Als ich noch Dias fotografiert habe, war ich ein großer Fan des Polfilters. Ließen sich doch damit brillantere Farben hervorzaubern und Landschaftsaufnahmen erhielten damit das «gewisse Etwas». Im digitalen Zeitalter ist der Charme dieses Filters bei mir allerdings im wahrsten Sinne des Wortes etwas verblasst. In diesem Artikel möchte ich euch einmal ein paar Hintergründe zur richtigen Benutzung von Polfiltern geben und herausstellen, wann ihr Einsatz überhaupt Sinn macht und wann nicht.
Vorab möchte ich kurz darauf eingehen, was ein Polfilter eigentlich tut und warum man seine Wirkung digital nicht vollständig «nachmachen» kann.
Aus dem Physikunterricht wissen die meisten von euch sicherlich noch, dass Lichtwellen in unterschiedlichen Polarisationsebenen vorkommen. Das bedeutet, dass die Wellen in einem bestimmten Winkel ankommen. Der Polarisationsfilter wirkt dann darauf wie ein lineares «Sieb» und filtert die Wellen einer bestimmten Ausrichtung heraus. Damit man die Ausrichtung bestimmen kann, können alle Polarisationsfilter für die Fotografie rotiert werden.
Normales, diffuses Licht besteht in der Regel aus Wellen, die annähernd zu gleichen Anteilen in den unterschiedlichen Ausrichtungen vorkommen. Das bedeutet, der Polfilter filtert dann ca. die Hälfte des Lichts weg (ungefähr eine Blendenstufe). Wenn die unterschiedlichen Ausrichtungen wirklich gleichverteilt sind, dann ändert sich vom Aussehen des Bildes her nach Aufsetzen des Polfilters nichts.
Um überhaupt einen Effekt zu erhalten, müssen wir Motive fotografieren, bei denen die einzelnen Polarisationsebenen unterschiedlich stark von bestimmten Lichtanteilen besetzt sind. Das passiert z.B. bei Spiegelungen aller Art, blauem Himmel, Blättern und Regenbögen.
Spiegelungen
Spiegelt sich das Licht an einer Oberfläche, wird eine Polarisationsebene stärker reflektiert, als die andere – wenn man dann den Filter entsprechend einstellt, kann man sich das zunutze machen und so entweder nur den Anteil durchlassen, der gespiegelt wird, oder eben den Anteil, der die Spiegelung nicht enthält. Richtet man den Pol-Filter also auf eine Scheibe oder Wasseroberfläche mit einer Spiegelung und dreht ihn, so sieht man je nach Rotationswinkel entweder die Spiegelung, oder das Bild dahinter.
Hier also der erste wichtige Tipp: ein Polarisationsfilter muss vor jeder Aufnahme eingestellt werden!
Das Einstellen erfolgt durch Drehen des Filters und Beobachten des resultierenden Bildes im Sucher! Nur so kann man bestimmen, welche Anteile des Lichts durchgelassen werden sollen, und welche nicht!
Spiegelungen sind also eine Sache, von der die Polarisation des Lichts beeinflusst wird. Eine andere, bekannte Sache ist der blaue Himmel.
Hier mal zwei Bilder, einmal ohne und einmal mit Polfilter – so wie sie aus der Kamera kommen.
Wie gesagt, zu Dia-Zeiten war das ein Effekt, der uns sehr gelegen kam, aber heute würde auch das zweite Bild von der optischen Anmutung her keinen mehr hinter dem Ofen hervor locken. (Lassen wir die Bildkomposition als solches hier mal außer Betracht, die Bilder habe ich als Beispiele für diesen Artikel aufgenommen, ich würde sie mir nicht unbedingt an die Wand hängen… :-))
Der blaue Himmel
Das Blau des Himmels besteht je nach Himmelsrichtung und Sonnenstand aus mehr oder weniger polarisiertem Licht. Im Ergebnis bedeutet das: wenn ihr im 90° Winkel zur Sonne den blauen Himmel mit einem Polfilter fotografiert und diesen – ganz wichtig – auch noch richtig ausrichtet, dann wird der Himmel dunkler. Das ist der Effekt, den die Meisten sofort mit einem Polfilter assoziieren. Allerdings ist das auch der Effekt, der heute noch am wenigsten relevant ist – aber dazu gleich mehr.
Die Tatsache, dass die Stärke der Polarisation des Lichts beim blauen Himmel von der Himmelsrichtung und dem Sonnenstand abhängt, bringt allerdings auch einige Nachteile mit sich. Bei sehr weitwinkligen Objektiven bemerkt man nämlich auf den Bildern, dass die Intensität des Effekts an manchen Stellen im Bild stärker ist, als an anderen. In der Praxis führt das dann zu dunklen «Flecken», dort wo das Licht stärker polarisiert ist, und einem deutlich schwächeren Effekt daneben. Mit starken Weitwinkel- oder gar Fisheye-Objektiven ist ein Polfilter also eher zu meiden, wenn blauer Himmel im Bild sichtbar ist.
