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Afrika Hautnah – Folge 21 – Verdammt, Diana ist weg

Eigent­lich dach­ten wir, dass wir heu­te – auf der Fahrt zu unse­rer letz­ten Sta­ti­on in Süd­afri­ka –  nicht so lan­ge unter­wegs sein wür­den. Lei­der soll­te sich das Gegen­teil her­aus­stel­len. Denn ges­tern ist unser Tank­in­halt stär­ker geschrumpft, als erwar­tet – mög­li­cher­wei­se sind bei­de Tanks des Fahr­zeugs doch nicht gleich groß, wie uns der Ver­mie­ter das mit­ge­teilt hatte. 

Wäh­rend wir den Zusatz­tank leer gefah­ren haben, also die gesam­te Stre­cke von Maun bis Kasa­ne, hat sich die Tank­na­del gar nicht bewegt. Das hat­te man uns bei auch gesagt. Solan­ge im Zusatz­tank etwas drin sei, wür­de sich die Nadel nicht bewe­gen. Da wir damit über 800 Kilo­me­ter gefah­ren sind, gin­gen wir natür­lich davon aus, dass ab dem Zeit­punkt, wo die Tank­na­del sich begin­nen wür­de zu bewe­gen, noch­mal ca. 800 Kilo­me­ter drin sein wür­den. Rie­sen Tanks – kam mir gleich komisch vor – immer­hin sind wir ja viel durch Tiefsand und mit 4x4 gefahren.

Nun, offen­bar ging es jetzt deut­lich schnel­ler. Unser Tank ist nun nur noch 1/4 voll und so schnell, wie die Nadel ges­tern run­ter ging, müs­sen wir uns jetzt drin­gend dar­über Gedan­ken machen, wie wir an Die­sel kom­men. Ich fra­ge den Gui­de am Camp, wo denn die nächs­te Tank­stel­le sei – All-Days sagt er.

Nein, nicht wann sie auf­hat! Wo sie ist – ich gehe von einem Ver­stän­di­gungs­pro­blem aus.

«All-Days» sagt er wieder.

Nach eini­gem hin und her kom­me ich dahin­ter, dass «All-Days» ein Ort ist. In Süd­afri­ka. Und lei­der über­haupt nicht auf unse­rer Route.

«So weit ist der Abste­cher aber nicht…» – gibt er uns noch mit.

Was bleibt uns also ande­res übrig. Hof­fent­lich schaf­fen wir es noch bis da hin.

Jaja, in Bots­wa­na ist das mit den Ent­fer­nun­gen so eine Sache. Was auf der Kar­te kurz aus­sieht, selbst in Kilo­me­tern – was sind schon 50 Kilo­me­ter? – kann auf Schot­ter­pis­ten ganz schön anstren­gend wer­den. Uns bleibt aber nun gar nichts ande­res übrig, als den Abste­cher in Kauf zu neh­men.  Aber vor­her müs­sen wir erst mal über die Grenze.

Die 4 Stun­den Grenz­über­que­rung auf dem Hin­weg noch gut im Gedächt­nis und mit etwas Bam­mel vor der Ein­fuhr unse­res gan­zen, nicht dekla­rier­ten Kame­ra-Equip­ments, fah­ren wir also zur Gren­ze, die eigent­lich nicht weit ent­fernt ist. Nicht weit heißt noch­mal über eine Stun­de Schot­ter­pis­te – aller­dings durch das wun­der­schö­ne Tuli-Gebiet mit sei­nen Roten Fel­sen, der Roten Erde, dem Blau­en Him­mel und der schö­nen Vegetation.

Die Gren­ze ist hier der Fluss – die Bots­wa­na-Sei­te liegt dies­seits und die Süd­afri­ka-Sei­te jen­seits. An der Bots­wa­na-Sei­te sind wir die Ein­zi­gen an dem recht klei­nen Grenz­über­gang. Wir müs­sen bei­de rein, die obli­ga­to­ri­schen Immi­gra­ti­ons­pa­pie­re aus­fül­len und dann dür­fen wir pas­sie­ren. Das war ja einfach.

