Zusammenhang es nicht noch verbessert werden könnte. Insbesondere der Weißabgleich ist ein mächtiges Gestaltungswerkzeug, welches die Anmutung eines Bildes völlig verändern kann. Eine Anpassung der Weißabgleichs in der Nachbearbeitung führt oft zu besseren Ergebnissen. Dies ist allerdings nur möglich, wenn ihr im RAW Format fotografiert! Gerade besonders interessante Lichtstimmungen, wie sie bei tief stehender Sonne oder zur Blauen Stunde entstehen, kann der Automatische Weißabgleich nicht einordnen und wird sie neutralisieren. Hier ist es ganz entscheidend, dass ihr durch die richtige «subjektive» Wahl des Weißabgleichs die Stimmung in der Bearbeitung wieder herstellt!
Um den «Look» eurer Fotos überhaupt richtig beurteilen zu können, müsst ihr einen vernünftigen und vor allem kalibrierten Monitor einsetzen. Es muss kein Eizo sein, aber lest euch folgenden Artikel mal durch; dort habe ich einige Ansätze zur Auswahl des richtigen Monitors gegeben:
Eizo CS270 – 27 Zoll Monitor mit Hardware-Kalibrierung für Bildbearbeitung – Review, Kaufempfehlung
Heute stelle ich euch den Eizo CS270 vor, einen für Eizo Verhältnisse recht günstigen Monitor, der 99% des Adobe RGB Farbraums abdeckt, hardware-kalibrierbar ist und sich somit sehr gut für die Bildbearbeitung eignet. Weiterhin stelle ich den Vergleich mit meinem bisherigen Monitor an. Zum Schluss gebe ich eine generelle Monitor-Kaufempfehlung für die Bildbearbeitung. Als Eizo […]
Außerdem noch ganz wichtig: kalibriert euren Monitor – wenn ihr nicht das seht, was ihr bearbeitet, dann ist die ganze Mühe umsonst! Zum Kalibrieren habe ich schon einige Artikel geschrieben, z.B.:
Monitor Kalibrierung einfach gemacht – Spyder 5 – meine Erfahrungen
Das Kalibrieren von Monitoren ist für jeden Fotografen oder Foto-Enthusiasten ein absolutes Muss. Spyder 5 heißt die neue Evolution im Bereich Bildschirm-Kalibrierung der Firma Datacolor und ist nun schon mein 3. Spyder. Ich war gespannt, ob ich einen Unterschied im Kalibrierungsergebnis sehen würde. Über das warum und weshalb der Bildschirmkalibrierung habe ich ja schon einmal ausführlich […]
Den Monitor kalibrieren – so kommt ihr zu besseren Fotos
Wie und warum ihr automatisch zu besseren fotografischen Ergebnissen kommt, allein dadurch, dass ihr Euren Monitor mit einem Gerät kalibriert, das nicht mehr kostet, als ein guter Filter, erkläre ich in meinem Gastbeitrag auf dem FotoCommunity Blog. Nach unserer Wahl zum besten Fotoblog 2013 haben mich die Macher des FotoCommunity Blogs gefragt, ob ich Lust hätte, […]
Im Rahmen der 3x3 Artikelserie kann ich natürlich keinen kompletten Lehrgang für die Bildbearbeitung geben. Denn auch sie ist ein weites Feld, zu dem es viele Ansätze und unterschiedliche Werkzeuge gibt. Auch im Netz gibt es tolle Anleitungen. Weitere Anleitungen und Tipps dazu habe ich auf jeden Fall geplant, sie werden demnächst auf gwegner.de erscheinen. Als Programm zu Bearbeitung und Verwaltung von Fotos empfehle ich Adobe Lightroom. Mit Lightroom bekommt ihr ein Komplettpaket mit der derzeit wohl mächtigsten, aber doch intuitiv zu bedienenden Bildbearbeitung und der Möglichkeit, eure Bildbestände zu verwalten. Und das Ganze gibt’s entweder als recht günstiges Mietmodell inklusive Photoshop oder als einzelne Kaufvariante.
