Brasilien, Anreise

6122007

Es war alles ent­spannt geplant. Ges­tern soll­te mein letz­ter Arbeits­tag gewe­sen sein, heu­te hät­te ich den Zug um 13:00 genom­men, mich mit Dia­na in Ham­burg getrof­fen, gemein­sam zum Flug­ha­fen und ab nach Bra­si­li­en. Dem Urlaub ent­ge­gen, auf den wir uns so lan­ge gefreut haben! End­lich kann ich ihr mei­ne alte Hei­mat zei­gen und wir freu­en uns auf die gemein­sa­men 3 Wochen. Die Wochen­end­be­zie­hung, die wir im Moment füh­ren, ist auf Dau­er schon nervig.Leider kommt es etwas anders. Ges­tern wur­de noch ein kurz­fris­ti­ges Mee­ting sei­tens unse­rer Geschäfts­füh­rung für heu­te Vor­mit­tag um 9 Uhr ange­setzt. Im Leben gibt es noch ande­res, außer Rei­sen und fer­ne Länder.

„Wie, da haben Sie schon im Urlaub? Wie­so das denn?“

„Äh… :-?“

„Sind Sie da etwa schon phy­sisch weg?“

„Nein, aber unser Flug geht am Nachmittag.“

„Na, dann schaf­fen Sie das doch pro­blem­los… Dau­ert auch höchs­tens eine Stunde.“

Naja, wenn es nur bis 10 geht, den­ke ich noch…

Aber ers­tens kommt es anders – und zwei­tens als man denkt. Ich ken­ne das ja schon. Das Mee­ting geht bis nach 11. Dann ste­hen noch ein paar Mit­ar­bei­ter in mei­nem Büro und haben Fra­gen. Als ob sie die nicht in den letz­ten Tagen hät­ten stel­len kön­nen. Alle wuss­ten, dass ich heu­te eigent­lich nicht mehr hier bin.

Ich packe mein Note­book zusam­men, wäh­rend ich noch ein paar Ant­wor­ten gebe. Sor­ry Leu­te – ich muss jetzt wirk­lich los! Bis in 3 Wochen! Ja, und Dir einen schö­nen Urlaub – wo fliegst Du noch­mal hin?

Bra­si­li­en!


Jetzt endet das doch noch im Stress. So woll­te ich den Urlaub eigent­lich dies­mal nicht wie­der anfan­gen las­sen. Schnell nach­hau­se. Umzie­hen. Die Woh­nung urlaubs­fer­tig machen. Noch schnell die Blu­men gie­ßen, einen Hap­pen essen. Ver­derb­li­ches aus dem Kühl­schrank raus, Ste­cker zie­hen, Was­ser abstel­len und die gan­ze Zeit das Gefühl, irgend­et­was Wich­ti­ges zu ver­ges­sen. Geht das eigent­lich nur mir so?? Egal, es ist sowie­so kei­ne Zeit mehr dar­über nachzudenken.

Also schnell den Ruck­sack hoch­ge­stemmt, die Umhän­ge­ta­sche (in unse­rer urba­ni­sier­ten Welt nennt man so etwas heu­te «Mes­sen­ger-Bag», habe ich gelernt) mit den wich­ti­gen Din­gen drin in der einen, den Müll­beu­tel in der ande­ren Hand und dann schnell run­ter – noch kurz beim Müll­ei­mer vor­bei und zur Bus­hal­te­stel­le, die zum Glück gegen­über ist. Kei­ne Minu­te zu früh, denn da kommt der Bus schon. Puh. Zum Bahn­hof braucht er doch eine hal­be Stun­de, ich bin heil­froh, dass ich nicht einen spä­te­ren Bus genom­men habe!

Sta­tio­nen der Reise

Geschafft. Ers­te Etap­pe. Irgend­wie ist das immer ein wirk­lich befrei­en­des Gefühl, wenn man dann wirk­lich den Absprung von allem geschafft hat. Von der Arbeit, von Zuhau­se, vom Gefühl etwas ver­ges­sen zu haben und von all den Ver­pflich­tun­gen, die sich ja gera­de vor einem sol­chen Urlaub immer so rich­tig drän­gen, als ob sie sagen wol­len: Du kannst hier nicht weg, über­leg mal, was Du zurücklässt!

Es ist ein schö­nes Gefühl, ein sehr schö­nes. Und ich sit­ze jetzt im ICE nach Ham­burg und genie­ße es. Ich schrei­be Dia­na eine SMS, dass ich unter­wegs bin. Sie schreibt zurück, dass sie noch arbei­tet. Sie hat bestimmt den glei­chen Stress und für sie ist die­ser befrei­en­de Moment noch nicht da. Ihre Anrei­se nach Ham­burg ist kür­zer, daher «kann» sie noch län­ger arbei­ten. Logik!

Um 15:00 wol­len wir uns an Gleis 6 auf dem Ham­bur­ger Haupt­bahn­hof tref­fen, auf der Sei­te vom «Schweins­ke». Wir hat­ten ver­ab­re­det, dass wir nur mein Han­dy mit­neh­men. Unter­wegs brau­chen wir ja nur eins für Not­fäl­le und da reicht das. Und die Ver­ab­re­dung in Ham­burg ist ja auch ein­deu­tig, was soll da schon schiefgehen?