Grüne Blätter
Ein weniger bekannter Effekt des Polfilters aber für mich einer der spannenderen ist, dass das Blattgrün deutlich satter wiedergegeben wird, wenn ein (richtig eingestellter) Polfilter verwendet wird. Das hängt auch wieder mit Punkt 1, den Spiegelungen, zusammen. Wenn der Polfilter das auf den Blättern reflektierte Blau des Himmels abschwächt, wirkt das Blattgrün satter. Allerdings verlieren die Blätter durch das Abmildern der Reflexionen auch deutlich an Plastizität.
Regenbogen
Zum Fotografieren von Regenbögen kann man einen Polfilter recht gut gebrauchten. Das Licht des Regenbogens ist voll polarisiert – das heißt, mit dem Polfilter könnt ihr den Regenbogen auch ganz ausblenden. Wenn ihr ihn richtig einstellt, dann wird das Blau des Himmels abgedunkelt und der Regenbogen relativ dazu verstärkt und kommt stärker zur Geltung.
Dunst
In manchen Situationen kann der Polfilter dazu beitragen, Dunst in der Atmosphäre abzuschwächen. Das funktioniert, wenn die Spiegelungen des Lichts an den Dunstpartikeln vom Polfilter gefiltert werden.
Der Polfilter in der digitalen Fotopraxis
Für mich hat die Bedeutung des Polfilters seit der digitalen Fotografie, wie oben schon angedeutet, ziemlich abgenommen. Ich kann gar nicht genau sagen warum, aber den Look, den ein Polfilter auf Diafilm gezaubert hat, bekommt man heute irgendwie nicht mehr hin. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Polfilter eigentlich die einzige Möglichkeit war, den «Look» des Dias in Bezug auf Sättigung und Kontraste zu manipulieren. Digitalbilder mit Polfilter wirken heute auf mich im Gegensatz dazu meist eher kontrastarm, farbarm, flau. Das ist vielleicht subjektiv – aber jedes Mal, wenn ich wieder mal einen Versuch unternehme, mich mit meinem Polfilter anzufreunden, geht es mir später beim Betrachten der Bilder wieder so.
Interessant sind für den Einsatz des Polfilters für mich sowieso nur einige der oben genannten Anwendungsgebiete. Eigentlich reduziert es sich auf das Reduzieren von Spiegelungen, wenn es denn sein muss. In der Produktfotografie oder beim Fotografieren durch Glasscheiben kann ein Polfilter unverzichtbar sein.
In der Landschaftsfotografie hingegen, kommt es allerdings immer sehr auf das Motiv an. Auf Teufel komm raus auf jeder Wasserfläche die Spiegelung wegzunehmen, macht meines Erachtens nach überhaupt keinen Sinn – oft ist es doch gerade die Spiegelung, die das Bild interessant macht!
Für den blauen Himmel, den Regenbogen und die grünen Blätter gilt: das mache ich eigentlich lieber mit Lightroom. Das Blau des Himmels lässt sich wunderbar über die HSL-Regler etwas dunkler gestalten – genau wie das Grün der Blätter. Beides hat den Vorteil, dass dabei nicht das Aussehen als solches modifiziert wird – die Reflexionen sind ja natürlich und in der Realität vorhanden. Wenn man den Himmel mit Lightroom dunkler macht, bekommt auch keine unregelmäßigen Abschattungen und bei den Blättern bleibt die Plastizität durch die Reflexionen erhalten. Nimmt man die nämlich weg, wirken die Blätter oft zwar satt aber gleichzeitig auch matt.
Hier habe ich einmal die Variante ohne Polfilter des Bildes von oben mit Lightroom bearbeitet:
Diese Variante würde ich der Polfilter-Variante von oben jederzeit vorziehen!
Schauen wir uns noch einen anderen Vergleich an. Kurze Zeit nach der Aufnahme oben. Auch hier haben wir wieder die Spiegelung, blauen Himmel und Blattgrün.
Zunächst die Variante ohne Filter, unbearbeitet, direkt aus der Kamera:
Hier habe ich nun den Polfilter verwendet – durch den geringfügig anderen Winkel als bei dem Bild, das ich einige Minuten vorher (siehe oben) aufgenommen habe, wird nun auch die Spiegelung des Wasser gefiltert – mit verheerendem Effekt auf das Bild:
Beide Bilder – zunächst das ohne Polfilter und dann das mit Polfilter habe ich nun in Lightroom bearbeitet:
Dies ist ein schönes Beispiel, wo der Filter zwar die Kontraste im Himmel verstärkt, aber durch Abmilderung der Spiegelung, auch einen wichtigen Effekt des Bildes zerstört.
Nun noch ein letztes Beispiel – diesmal aus der Atacama Wüste. Aufnahmerichtung war 90° zur Sonne, so dass der Polfilter seine maximale Wirkung erzielt. Hier das Bild mit Filter:
und nun, ohne:
Also ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich finde die Variante mit Filter furchtbar.