Wenn eure Kamera es erlaubt, dann fotografiert bitte unbedingt im RAW-Format. Wenn ihr Lightroom einsetzt, dann unterscheidet sich das Handling zwischen RAW und JPG nicht, das heißt es ist überhaupt nicht schwieriger oder aufwändiger mit RAW Dateien zu arbeiten. Dafür bekommt ihr aber viel mehr Spielraum in der Nachbearbeitung. Zum Beispiel könnt ihr ohne Qualitätsverlust den Weißabgleich und viele weitere Parameter noch im Nachhinein anpassen. Der Unterschied zu JPGs ist, dass bei den JPGs die Kamera eigenen Bearbeitungen schon in die Bilder eingerechnet sind und der Kontrastumfang auf 8bit (256 (!) Abstufungen pro Kanal) beschränkt wurde. Bei RAW-Bildern steht euch die komplette „Tiefe“ der Bilder in 12 oder gar 14bit (16.384 (!) Abstufungen pro Kanal) zur Verfügung, so wie sie vom Sensor eurer Kamera aufgenommen wurde. Davon ausgehend könnt ihr dann selbst bestimmen, wie die Bearbeitung aussehen soll!
Einfache Bearbeitungsschritte, die so gut wie jedem Bild zu einem besseren Aussehen verhelfen, sind: Weißabgleich, Belichtung, Lichter, Tiefen, Weißpunkt, Schwarzpunkt. In Maßen: Schärfe, Lokaler Kontrast (Klarheit), Dynamik (statt Sättigung). Mehr braucht man für die meisten Bilder nicht.
III.2 Kümmert euch um den Bildausschnitt!
Rückt den Horizont gerade!
In der Praxis wird es euch nicht immer gelingen, bei der Aufnahme die Kamera exakt horizontal auszurichten. Das ist auch nicht weiter schlimm, weil es sich leicht nachträglich korrigieren lässt. Allerdings müsst ihr das dann auch tun.
Ihr solltet unbedingt eure Bilder im Nachhinein in der Bildverarbeitung gerade ziehen. Niemand hat Verständnis für schiefe Horizonte oder schiefe Gebäude. Es sei denn, ihr setzt sie bewusst als Gestaltungsmittel ein, oder ihr fotografiert den Schiefen Turm von Pisa.
Nutzt auch die Objektiv-Korrekturen, wie sie z.B. Lightroom bietet. Sie rechnen tonnen- und kissenförmige Verzeichnungen und andere Objektiv-Fehler aus den Bildern heraus. Einen gebogenen Horizont kann man in Ausnahmefällen mal als Stilmittel einsetzen, zum Beispiel bei Aufnahmen mit dem Fischauge. Grundsätzlich wirkt er aber eher befremdlich.
Beschneidet das Bild!
Auch eure Bildkomposition wird nicht immer perfekt sein, so wie das Bild aus der Kamera kommt. Hier könnt ihr im Nachhinein noch kreativ sein! Es fällt viel leichter, am Monitor den richtigen Bildausschnitt festzulegen, als schon im Sucher. Ich lasse beim Fotografieren gerne etwas Luft an den Rändern und beschneide fast jedes Bild im Nachhinein noch. Die heutigen Megapixel-Sensoren lassen hier genügend Spielraum.
Regeln für den richtigen Beschnitt zu definieren, fällt schwer. Es ist euer Empfinden, eure «künstlerische Ader», die die Komposition des Bildes auch jetzt in der Nachbearbeitung noch verbessern kann. Regeln, wie die Beachtung des goldenen Schnittes sind sicherlich am Anfang eine Hilfe, aber natürlich nicht allgemeingültig. Hilfreich ist es, wenn ihr euch immer wieder Fotos anschaut, die ihr gut findet. Was macht eurer Meinung nach ein gutes Foto aus? Wendet diese Kriterien (neben den hier besprochenen) auf eure eigenen Bilder an.
Auch beim Festlegen des Bildausschnitts gilt: weniger ist mehr. Habt keine Scheu, überflüssige Bildpartien weg zu schneiden. Experimentiert auch mit verschiedenen Seitenverhältnissen und Ausrichtungen. Ohne Probleme könnt ihr aus einem Bild im klassischen 3:2 Querformat ein quadratisches oder gar eines im Hochkant-Format ausschneiden.
III.3 Gebt euren Bildern Dynamik und Kontraste!
