Website-Icon gwegner.de

Vulkan Poas – der schlafende Riese – Teil I

War­um um alles in der Welt fahrt ihr mit dem Auto durch Cos­ta Rica?? Macht ihr nicht sonst immer Rucksacktouren?!
So oder so ähn­lich wird viel­leicht Eure Fra­ge lau­ten, wenn wir gleich erzäh­len, was heu­te mor­gen unse­re ers­te Amts­hand­lung ist.
Und vor­ab: nein, wir sind nicht alt und bequem geworden.
Naja – zumin­dest noch nicht sooo alt :-) – aber der Rei­he nach…

Schon um 4 Uhr sind wir hell­wach. Das liegt an der Zeit­ver­schie­bung. Noch etwas durch­hal­ten, wir müs­sen uns ja umstel­len… Um kurz vor sechs ist dann aber end­gül­tig Schluss. Macht aber nichts, denn: 

Will­kom­men in Cos­ta Rica – hier einer der typi­schen bemal­ten Ochsenkarren

Als wir wach wer­den, sehen wir durch unser Fens­ter einen strah­lend blau­en, son­nen­durch­flu­te­ten Him­mel und das schon mor­gens um 6:00 Uhr. Wir kön­nen uns gar nicht erin­nern, wann wir die­ses Bild zum letz­ten Mal gese­hen haben – nach dem deut­schen Win­ter ist es gefühlt Jah­re her. :-)

Wir tre­ten auf die Stra­ße hin­aus und sau­gen die ange­nehm war­me und für stadt­ver­hält­nis­se kla­re Luft in uns ein. 

Herr­lich!

Auf der ande­ren Stra­ßen­sei­te liegt ein klei­ner Park. Ein Hund läuft auf dem Bür­ger­steig gegen­über vor­bei. Und über allem liegt der strah­lend blaue Him­mel Cos­ta Ricas – ein Blau, wie wir es schon lan­ge nicht mehr gese­hen haben. Und dann die war­me Luft. Kennt ihr das, wenn den eige­nen Kör­per plötz­lich ein Ener­gie­schub durch­fährt, als ob man sprich­wört­lich aus einem Win­ter­schlaf erwacht? So wie an den ers­ten Früh­lings­ta­gen in Deutschland?
So ähn­lich ergeht es uns gerade. 

Hei­ke, die Betrei­be­rin des Coco­nut House, hat das Früh­stück schon fer­tig: Cos­ta-Rica-Kaf­fee, frisch gepress­ter Saft und selbst­ge­ba­cke­nes Brot erwar­ten uns.

Um 8 Uhr haben wir eine Ver­ab­re­dung mit Ado­be. Nein, nicht um uns über Pho­to­shop oder Ligh­t­room zu unter­hal­ten, son­dern um unse­ren Gelän­de­wa­gen in Emp­fang zu neh­men. Ado­be Rent-A-Car ist näm­lich einer der größ­ten Auto­ver­mie­ter in Cos­ta Rica. 

Ganz kurz­fris­tig, eine Woche vor Abflug, haben wir uns dazu ent­schie­den, doch einen Miet­wa­gen zu neh­men und nicht, wie ursprüng­lich geplant, Cos­ta Rica wie sonst – näm­lich mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln – zu bereisen.

Unser eigent­li­cher Plan war, ledig­lich den Flug und die ers­te Unter­kunft in Cos­ta Rica vor­ab zu buchen, um dann das Land mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln oder durch Tram­pen zu berei­sen. Dadurch woll­ten wir einer­seits unse­re Aus­ga­ben gering hal­ten und uns ande­rer­seits dich­ter am ein­hei­mi­sche Leben bewe­gen. Laut der von uns stu­dier­ten Tra­vel-Gui­des sol­len auch fast alle Zie­le gut mit Bus­sen erreich­bar sein – wenn man die nöti­ge Zeit mit­bringt. Auf unse­ren ande­ren Rei­sen in Süd­ame­ri­ka haben wir ja bis­her sehr gute Erfah­run­gen mit den öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln gemacht.