Hier einmal das erste Bild, ohne Filter, nach einer ganz leichten Bearbeitung der Kontraste und etwas Reduzierung der Blau-Luminanz in Lightroom:
Jetzt wisst ihr, warum ich den Polfilter so selten einsetze. :-)
Weiterhin ist der Polfilter ein Filter, der wie jeder andere Filter auch – und das dürft ihr nicht vergessen – zwei zusätzliche Brechungsebenen vor eurem teuren Objektiv installiert. Das bedeutet, dass die Bildqualität durch ihn (genau wie bei allen anderen Filtern auch) nicht besser wird.
Weiterhin «schluckt» der Polfilter 1 bis 2 Blendenstufen. Das bedeutet, er lässt nur die Hälfte bis ein Viertel des Lichts durch und eure Belichtungszeiten verlängern sich um den Faktor 2–4, auch das solltet ihr nicht vergessen.
Fazit
Man lässt sich leicht täuschen, wenn man einen Polfilter vor’s Objektiv schraubt, ihn verdreht und dann plötzlich durch den Sucher so satte Farben sieht. Ich nenne es den «Sonnenbrillen-Effekt». Allein dadurch, dass das Bild abgedunkelt wird, wirken die Farben durch den Sucher schon deutlich satter. Die Kamera-Belichtung gleicht das aber natürlich dann wieder aus. Weiterhin vergleicht man beim Verdrehen nur der Look der «erwünschten» gegen den der «unerwünschten» Polarisationsebene. Aber eben nicht den Look zwischen der erwünschten Polarisationsebene und keinem Filter. Der effekt wirkt durch den Sucher also viel stärker, als er in Wirklichkeit ist.
Ich sehe immer wieder Foto-Anfänger, die sich einen Polfilter kaufen, auf ihr Objektiv setzen und damit einfach los fotografieren ohne eine Ahnung zu haben, wie man ihn verwendet. Oft wird der Filter dann aus Faulheit oder Unwissenheit auch noch einfach drauf gelassen. Ich sage es hier ganz deutlich: das ist Gift für eure Bilder – tut das bitte auf keinen Fall!
Ein Polfilter ist ein absolutes Spezialwerkzeug – man muss genau wissen, wie er wirkt und sollte ihn nur dann einsetzen, wenn der von ihm verursachte Effekt wirklich erwünscht ist.
Zwingend muss der Polfilter vor jeder Aufnahme durch Drehen eingestellt werden. Nach einem solchen, geplanten Polfilter-Bild sollte der Filter dann wieder vom Objektiv entfernt werden. Am besten macht ihr immer auch ein Bild ohne Filter, um Euch später dasjenige raussuchen zu können, das Euch besser gefällt.
Ich selbst setze den Polfilter heute nur noch ein, wenn ich wirklich einmal ganz bewusst Spiegelungen abmildern muss. Für alle anderen Fälle kommt er bei mir nicht mehr zum Einsatz. Einen blauen Himmel kann ich bei Bedarf besser und einfacher mit Lightroom etwas abdunkeln, das gleiche gilt meist auch für Blattgrün – und das ganz ohne unerwünschte Nebenwirkungen.
Wenn ihr selbst einmal mit einem Polfilter experimentieren möchtet, so kann ich Euch den günstigen Filter von Haida empfehlen, er bietet eine gute Qualität fürs Geld. So einen sollte man schon in seiner Fototasche haben. Achtet aber wie immer, auf den Filterdurchmesser. Kauft ihn für das Objektiv mit dem größten Frontdurchmesser, an dem ihr den Filter verwenden wollt. Auf weitere Objektive könnt ihr ihn dann mit Step-Up Adaptern aufsetzen. Wenn ihr unbedingt mehr investieren wollt, so gibt es auch sehr gute Filter von B+W. Ich habe beide. In der Praxis ist der Unterschied kaum merkbar. Wichtig ist, dass ihr unbedingt einen zirkulären Polfilter kauft, lineare Polfilter stören den Autofokus und die Belichtungsmessung moderner Kameras.
Bitte beachtet, wenn ihr eigene Vergleichsaufnahmen macht, dass ihr zunächst eine Aufnahme mit (korrekt eingestelltem) Filter macht und dann eine ohne. Und nicht etwa zum Vergleich eine Aufnahme mit «verdrehtem » Polfilter macht, wie es leider immer wieder gemacht wird. Ein «falsch» eingestellter Polfilter bringt einen ganz anderen Look, als kein Polfilter. Wie schon angedeutet werdet ihr dann feststellen, dass der Unterschied zwischen «kein Filter» und «Fiter» viel geringer ist, als zwischen «korrekt eingestelltem Filter» und «verdrehtem Filter». Deswegen ist es so, dass man beim Blick durch den Sucher und Drehen des Filters einen viel stärkeren Effekt wahrnimmt, als ihn der Polfilter eigentlich erzeugt. Probiert es mal aus!
Wie sind Eure Erfahrungen mit Polfiltern? Nutzt ihr sie für die Digitalfotografie? Wie schätzt ihr ihren «Look» im Vergleich zu den Möglichkeiten in der digitalen Bearbeitung ein? Ich freue mich wie immer auf Eure Kommentare!
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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Über meine Zusammenarbeit mit externen Partnern habe ich hier ausführlich geschrieben. Danke!