Nun fah­ren über einen Damm, der gera­de mal 20 Zen­ti­me­ter brei­ter als unser Auto ist, und dann sind wir auf der Süd­afri­ka­ni­schen Sei­te. Dort sind wir auch die ein­zi­gen. Hier müs­sen wir noch nicht ein­mal Papie­re aus­fül­len, bekom­men einen Auf­kle­ber in unse­re Päs­se und einen Zet­tel, den wir drau­ßen bei den Kon­trol­leu­ren abge­ben müs­sen. Und dann geht es los.

Der Gren­zer will unser Auto sehen.

«What do you want to see?» ver­su­che ich einzugrenzen.

«Ever­y­thing» ist die wenig ermu­ti­gen­de Aussage.

Er will mit der Rück­bank anfan­gen, schaut da neu­gie­rig rein. Da aber haben wir die gan­zen Kame­ra-Sachen. Ich len­ke ihn also geschickt zu dem hin­te­ren Teil des Wagens, wo die gan­zen unver­fäng­li­chen Cam­ping-Sachen, Kühl­box etc. sind.

«Okay, so let’s start at the trunk» sage ich und gehe nach hinten.

Wäh­rend­des­sen fragt er, wo wir herkämen.

«Ger­ma­ny» -

«Ah» – sagt er – «Bay­ern Munich»

«yes», sage ich, auch wenn mir das als Wahl-Ham­bur­ger etwas schwer fallt… ;-)

«they won yes­ter­day against Real Madrid» sage ich und grin­se – «did­n’t they?» – der Jun­ge aus unse­rem letz­ten Camp hat­te mich heu­te mor­gen Fuß­ball-tech­nisch noch auf den letz­ten Stand gebracht.

«yeah» sei­ne Augen leuch­ten. «They won – it’s unbelievable!»

«Show me the fri­dge» – lässt er etwas «geschäft­li­ches» in unse­ren Small-Talk über Fuß­ball einfließen.

«Not much in the­re» – sage ich – «we are on our way back home» – und als ich die Box öff­ne ist da wirk­lich nur noch ein ein­sa­mes Glas Mar­me­la­de drin.

Dann zie­he ich die gro­ße Schub­la­de im unte­ren Bereich des Auf­baus raus, wäh­rend­des­sen berich­te ich, dass wir in Ham­burg woh­nen, ganz im Nor­den und Mün­chen ja ganz im Süden sei. Auf der Schub­la­de befin­den sich 9 gro­ße Cam­ping­bo­xen, in den all unse­re Cam­ping-Sachen ver­staut sind. Kocher, Essen, Werk­zeug, halt alles, was man so braucht. Ich fan­ge mit den vor­de­ren drei Boxen an: Zucker, Mehl, Nudeln, Rosi­nen, Müs­li, Corn­flakes, Besteck, Tel­ler, Becher, etc…

Als er die drei vor­de­ren Boxen begut­ach­tet hat (da drin ist ein ganz schö­nes Cha­os, immer­hin sind wir mit dem Wagen gera­de wie­der mal über Stock und Stein gefah­ren) – geht es an die Zei­le dahin­ter. Töp­fe, Grill, Werk­zeug, Lam­pe, etc. etc. Okay. Die letz­te Zei­le ist immer schwer erreich­bar, dazu muss man die ande­ren Boxen raus neh­men. Ich fan­ge damit an.

«No – it’s okay» sagt er und grinst.

«So have a nice jour­ney back home» sagt er –

«Thank you!»

Tja, was soll ich sagen – Fuß­ball ver­bin­det halt. Und das, obwohl ich mich eigent­lich gar nicht so dafür inter­es­sie­re, hier hat es wie­der ein­mal geholfen ;)

Nun fah­ren wir wei­ter. Noch 20 Kilo­me­ter auf Schot­ter, dann geht es auf eine Asphalt­stra­ße. Und nun müs­sen wir noch­mal 40 Kilo­me­ter in die „fal­sche“ Rich­tung fah­ren, zum Tan­ken. Na toll.

