Nichts ist ärgerlicher, als schlechter Ton bei Video-Aufnahmen. In dieser Gastartikel-Serie erklärt uns Tontechnik-Experte Michael Schubert, was wir beachten müssen, um bei Videoaufnahmen auch einen perfekten Ton hinzubekommen.
Michael hatte mich nach unserem Fotoschnack 52, in dem wir uns unter anderem auch über Video und den Herausforderungen bei der Tonaufnahme unterhalten haben, angeschrieben und noch einige wirklich gute Tipps gegeben. Daraufhin habe ich ihn gefragt, ob er nicht Lust hätte, einen Gast-Artikel zu schreiben. Daraus wurde nun eine 3‑Teilige Artikelserie – darüber freue ich mich sehr, denn aus eigener (leidvollen) Erfahrung weiß ich, wie wichtig es ist, sich bei Filmaufnahmen auch um den Ton zu kümmern um sich viel Frust im Nachhinein zu ersparen. Daher meinen ganz lieben Dank an Michael, der jetzt zu Wort kommt.
Im letzten Fotoschnack berichtete Gunther über seine Erfahrungen mit dem Ton bei einem großen Videoprojekt. Darauf hin hatte ich den beiden ein paar technische Aspekte zum Thema per Mail gesendet. Dies wiederum führte zu der Idee, daraus einen Gastbeitrag auf dieser Webseite zu machen.
In den nunmehr fast 30 Jahren tonmeisterlicher Praxis habe ich den größten Teil dieser Zeit mit der Produktion von Filmmusik verbracht und lehre seit fast 10 Jahren jungen, angehenden Tonmeistern das Handwerk. Gerade bei uns an der Hochschule spielt für die Tonmeister-Studenten Video – und damit in erster Linie der Ton zum Bild – eine immer größere Rolle. Live-Streams von Konzerten, Produktion von Bewerbungsvideos etc. verlangen einen hohen Anspruch an die Tonqualität ebenso wie Dokumentationen mit Interview-Anteilen oder auch Umgebungsgeräuschen (neudeutsch: Atmos).
Ich möchte euch in diesem Beitrag ein paar Tipps zur Auswahl und dem Umgang mit Tonequipment geben, welches dem geneigten Videofilmer helfen könnte, den Ton zu seinen Bildern zu verbessern. Ich wende mich hier ausdrücklich an die Filmer, die keine oder nur wenig Erfahrung mit dem Ton haben. Also legen wir los:
Warum reicht es nicht aus, die Mikrofone der Videokamera/DSLR-Kamera zu benutzen?
An meiner Nikon D750 habe ich mal die Mikrofone gesucht. Ohne ins Manual zu schauen entdeckte ich zwei winzige Löcher links und rechts vom Blitz. Da sollten Mikrofone drin sein? In der Tat – aber so klingt es eben auch. In DSLR sind wirklich winzige Mikrofone verbaut, an gängigen Videokameras (Consumer & Pro-Consumer-Klasse) sind die Öffnungen und die dahinter verbauten Mikrofone dann schon ein wenig größer. Diese eingebauten Mikrofone haben aber in der Regel eine extrem kleine Membran von 1–2mm. Die Membran ist das Teil, welches – einfach ausgedrückt – die akustischen Schwingungen, also unseren Ton, in elektrische Signale wandelt, die wir dann aufnehmen und bearbeiten können.
Wollen wir z.B. im Rahmen eines Interviews eine Stimme aufnehmen, so haben wir es hier mit Grundtönen – das ist der Frequenzbereich der für die Charakteristik der Stimme wichtig ist – zwischen ca. 150 und 300Hz zu tun. Daraus ergibt sich eine Wellenlängen von 1 – 2 m. Trifft nun so eine Wellenlänge auf eine Membran von 1 mm, könnt ihr euch vielleicht vorstellen, was davon noch übrig bleibt. Diese tiefen Frequenzen werden also nur sehr rudimentär erfasst und unser Signal klingt am Ende wie leicht kastriert, also im Frequenzgang stark beschnitten. Hinzu kommt noch der Aspekt des Schalldrucks, also der Lautstärke des aufzunehmenden Tonsignals. Eine 1–2‑mm Membran kann auch nur einen geringen Schalldruck vertragen, laute Signale führen schnell zu Verzerrungen bereits an der kleinen Membran.
