Oft habe ich schon Fotos und Zeitraffer der Milchstraße gezeigt. Heute möchte ich euch daher einmal erklären, wie ich bei der Aufnahme und Bearbeitung der Fotos vorgegangen bin.
Zunächst jedoch möchte ich einen kleinen Abstecher in die Astronomie machen und euch erklären, was unsere Milchstraße eigentlich ist und was ihre große Faszination ausmacht.
Unsere Galaxie – die Milchstraße
Fast jeder kennt das helle «Band», welches in dunklen Nächten den Sternenhimmel umspannt. Viele wissen aber nicht, dass dieses «Band» der Querschnitt unserer Galaxie ist und aus bis zu 300 Milliarden Sternen besteht. Diese Erkenntnis besteht allerdings auch erst seit 1600 n.Ch. und ist Herrn Galileo Galilei zu verdanken.
Wenn ihr euch unsere Galaxie als Frisbee-Scheibe vorstellt, dann befindet sich unser Sonnensystem irgendwo im äußeren Drittel und die für uns sichtbare Milchstraße ist quasi der Blick auf den Querschnitt dieser Frisbeescheibe. Wir sind also die Ameise, die innerhalb der Frisbee sitzt und von innen zu ihrem Rand schaut. Ich finde, wenn man sich das vorstellt, dann wirkt ein solcher Sternenhimmel noch viel eindrucksvoller.
Da die Erde sich ja bekanntermaßen dreht, sieht man nicht immer den gleichen Ausschnitt der Milchstraße. Welchen Ausschnitt man sieht, hängt von der Uhrzeit (in den Zeitraffern sieht man die Drehung sehr schön) sowie der Jahreszeit ab und natürlich davon, wo auf der Erde man sich gerade befindet.
Ort und Zeit planen
In unseren Breiten (Nordhalbkugel) ist die Milchstraße im Sommer (Mai, Juni, Juli, August, September) am schönsten zu sehen, da ihr dichtester und schönster Bereich, nämlich das Zentrum, über dem Horizont sichtbar wird. Leider wird es aber in den Monaten Juni, Juli in unseren Breiten nicht richtig dunkel, oder nur sehr kurz. Je nördlicher man sich befindet, um so weniger geeignet sind diese Monate für die Milchstraßen-Fotografie. Sehr gute Monate sind Mai, September und Oktober. Im Winter sieht man eher die Randbereiche. Auf der Südhalbkugel ist das genauso, dort ist das «Fenster» allerdings größer. Von April bis Oktober funktioniert es meist recht gut. Da sich die Position des Galaktischen Zentrums auch über die Nacht hin verschiebt (manchmal ist es nur sehr früh morgens sichtbar) empfehle ich euch für eure Reiseplanung auf jeden Fall eine Astronomie-App zu nutzen, die euch den Stand der Sterne in Abhängigkeit von Zeit und Ort anzeigt (siehe weiter unten).
Großen Einfluss auf die Sichtbarkeit hat natürlich das Umgebungslicht. Zum einen sprechen wir hier über die allgegenwärtige Lichtverschmutzung durch die Städte. Dazu kommen reflektierende Partikel in der Atmosphäre, die insbesondere durch Abgase und Smog entstehen. All das führt dazu, dass in unseren Breiten eine perfekte Sichtbarkeit immer schwieriger wird und in den meisten Regionen gar unmöglich ist.
Hier ist natürlich ein Standort wie Teneriffa ideal. Erstens befindet man sich auf 3.000 Metern Höhe über der Luft- und Lichtverschmutzung und zweitens ist die verbleibende Atmosphäre in dieser höhe auch dünner und schluckt nicht so viel Licht.
Hier gibt es noch eine tolle Karte, auf der man interaktiv die Lichtverschmutzung in Deutschland sehen kann.
Hier sieht man z.B. schön den Unterschied zwischen Hamburg und Fehmarn.
Es gibt allerdings noch einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Störfaktor: unseren natürlichen Sonnenreflektor – den Mond. Wenn der Mond scheint, ist es mit der Sichtbarkeit der Sterne nicht mehr weit her. Aus diesem Grund sollte man sich wirklich die Zeit des Neumonds aussuchen oder zur Not auch Tage, an denen der Mond erst spätnachts aufgeht und man vorher zum Zuge kommt.