In dem klei­nen Ort «All-Days» ange­kom­men, suchen wir als ers­tes eine Tank­stel­le. Davon gibt es gleich drei oder vier. Im Umkreis von über 100 Kilo­me­tern kei­ne Tan­ke und dann hier gleich so vie­le. Das ver­ste­he einer. Wir tan­ken, Kar­te geht lei­der nicht, dafür gibt es einen Geld­au­to­ma­ten. Okay – dann also so.

Nun wol­len wir noch die Gele­gen­heit nut­zen, etwas für die letz­ten 2 Tage ein­zu­kau­fen, unse­re Vor­rä­te sind so gut wie auf­ge­braucht. Wir suchen einen Laden, das ist aber gar nicht so ein­fach. Bei zwei klei­ne­ren Läden bekom­men wir nicht das, was wir suchen (hier gibt es wie­der kei­ne fri­schen Sachen, kei­ne Mar­ga­ri­ne, kein Was­ser) – dann fin­den wir so eine Art Ein­kaufs­zen­trum – meh­re­re Läden vom Bestat­tungs­un­ter­neh­mer bis  zum Super­markt sind um einen gro­ßen Platz ange­ord­net, auf dem das Leben tobt.

Eini­ge Well­blech­über­da­chun­gen erin­nern vage an einen Bus­bahn­hof, dar­un­ter wur­den aber diver­se Stän­de auf­ge­baut, an denen gekocht und gebra­ten wird und mit allen mög­li­chen Din­gen gehan­delt wird. Alles jedoch über­tönt von recht lau­ter Musik, die von meh­re­ren Sei­ten kommt und natür­lich jeweils unter­schied­lich ist.

In der Mit­te des Plat­zes trifft sich alles zu einer beein­dru­cken­den Dis­so­nanz. Beim Ein­fah­ren auf den Platz und auf der Suche nach einem Park­platz haben wir den Ein­kaufs­la­den schon meh­re­re hun­dert Meter hin­ter uns gelas­sen und ich par­ke zwi­schen eini­gen Mini-Vans. Das Auto kön­nen wir hier unmög­lich allei­ne las­sen. Dia­na hier im Auto allei­ne zu las­sen hal­te ich auch für eine schlech­te Idee. Was tun?

Nach kur­zer Über­le­gung schla­ge ich vor, dass sie schnell die paar Sachen ein­kauft, die wir brau­chen und ich hier war­te. Sie springt also raus und ich ste­he allei­ne in dem Trubel.

Die Son­ne knallt erbar­mungs­los, es ist Mit­tag. Ich öff­ne die Fah­rer­tür und schaue mir das bun­te Trei­ben an. Per­ma­nent fah­ren Mini­bus­se durch die Men­schen­mas­sen unter den Well­blech­dä­chern, offen­bar ist das wirk­lich ein Bus­bahn­hof. Und ich par­ke mit­ten auf dem Bus­park­platz, vor dem Bestat­tungs­un­ter­neh­men. Egal. Ich blei­be hier, auch, wenn ich mich nicht wohl füh­le. Hof­fent­lich kommt Dia­na schnell wie­der, damit wir aus die­sem Trou­bel rauskommen.

Die Musik ist offen­bar eine Art Karao­ke. Vor meh­re­ren Läden sit­zen Typen neben den Boxen und haben ein Mikro­fon in der Hand, in das sie ein Art Rap hin­ein sin­gen. Wie gesagt – unab­ge­stimmt. Ich sit­ze in der Mit­te. Die Töp­fe rau­chen, die Men­schen sind guter Din­ge und schlen­dern über den Platz. Bald erken­ne ich ein­zel­ne Cha­rak­te­re wie­der, denn sie gehen offen­bar ihre Runden.

Wo bleibt denn Diana.

Ich stel­le mich neben das Auto. Die Hit­ze ist ja nicht aus­zu­hal­ten. Da wird man ja weich in der Bir­ne. Ab und zu neh­me ich Bli­cke wahr und sehe Gesichts­aus­drü­cke wie „was will denn der Wei­ße Tou­rist hier“.

Hof­fent­lich geht es Dia­na da drin­nen gut und sie hat kei­ne Probleme.

Eine hal­be Stun­de ist mitt­ler­wei­le ins Land gegan­gen! Kauf die da den gan­zen Laden auf?

