Nachdem Joes Auto wieder fahrbereit ist, machen wir uns endlich Richtung Death Vlei / Sossusvlei auf. Die Batterie-Probleme sollten allerdings nicht die einzigen an diesem Tag bleiben…
Die Strecke führt uns über raue Schotterpisten mit Bodenwellen, die nicht ohne sind. Ich muss eine Geschwindigkeit finden, bei der ich nicht zu langsam bin, um nicht jede Bodenwelle mitzunehmen aber auch nicht zu schnell um mir keinen Platten einzuhandeln. Joe hat auf seinem Landrover deutlich größere Reifen als wir und gibt ordentlich Gas, so dass er schnell außer Sicht- und Reichweite unserer Funkgeräte ist.
Und dann passiert es… der Wagen beginnt zu schwimmen – noch bin ich mir nicht ganz sicher, ob es der Sand, auf dem wir mittlerweile fahren oder wir gleich tatsächlich einen Reifen wechseln werden müssen.
Drauf habe ich jetzt mal so gar keine Lust, aber nun fragt auch Diana neben mir:
«Sag mal, schwimmt der Wagen?»
Ok, also links ranfahren und hoffen, das wir uns getäuscht haben.
Aber leider ist dem nicht so, als ich auf meiner Seite nach hinten schaue, sehe ich schon das Schlamassel. Der linke hintere Reifen ist platt. Aber, als ob das nicht genug ist, höre ich nun auch Diana von rechts sagen:
«Rechts ist der hintere Reifen platt…»
Super – gleich beide Reifen auf der Hinterachse sind hin. Mittlerweile völlig platt, liegt der Wagen mit seinem gesamten Gewicht hinten auf den Felgen auf. Und Joe ist außer Reichweite des Funkgerätes.
Was bin ich froh, dass ich bei dieser Fahrt – scheinbar aus weiser Voraussicht – auf zwei Ersatzräder fürs Auto bestanden habe – oder habe ich etwa genau damit «Murphys Law» in Kraft gesetzt? :-) Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir nun irgendwie diese zwei Räder wechseln müssen. Und das ist eine Herausforderung.
Natürlich weiß ich, wie man mit einem High-Lift-Jack als Wagenheber umgeht, das konnte ich ja bereits bei unserer letzten Afrika-Reise ausgiebig testen.
Hier haben wir aber nun das Problem, dass wir beim Anheben der einen Wagenseite überhaupt keinen Halt auf der gegenüberliegenden Seite haben, da die ja auch platt ist. Zudem lastet auf der Hinterachse das komplette Gewicht unserer gesamten Ausrüstung und des Dachzelts.
Alles ausladen? Mittags, bei 40 Grad in der Wüste? Halleluja.
Gut wäre es, wenn wir beide Seiten irgendwie stabilisieren könnten. Dazu bräuchten wir aber einen zweiten Wagenheber, wir haben aber nur einen dabei. Warum musste Joe auch so weit vorfahren??
Wir machen uns auf die Suche nach großen Steinen. Vielleicht können wir ja die irgendwie unter die Achse legen. Leider finden wir so richtig passende auch nicht – und mehrere übereinander zu stapeln erscheint mir auch zu heikel.
Verdammt, wo bleibt Joe? Seinen zweiten High-Lift-Jack könnten wir jetzt echt gut gebrauchen!
In der Zwischenzeit räumt Diana nun doch die Ladefläche frei, um die Hinterachse vom Gewicht zu entlassen und ich kümmere mich schon mal um die beiden Ersatzräder. Das erste ist schnell vom Dach geholt. Beim zweiten gestaltet sich das nicht so einfach. Dieses ist beim Hilux nämlich unter dem Auto angebracht. Normalerweise kurbelt man das an einer Kette herunter. Hier ist aber offenbar die Aufnahme für die Kurbel total verbogen, so, dass diese immer wieder abrutscht. So langsam wird mein Fluchen lauter.
Erst nach zigmaligen Versuchen und fluchen klappt es und wir haben beide Ersatzräder griffbereit.
Scheinbar hat Joe mich gehört, denn jetzt endlich, sehen wir am Horizont eine Staubwolke und nach kurzer Zeit materialisiert sich sein Landy.
«Holy shit» sagt er, als er die beiden platten Reifen sieht.