Nutzt den Dynamikumfang des Bildes aus aber überschreitet ihn nicht. Bis auf wenige, bewusste Ausnahmen (High-Key / Low-Key) sollte ein Foto schwarze und weiße Partien enthalten. Dabei sollten die Grenzbereiche aber keinesfalls «absaufen». Kontrollieren könnt ihr das mit dem Histogramm. Bilder, in denen Partien im Schatten absaufen oder der Himmel weiß ausläuft, will normalerweise keiner sehen! Also zeigt sie auch nicht. In Lightroom steuert ihr die Dynamik über die Regler Tiefen, Lichter, Weiß und Schwarz. Als Anhaltspunkt könnt ihr die Regler nach dem von mir so benannten «Dynamik‑D», siehe Screenshot, ausrichten.
Die Richtung, in der die Regler gezogen werden, folgt immer dem «Dynamik‑D» – die Stärke der einzelnen Regler hängt sehr individuell vom Bildinhalt ab. Es ist also keine gute Idee, diese Einstellungen in eine Vorgabe zu packen.
Und so geht es:
- Zieht den Belichtungsregler so, dass das Histogramm möglichst ausgewogen in der Mitte steht.
- Zieht den Lichter Regler nach links, bis die Überbelichtungen weg sind (rechter Rand des Histogramms nicht abgeschnitten)
- Zieht den Tiefen Regler nach rechts, bis die Schatten hell genug sind (visuelle Kontrolle)
- Zieht den Weiß Regler etwas nach rechts, falls dort «Platz» im Histogramm ist. Achtet auf das kleine Dreieck rechts oben vom Histogramm, zieht den Regler nur so weit bis das kleine Dreieck eine Farbe bekommt.
- Zieht den Schwarz Regler nun etwas nach links, achtet auch hier wieder auf das kleine Dreieck links oben vom Histogramm, wenn dieses sich einfärbt, habt ihr genug gezogen.
- Vergesst die Automatiken für das Setzen von Weiß- und Schwarzpunkt, das geht visuell viel besser.
- Checkt den Weißabgleich visuell. Versucht die farbliche Stimmung zu treffen, die ihr bei der Aufnahme empfunden habt.
Alternativ könnt ihr beim Ziehen der Weiß- und Schwarz Regler auch die Alt-Taste drücken, um zu sehen, wann welche Bereiche «abgeschnitten» werden.
Diese Art der Bearbeitung dauert pro Bild mit etwas Übung nicht mehr als 10 Sekunden und beinhaltet die allerwichtigsten Komponenten der Bildbearbeitung. Bei den meisten meiner Bilder mache ich nichts anderes.
Wenn mir jetzt noch einer mit «dafür habe ich keine Zeit…» kommt, dann weiß ich auch nicht mehr weiter… :-)
Zusammenfassung
- Der Betrachter eurer Fotos beurteilt nur diejenigen, die ihr ihm zeigt. Nicht diejenigen, die ihr nicht zeigt.
- Ihr werdet an eurem schlechtesten Bild gemessen, nicht an dem besten.
- Bildbearbeitung gehört zur Fotografie und ist ein kreativer Prozess, dessen Potenzial ihr unbedingt nutzen solltet!
Also:
Ein Automobilhersteller hat einmal für seinen kleinsten Sprössling den schönen Slogan geprägt: «reduce to the max.» Das ist eine Maxime die in der Fotografie, aber nicht nur dort, sehr allgemeingültig angewandt werden kann und fast immer zu besseren Ergebnissen führt. Derjenige der auf Facebook jeden Tag 20 beliebige Links postet wird schnell von seinen „Freunden“ dafür geblockt werden. Derjenige, der ab und an einen großartigen Link oder ein nach den hier besprochenen Kriterien großartiges Bild postet, wird sicherlich seine Fan-Gemeinde halten und nachhaltig vergrößern können.
Abschließen möchte ich mir einem weiteren Zitat von Ansel Adams:
«It is easy to take a photograph, but it is harder to make a masterpiece in photography than in any other art medium.»
(Deutsch: «Es ist einfach, ein Foto aufzunehmen. Aber in der Fotografie ist es schwerer ein Meisterwerk zu schaffen, als in irgendeinem anderen künstlerischen Bereich.»)
In diesem Sinne, viel Spaß beim Fotografieren, Bearbeiten und Präsentieren!
Euer Gunther
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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Über meine Zusammenarbeit mit externen Partnern habe ich hier ausführlich geschrieben. Danke!