So lang­sam wer­de ich ner­vös. Was, wenn ihr etwas pas­siert ist? Sie ent­führt wur­de? Sie sich ver­lau­fen hat?

Letz­te­res glau­be ich eigent­lich nicht – sich in Men­schen-Men­gen zu ori­en­tie­ren ist eher ihr Ding, als meins – sie fin­det sich auch in Shop­ping-Cen­tern deut­lich bes­ser zurecht als ich.

Aber ich mache mir natür­lich mei­ne Gedanken.

Hät­te ich sie nicht schi­cken sol­len? Aber hier allei­ne zu war­ten wäre ver­mut­lich die noch schlech­te­re Opti­on gewesen.

Eine drei­vier­tel Stun­de ist um.

Ich mache mir Sorgen.

Wenn sie in 15 Minu­ten nicht wie­der hier ist, gehe ich rein. Dann muss ich aller­dings das Auto allei­ne las­sen. Wie sieht das denn aus? Der Grin­go passt fast eine Stun­de auf sein Auto auf und geht dann weg? Da ist doch sicher­lich etwas wert­vol­les drin!

Schei­ße. Die Ruck­sä­cke kön­ne ich noch nach hin­ten packen, aber auch das wür­de doch Mega Auf­se­hen erre­gen, wenn ich jetzt anfan­ge das Auto umzu­pa­cken. Ich habe eh schon den Ein­druck, dass mich alle anstarren.

Das ist echt eine blö­de Situa­ti­on jetzt. Kann Dia­na nicht bit­te jetzt kommen??

Wie kann das denn so lan­ge dau­ern, wenn nichts pas­siert ist?

Nach fast einer Stun­de ist es soweit. Jetzt muss ich han­deln. Irgend­was stimmt hier defi­ni­tiv nicht.

Ich bin jetzt ner­vös immer wie­der schaue ich links, wo sie hin ver­schwun­den ist, und von wo aus sie schon längst hät­te auf­tau­chen müs­sen. Eine gro­ße, wei­ße Frau ist hier eigent­lich nicht zu übersehen!

Ich beschlie­ße also, das Auto wirk­lich so ste­hen zu las­sen, mit all den Sachen und sie zu suchen.

Ich mache also das Fens­ter hoch und schlie­ße ab.

Gera­de, als ich los­ge­hen will, kommt Dia­na von rechts, zwei Tüten in der Hand, und ist ziem­lich aufgelöst.

«Wo kommst Du denn her?» ist das ers­te, was mir in mei­ner Erleich­te­rung einfällt.

„Du glaubst gar nicht wie voll es da drin­nen war. Ich habe eine Drei­vier­tel­stun­de an der Kas­se ange­stan­den. Das ging gar nicht – ich wuss­te ja, dass Du Dir Sor­gen machst, tut mir leid. Aber ich wuss­te auch nicht, ob wir noch an einem wei­te­ren Ein­kaufs­la­den vor­bei­kom­men, sonst hät­te ich die Sachen ein­fach ste­hen gelassen.»

Boah bin ich erleichtert.

«Kannst Du ja nichts für – ja ich habe mir Sor­gen gemacht – Haupt­sa­che, Du bist wie­der da! Jetzt lass uns erst mal schnell hier wegfahren…»

„Ja, auf jeden Fall“.

Die Tüten legen wir schnell hin­ten auf die ande­ren Sachen drauf, die den Rück­sitz blo­ckie­ren und dann fah­ren wir los.

„Ich habe kein Bier bekom­men, da müss­ten wir noch­mal irgend­wo anders anhal­ten“ – in Bots­wa­na und Süd­afri­ka gibt es in den Lebens­mit­tel-Läden kei­ne alko­ho­li­schen Geträn­ke, wie bei uns. Dafür gibt es spe­zi­el­le Liqu­or-Stores, die dann auch ent­spre­chend bewacht sind.

«Nee, scheiß drauf. Ich will ein­fach nur weg» -

«Ja, gute Idee».

Nun müs­sen wir die 40 km «Tank»-Umweg wie­der zurück fah­ren und haben dann noch­mal Drei­hun­dert Kilo­me­ter – zum Glück auf Asphalt – vor uns.

Wei­ter­le­sen:

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