Nun können wir also weiter machen. Aber das Problem ist noch nicht gelöst. Mit zwei High-Lift-Jacks beide Seiten hochbocken? Viel zu instabil. Ich finde in unserem Equipment noch eine Stütze. Wir versuchen diese unter die eine Seite zu bringen, beim hochbocken der anderen verbiegt die Stütze aber. Alles Schrott. Also legen wir nun doch auch noch Steine unter. Eine wackelige Angelegenheit.
Leider bekommen wir den Wagen auch nicht hoch genug, so dass wir nach dem entfernen des kaputten Rades, ein ziemliches Loch graben müssen, um den anderen Reifen draufzubekommen. Als eine Seite endlich geschafft ist, atmen wir tief durch. Nun haben wir hier Stabilität und können die andere Seite anständig hochkurbeln. Das blöde an den High-Lift Jacks ist, dass sie in die Felge greifen. Das heißt, man muss immer erst den Wagen hochpumpen, dann irgendetwas unterlegen und dann den Wagenheber entfernen, um den Reifen wechseln zu können. Im Tiefsand nützlich – aber für einen normalen Reifenwechsel eher nervig.
Irgendwann haben wir es dann geschafft. Beide Reifen sind drauf und der Wagen steht hinten in zwei tiefen Löchern. Dank Allrad sollten wir da aber rauskommen.
Das nächste Problem stellt sich dann, als ich den kaputten Reifen wieder unter dem Auto befestigen will. War schon das runterlassen ein Problem, scheint das hochkurbeln nun gar nicht mehr zu gehen, die blöde Mutter, die ich mit der Stange drehen muss dreht immer wieder durch. Drauf geschissen. Ich schmeiße beide Reifen auf’s Dach, die müssen sowieso so schnell wie möglich geflickt werden. Dann binde ich die nun herunter hängende Kette noch mit einem Draht zusammen damit sie nicht unter das Auto schlägt und dann fahren wir los. Das Teil fasse ich die ganze Tour nicht mehr an. Die Reifen bleiben auf dem Dach. Soll sich doch der Vermieter darum kümmern.
Ihr seht schon, sowas geht etwas an die Nerven. Vor allem bei der Hitze.
Nun fahre ich besonders vorsichtig, noch einen kaputten Reifen können wir uns nicht leisten.
Kaum sind wir weitergefahren sehen wir ein großes Schild mit dem Hinweis eines Reifenrepaturservice in unmittelbarer Nähe. Ein Schelm, wer sich hier seinen Teil denkt…;)
Ein paar Kilometer weiter finden wir dann die Werkstatt. Ok, Werkstatt ist vielleicht etwas übertrieben. Vorne ist eine kleine Tankstelle, da fragen wir nach. Es sei gerade Mittagspause, teilt uns die Frau mit. Die Aussicht darauf, gleich zwei Reifen flicken zu dürfen, motiviert ihre Jungs allerdings, uns kurzfristig zu helfen.
Also fahren wir nach hinten zur «Werkstatt». Ein Dieselgenerator und ein Kompressor bilden die Hauptausstattung. Daneben steht ein alter Trecker, auf dem einige gehäutete Tierfelle liegen.
Generator und Kompressor zusammen machen einen Höllenlärm und ständig bleibt der Kompressor stehen. Einer der Jungs (vielleicht im Teenager-Alter) ist daher dafür zuständig, mit einer Eisenstange daneben zu stehen, um ihn regelmäßig einen kräftigen Schlag zu verpassen, damit er wieder anläuft.
Leider sind die Vorräte an Reifenkleber auch schon fast alle, für unseren zweiten Reifen kratzt der Kollege daher die letzten Reste aus der Dose. Ich bin skeptisch, ob das hält… Aber lass sie mal machen. Sie machen das ja nicht zum ersten Mal.
Das sehen wir daran, dass nun schon der nächste Kunde kommt. Ein Franzose, der uns erzählt, er sei die gleiche Strecke gefahren, wie wir. Mann – da scheinen ja wirklich viele Nägel herumzuliegen…
Nach einer halben Stunde sind dann beide Reifen geflickt – wir bedanken uns und geben ein Trinkgeld, dann kommen die Reifen wieder auf’s Dach und wir können endlich weiterfahren. Mittlerweile haben wir aber so viel Zeit verloren, dass wir es heute ganz sicherlich nicht mehr schaffen, nach Sossusvlei rein zu fahren.
Daher beschließen wir, die Nacht auf dem Campingplatz direkt beim Eingang in den Soussusvlei Nationalparks zu verbringen und dann morgen früh als allererstes nach Deith Vlei zu fahren.