Am praktischsten sind für diese Planungen die heute für alle Smartphones erhältlichen Astronomie-Apps. Damit könnt ihr nicht nur Sonnenauf und ‑untergang sowie die Blaue Stunde sondern auch die Mondphasen sowie die Mondauf und ‑untergangszeiten berechnen lassen. Das Ganze könnt ihr euch natürlich abhängig von dem Ort anzeigen lassen (die Auf- und Untergangszeiten hängen vom Ort ab, nicht jedoch die Mondphasen). Ich setze auf meinem Android Smartphone dazu die App Mobile Observatory ein, für iOS empfiehlt sich Redshift; aber natürlich gibt es noch andere.
Für optimale Fotos der Milchstraße müsst ihr also an einem einsamen Ort, fernab der Zivilisation sein und dort möglichst zum Neumond. Jetzt wisst ihr, nach welchen Kriterien ihr in Zukunft eure Urlaube planen müsst. ;-)
Der Aha-Effekt bei Milchstraßenfotos hängt von zwei Faktoren ab: zum einen von der Aufnahme an sich und zum anderen von der Nachbearbeitung.
Kamera, Objektiv und weiteres Equipment
Das wichtigste Utensil neben der Kamera ist natürlich das Stativ. Ihr braucht definitiv einen richtig stabilen Stand. Das zweitwichtigste Zubehör ist ein Fernauslöser, den ihr auf Langzeitbelichtung einstellen könnt.
Alternativ könnt ihr natürlich mit der längsten Belichtungszeit eurer Kamera arbeiten, wenn diese bis 30 Sekunden belichten kann. Allerdings hat der Fernauslöser weiterhin den Vorteil, dass ihr berührungsfrei auslösen könnt und so jegliche Erschütterungen der Kamera-Stativ-Kombination vermeidet.
Ich setze für solche Langzeitaufnahmen gerne den Pixel-Timer ein, einen Fernauslöser, den man sowohl für Intervallaufnahmen programmieren kann (Zeitraffer) als auch für Langzeitaufnahmen und beides auch miteinander kombinieren kann. An diesen Timer kann man Auslöse-Kabel für so gut wie jede Kamera anschließen und er arbeitet mit 2 AAA-Batterien, die man überall bekommt. Ich bevorzuge die Kabelgebundene Version, da ich damit einen Satz Batterien weniger habe, der leer werden kann.
Und nun natürlich noch zu den wichtigsten Elementen eurer Ausrüstung als angehende Milchstraßenfotografen: der Kamera und dem Objektiv.
Bei dieser Spielart der Fotografie gilt: Lichtstärke ist alles. Sowohl bei der Kamera als auch bei dem Objektiv. Die Kamera sollte in der Lage sein, mit ISO Zahlen um die 2.000 vernünftig und mit vertretbarem Rauschen umzugehen. Alle modernen DSLR-Kameras kommen damit in der Regel gut klar.
Beim Objektiv empfehle ich ein Superweitwinkel oder Fisheye. Dies hat zwei Gründe: erstens bekommt ihr mit einem solchen Objektiv sehr viel von der Milchstraße aufs Bild und zweitens könnt ihr deutlich längere Belichtungszeiten realisieren, ohne die Sterne durch die Erdrotation als Striche abzubilden, als mit einer längeren Brennweite.
Für Nikon-Kameras mit dem DX Sensor (APS‑C) empfehle ich definitiv das Nikkor Fisheye 10.5mm f/2.8, auch das Nikkor 10–24mm f/3.5 ist gut geeignet. Nicht ganz so weitwinklig, aber dafür sehr lichtstark ist das Sigma 18–35 f/1.8.
Für Nikons mit FX Sensor (Vollformat) empfehle ich euch das Sigma ART 24mm f/1.4, das Nikon 14–24 f/2.8 oder ähnliche.
Für Canon und andere Marken gibt es natürlich ähnliche Objektive.
Herausforderung Fokussieren
Am besten fokussiert ihr im Live-View. Dazu stellt ihr das Objektiv schonmal anhand der Unendlich-Markierung am Fokusring auf Unendlich. Dann aktiviert ihr das Live-View und zoomt in das Bild hinein, bis ihr einen Stern seht. Diesen versucht ihr nun, durch vorsichtiges drehen am Fokusrad so scharf (=klein) wie möglich zu bekommen.
Ihr könnt z.B. auch tagsüber mal auf unendlich fokussieren und euch dann eine Markierung an der Fokus-Skala anbringen (z.B. mit einem Stück weißen Isolierband). Das könnt ihr dann nachts mit der Taschenlampe oder dem Handy ganz gut erkennen und darauf dann den Fokusring drehen.