Jedes Mikrofon benötigt „nach“ der Membran, wenn der Schall in elektrische Signale gewandelt wurde, eine elektronische Weiterverarbeitung. Hier werden i.d.R. die Unzulänglichkeiten in der Schallwandlung ausgeglichen und das extrem geringe Tonsignal hinter der Wandlung verstärkt. Diese elektronische Schaltung kann minimal oder auch sehr aufwendig gestaltet sein. Hochwertige Mikrofone haben eine sehr aufwendige Elektronik, die in Kameras eingebaute eher eine sehr einfache. Dies hat zwei Gründe:
1. Es ist schlicht kaum Platz dafür vorhanden – oder es würde die Kameragehäuse unannehmbar vergrößern und
2. Je besser und aufwendiger diese Elektronik gestaltet ist, des so teurer wir ist dies.
Nun gibt es ja durchaus sehr hochwertige Miniaturmikrofone (dazu später mehr). Würde man zwei davon zusammen mit einer exzellenten Elektronik in eine Kamera einbauen, kämen wir locker auf Zusatzkosten in Höhe von ca. 1000€…
Es gibt noch weitere wichtige Gründe, warum die Benutzung der eingebauten Mikrofone kein befriedigendes Klangerlebnis liefert:
Als Videofilmer sind wir es, die dicht an der Kamera arbeiten – Parameter einstellen, Schärfe ziehen, den Zoom ändern, durch den Sucher schauen. D.h., alle Geräusche, die wir hier zwangsläufig verursachen (das eigene Atmen nicht zu vergessen) entstehen sehr dicht an den eingebauten Mikrofonen. Unser eigentliches „Aufnahmeereignis“ sitzt oder steht aber ein bis mehrere Meter entfernt. Das Ergebnis: die Arbeitsgeräusche an der Kamera klingen sehr direkt und eigentlich auch zu laut und der Interviewte zu räumlich, damit nicht direkt und klar genug. Selbst wenn wir die Kamera im Betrieb dann nicht mehr anfassen, bleibt das räumliche und diffuse Klangbild über die eingebauten Mikrofone im Ton.
Ein weitere Aspekt sind mögliche Verzögerungen zwischen Bild und Ton, wir sprechen hier von Delays. Wieder ein wenig Physik: Der Schall hat eine Laufzeit in der Luft bei ca. 20 Grad von 343m/s.
Sitzt z.B. der zu filmende Interviewpartner zwei Meter von der Kamera entfernt, benötigt der Schall bereits 6 ms (1m = 3 ms). Das ist für unser Gehör nicht viel, erst ab 40 – 50 ms Delay nehmen wir dies als Echo wahr, die Bildfreaks aber sind oft sehr empfindlich wenn die Lippenbewegung nicht synchron zum Ton ist. Nun könnte man meinen, jedes moderne Display heutzutage benötigt auch Zeit zum Bildaufbau, dies würde ja das Tondelay eventuell wieder ausgleichen. Ja, eventuell! Hier kommen zu viele Unbekannte ins Spiel, da kein Hersteller angibt, welches Delay sein Display erzeugt. Mein Epson-Projektor zu Hause (schon die höhere Preisklasse) benötigt z.B. 140ms für den Bildaufbau – da ist der Ton deutlich sichtbar viel zu früh am Ohr.
Als Content-Produzenten sollten wir unser Material perfekt und Ton/Bild-synchron abliefern, hier muss es stimmen, die Ausgabe später ist zu diesem Zeitpunkt nicht unser Problem, dafür gibt es wieder andere Fachleute.
Alle bisher genannten Aspekte sprechen klar gegen die Nutzung der eingebauten Mikrofone und für die Verwendung von externem Tonequipment. Hier begeben wir uns unmittelbar auf die Sektoren der semiprofessionellen und professionellen Audiotechnik. Und da ist es nicht anders als in der Fotografie oder Filmerei: Die Angebote divergieren in großem Maße und der Geldbeutel wird schnell mehr oder weniger geschröpft. Auch sind die Diskussionen in der Audio-Gemeinde ähnlich derer in der Bild-Welt. Hier, was bringt mir ein Objektiv mit 1:1,4 im Vergleich zu 1: 1,8 im Kontext zum doppelten bis dreifachen Anschaffungspreis – dort, wie viel besser klingt ein Mikrofon für 5.000€ (ja, die gibt es ausreichend…) gegenüber einem Mikrofon für 1000€. Everywhere the same story…
Im nächsten Teil möchte ich euch ein paar Equipmentempfehlungen geben.
Danke Michael – wir sind gespannt! :-)
Wie sieht es bei euch aus? Habt ihr schonmal bewusst auf die Mikrofone bei euren Kameras geachtet? Wenn nein – dann wäre jetzt die Gelegenheit dazu! Wenn ihr Fragen an Michael habt, stellt sie gerne in den Kommentaren!
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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