Der Vorteil dieses Campingplatzes ist, dass wir bereits eine Stunde vor der normalen Gate-Öffnungszeit in den Nationalpark reinfahren dürfen. Zwar ist der Campingplatz immer gut besucht aber wenigstens haben wir dadurch etwas Vorsprung vor den klassischen Bustouristen.
Joe gibt uns für Südafrikaner aus, dadurch zahlen wir weniger als die Hälfte der «Touri-Preise», die hier sonst aufgerufen werden. Dafür müssen wir uns auf dem Camp dann aber ausschließlich auf Englisch unterhalten. Kein Problem, ist das doch sowieso die Sprache, die wir nun schon seit Beginn mit den Beiden nutzen. In Namibia gibt es offenbar an vielen Orten ganz unterschiedliche Preise, in Abhängigkeit dessen, wo man her kommt. Die Staffelung erfolgt in der Regel nach den Kriterien: Einheimischer, Süd-Afrikaner, Europäer. Dabei kann der Preisunterschied für Europäer schon bis zu 300% betragen.
Geschafft von diesem ereignisreichen Tag, kochen wir nur noch kurz etwas und machen uns dann «Bettfertig». Morgen ist ein neuer Tag mit hoffentlich weniger ungeplanten Pannen. Kaum habe ich diesen Gedanken zu Ende gedacht sehe ich Diana völlig aufgelöst aus Richtung der Waschhäuser kommen. Was ist denn nun los?
«Mein eines Brillenglas ist aus der Fassung raus und ich finde es nicht mehr», sagt sie aufgeregt.
«Wie kann das denn passieren?»
«Als ich meine Kontaktlinsen rausgemacht habe und meine Brille aufsetzen wolle, habe ich es bemerkt. Du weißt doch das ich ohne Brille nichts sehe und ich die Kontaktlinsen nicht die ganze Zeit im Auge lassen kann…»
Oh – das kann jetzt natürlich zu einem echten Problem werden.
«Hast Du keine Ersatzbrille mit?»
«Nee.»
Arrgh… auch das noch… Jeder der Brillenträger ist und wirklich auf diese angewiesen ist, kann Dianas Situation jetzt sicherlich gut nachempfinden. Und selbst ich, als nicht Brillenträger weiß, dass hier in dem ganzen Staub 3 Wochen ausschließlich auf Kontaktlinsen angewiesen zu sein eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Dann müssen wir irgendwie sehen, dass wir eine neue Brille besorgen. Hier sicherlich nicht so einfach. Das wirft unseren Zeitplan dann weiter zurück.
In der Aufregung sind wieder in die deutsche Sprache gewechselt. Wenn uns jetzt ein Ranger hört, wäre es vor allem für Joe unangenehm.
Aber wichtiger ist es, jetzt erstmal Diana zu beruhigen.
«Lass uns nicht so schnell aufgeben. Komm, wir gehen den Weg zum Waschhaus nochmal ab.»
Wohl wissend, dass so ein kleines Glas im Sand wiederzufinden so gut wie unmöglich ist, gehen wir trotzdem noch einmal dem Weg zum Waschhaus. Leider Fehlanzeige. Auch im Waschhaus – nichts.
«Wo genau hattest Du die Brille denn vorher?»
«Im Auto. Aber da kann es eigentlich nicht sein, ich hatte sie dort im Brillenetui – dort kann das Glas ja eigentlich nicht raus gefallen sein.»
Ich schaue trotzdem nochmal in der Ablage nach.
Und tatsächlich: in der Zwischenablage finde ich das Glas, das zum Glück auch noch heil ist. Wie ist dahingekommen ist, ist mir zwar ein Rätsel aber Hauptsache es ist wieder da.
«Schau mal, was ich hier habe!»
Diana fällt mir um den Hals. Die Erleichterung ist ihr deutlich anzumerken. Aber auch ich bin heilfroh, dass wir das Glas gefunden haben.
Von Joe lasse ich mir etwas Sekundenkleber geben und befestige das Glas zusätzlich mit Panzertape wieder im Gestell – fertig ist die neue Designerbrille – nicht schön, aber Einzigartig! :-)
Diana ist wieder happy und feiert mich als Held – was will Man(n) mehr :)
Ein wirklich ereignisreiche Tag neigt sich dem Ende. Das reicht aber wirklich erstmal an Aufregung für einen Tag. ;)
In der nächsten Folge nehmen wir euch dann mit in die fantastische Landschaft des Death Vlei.
Weiterlesen:
Dead Vlei/Soussosvlei – Afrika Hautnah 2 – Folge 6
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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