Die Kameraeinstellungen
So – Kamera, Objektiv und Zubehör haben wir besprochen. Kommen wir nun zu den Einstellungen für die Kamera – ich empfehle euch immer Testaufnahmen zu machen und anhand derer dann die Feinjustierung einzustellen. Als Ausgangspunkt wähle ich meistens, wenn ich ein Fisheye oder Superweitwinkel Objektiv verwende:
- ISO 3.200
- Offenblende (wir haben ja kein Licht zu verschenken)
- 30 Sekunden bei 10–12 mm, bei längeren Brennweiten, entsprechend kürzer. Dann muss ggf. die ISO Zahl erhöht werden.
Beachten müsst ihr, dass die Belichtungszeiten nicht zu lang werden, so dass ihr keine Striche durch die Erdrotation bekommt.
Als sichere Faustregel für die längste «scharfe» Belichtungszeit bei einem APS‑C (DX)-Sensor könnt ihr euch 300/Brennweite merken. Bei einem Vollformat-Sensor dann eben 500/Brennweite.
Gehen wir von dem APS‑C Sensor aus, dann würde die Formel 300/10 genau 30 Sekunden ergeben. Das ist die Zeit, die ihr nicht überschreiten solltet, wenn ihr die Sterne noch punktförmig abgebildet haben möchtet.
Formeln hin oder her: das sind natürlich nur Anhaltspunkte, die ihr nicht auswendig lernen müsst. Ich möchte euch hier dazu ermutigen, einfach mal verschiedene Einstellungen auszuprobieren und die für eure Kamera-Objektiv-Kombination am besten geeignete zu finden. Durch die sofortige Möglichkeit der Kontrolle über das Display könnt ihr jederzeit nachjustieren. Bitte denkt unbedingt daran, auch mal in die Vorschau reinzuzoomen und euch die Pixel und das Rauschen «aus der Nähe» anzusehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Einstellung zu welchen Ergebnissen führt.
Zum Abschluss noch ein Wort zur Wahl des Dateiformates: bitte fotografiert bei solchen Nachtaufnahmen immer im RAW Format. Dies hat zum einen den Grund, dass ihr euch erst in der Nachbearbeitung um den Weißabgleich kümmern müsst (ihr werdet feststellten, dass weder der automatische Weißabgleich, noch eine der Kameravoreinstellungen zu einem befriedigenden Ergebnis führen wird) und zum zweiten habt ihr viel mehr Spielraum, um die Details der Milchstraße später in der Nachbearbeitung richtig herausarbeiten zu können.
Die Nachbearbeitung
Die Bilder, die ihr direkt aus der Kamera erhaltet, werden mit ziemlicher Sicherheit noch nicht besonders eindrucksvoll aussehen. Farbstiche durch falschen Weißabgleich, ggf. Verzerrungen durch ein Fisheye-Objektiv und mangelnder Kontrast sind an der Tagesordnung und völlig normal. Schmuckstücke werden daraus erst in der Nachbearbeitung.
Kümmert euch bitte zunächst um den Weißabgleich. Stellt ihn nach eigenem Ermessen durch Verschieben der Regler Farbtemperatur und Tönung ein. Achtet dabei darauf, dass der Himmel nachts nicht blau ist. Schaut euch mal gute Milchstraßenaufnahmen an und versucht, die Farbgebung hinzubekommen. Versucht eine Einstellung zu finden, bei der auch die Farbspektren der Milchstraße (mit bloßem Auge eigentlich kaum zu erkennen) zur Geltung kommen.
Nun müsst ihr etwas experimentieren. In der Regel zeigen die Bilder zu wenig Kontrast. Erhöht diesen am besten mit den Schwarz und Weiß-Reglern in Lightroom. Auch der in Lightroom 6 hinzugekommene «Dehaze / Dunst Entfernen» Regler kann nützlich sein. Ansonsten schadet auch etwas Klarheit nicht.
Ich hoffe ich konnte euch ermutigen, euch selbst einmal an die Fotografie unserer Milchstraße zu wagen. Ihr werdet sehen, das ist wirklich faszinierend nicht nur die Fotos werden euch begeistern, sondern auch die Stille und Weite, die ihr während solcher Aufnahmen verspüren werdet. Natürlich wollen Ort und Zeit hier gut geplant sein und nicht jeder Tag ist dafür geeignet. Dafür sind die Bilder und Erlebnisse, die ihr dabei haben werdet, dann aber auch wirklich etwas besonderes!
In diesem Sinne wünsche ich euch heute mal nicht «gut Licht» sondern «möglichst viel Dunkelheit» und sage tschau und bis zum nächsten Mal,
Euer Gunther
PS: Hier noch der Link zu unserem African Skies 2 Film, bei dem viele schöne Milchstraßen Zeitraffer enthalten sind!
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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