Als der Zug am let­zen Halt vor dem Haupt­bahn­hof, in Ham­burg Har­burg hält, weiß ich, dass ich fast da bin und freue mich schon, Dia­na in den Arm zu nehmen.

Plötz­lich kommt eine Durch­sa­ge. „Sehr geehr­te Fahr­gäs­te, die­ser Zug kann lei­der auf unbe­stimm­te Zeit wegen eines Bran­des auf den Schie­nen nicht wei­ter­fah­ren. Ich wiederhole…“

Schei­ße. Jetzt tritt doch der Fall ein. Dia­na war­tet, ich kom­me nicht und sie hat kein Han­dy. Kurz den­ke ich an Mur­phys Gesetzt. Rech­ne immer mit dem Schlimms­ten, was schief gehen kann wird auch schief gehen. Pro­blem ist, dass ich es noch nie geschafft habe, das zu ver­in­ner­li­chen. Offen­bar steht es im Kon­trast zu mei­ner opti­mis­ti­schen, bra­si­lia­nisch gepräg­ten Lebens­ein­stel­lung die eher nach dem Mot­to funk­tio­niert – mach Dir kei­ne Sor­gen über den Worst-Case, es gibt immer einen Weg, auch aus der größ­ten Scheiße!

Über die­sen Gedan­ken höre ich gera­de noch die Wor­te S‑Bahn und Haupt­bahn­hof und „wer es eilig hat“, da stür­me ich schon mit mei­nen 20 Kilo Ruck­sack und mei­ner Umhän­ge­ta­sche aus dem Zug. Ja, das bin ich, der, der es eilig hat!

Es dau­ert ein paar Minu­ten, bis die S‑Bahn kommt. 15 Uhr ist durch, aber ich bin guter Din­ge. Gleich bin ich bei Diana.

Lei­der weiß sie das aber nicht. Und so kann ich nur ihre Sor­gen erah­nen, als plötz­lich mein Han­dy klin­gelt und sie dran ist. Offen­bar ruft sie von einer Tele­fon­zel­le an. Ich sage nur „war­te an Gleis 6, ich bin gleich da“ und da ist das Gespräch auch schon wie­der unter­bro­chen. Geld alle, ver­mu­te ich.

Bin ich der Ein­zi­ge, der sich fragt, was Tele­fon­zel­len mit Kar­ten im Han­dy­zeit­al­ter noch für einen Sinn machen? Eine Tele­fon­zel­le braucht man heu­te doch nur im Not­fall – und wer hat dann schon eine Tele­fon­kar­te dabei? Schon eher etwas Klein­geld. Die 3x an denen ich in den letz­ten Jah­ren eine Tele­fon­zel­le gebraucht hät­te, sind dar­an geschei­tert, dass ich kei­ne Tele­fon­kar­te hat­te und dort auch kei­ne zu kau­fen war. Ganz abge­se­hen davon, dass ich nicht gewusst hät­te, was ich mit dem Rest­gut­ha­ben machen soll. Als wirt­schaft­lich den­ken­der Mensch möch­te man sein Geld ja nicht zins­los bin­den. Aber ich schwei­fe ab…

Jetzt hält die Bahn am Haupt­bahn­hof und ich eile die Trep­pen hoch zur Tra­ver­se auf der Sei­te vom Schweins­ke. Schie­ße, wo ist sie? Wir müs­sen doch auch den Flug­ha­fen­bus erreichen!

Plötz­lich sehe ich sie. Ja, da steht sie, mit ihrem blau­en Ruck­sack! Ich eile auf sie zu und wir freu­en uns bei­de rie­sig! Schnell ren­nen wir nach drau­ßen, um mög­lichst bald einen der Flug­ha­fen­bus­se zu erreichen.

Wir ergat­tern einen, und zum Glück fährt er kurz danach. Unse­re Bahn­fahr­kar­ten haben wir bis zum Flug­ha­fen durch­ge­löst und auf der Rou­ten­be­schrei­bung der Deut­schen Bahn steht auch die Bus­ge­sell­schaft drin, mit der wir jetzt fah­ren. Kein Pro­blem. Oder? Der Bus­fah­rer sieht das jeden­falls anders. Wir sol­len die Fahrt extra zah­len. Offen­bar hat das bei der Bahn Metho­de, wie uns der Bus­fah­rer erklärt. Seit Jah­ren druckt die Bahn offen­bar die Stre­cke der pri­va­ten Flug­ha­fen­bus­ge­sell­schaft mit auf die Tickets und erzeugt so den Ein­druck bei den Fahr­gäs­ten, sie hät­ten durch­ge­löst. Will­kom­men in Südamerika?

Lei­der Noch nicht ganz. Erst­mal noch am Flug­ha­fen ein­che­cken, aber das soll­te ja hier in Ham­burg kein Pro­blem sein.

Kein Pro­blem?

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