Aller­dings erga­ben tie­fer­ge­hen­de Recher­chen in diver­sen Foren, dass es unter Umstän­den doch emp­feh­lens­wert sein kann, ein Auto zu mie­ten, gera­de wenn man nicht soviel Zeit hat. Es gibt näm­lich eini­ge sehr schö­ne und abge­le­ge­ne Orte, bei denen es recht schwie­rig bis unmög­lich ist, die­se mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln zu erreichen.

Auf­grund unse­rer begrenz­ten Zeit, in der wir natür­lich so viel wie mög­lich vom Land – inklu­si­ve der abge­le­ge­nen Stel­len – sehen wol­len, haben wir uns nach lan­gem hin und her dann eine Woche vor Abflug doch noch für einen Miet­wa­gen ent­schie­den. Den nicht ein­ge­plan­ten und hohen Kos­ten­block für die drei­wö­chi­ge Mie­te des Autos recht­fer­ti­gen wir vor uns selbst damit, dass wir in Bra­si­li­en ja auch jeder einen Air­pass für 450$ pro Per­son hatten.…;-) 

Costa Rica mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln bereisen?

Die Ent­schei­dung für oder wider einen Miet­wa­gen in Cos­ta Rica ist die Ent­schei­dung, ob man lie­ber tra­di­tio­nell oder indi­vi­du­ell Rei­sen, lie­ber die Städ­te und Tou­ris­ten­zen­tren oder die ent­le­ge­ne­ren Gebie­te ken­nen ler­nen möch­te und wie viel Geld und Zeit man zur Ver­fü­gung hat.

Cos­ta Rica bie­tet unglaub­lich vie­le span­nen­de Zie­le – ver­teilt über das gesam­te Land. Man­che davon lie­gen aller­dings in wirk­lich ent­le­ge­nen Ecken. Vie­le davon sind zwar auch mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln erreich­bar, aller­dings kos­tet das rich­tig viel Zeit.

Unser Ziel war das Foto­gra­fie­ren und das Erle­ben der Natur. Und dies woll­ten wir am liebs­ten in Gegen­den tun, die man mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­tel schlecht bis gar nicht errei­chen kann. 

Im Nach­hin­ein sind wir froh, uns für das Auto ent­schie­den zu haben. Wir konn­ten uns so unab­hän­gig und fle­xi­bel durch das Land bewe­gen und unse­re Unter­künf­te zum Teil fern­ab der tou­ris­ti­schen Zen­tren suchen – zum Bei­spiel auf der tou­ris­tisch weni­ger erschlos­se­nen Sei­te des Are­nal-Vul­kan oder im Ten­orio Nationalpark.

Wer aller­dings viel Zeit mit­bringt, soll­te defi­ni­tiv zumin­dest einen Teil sei­ner Rei­se mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln zurück­le­gen und so die bevor­zug­te Rei­se­art der Ticos, wie sich die Bevöl­ke­rung Cos­ta Ricas lie­be­voll selbst nennt, ken­nen lernen.

Nach dem Früh­stück kommt also Ben, der Mit­ar­bei­ter von Ado­be-Rent-A-Car. Er spricht flie­ßend Deutsch und wir erfah­ren, dass er vor zehn Jah­ren noch in Ham­burg gelebt habe und als Bier­brau­er nach Cos­ta Rica gekom­men sei. Heu­te bedient er die deutsch­spra­chi­gen Kun­den von Adobe.

Bei dem Auto han­delt es sich um einen All­rad und wir haben stan­dard­mä­ßig eine Voll­kas­ko­ver­si­che­rung. Allen Emp­feh­lun­gen zufol­ge macht bei­des abso­lut Sinn. Aller­dings weist uns Ben zum Abschied noch expli­zit dar­auf hin, dass das Auto nicht für den Fall ver­si­chert sei, das es im Fluss wegschwimme!

«Im Fluss weg­schwim­men?» fra­gen wir ungläubig. 

«Ihr glaubt ja gar nicht, was ich hier schon erlebt habe… Flüs­se durch­que­ren ist hier an der Tages­ord­nung, aller­dings soll­tet ihr vor­her genau che­cken, wie tief die ent­spre­chen­de Stel­le ist – da hat sich schon man­cher ver­tan. Ein Auto ist halt kei­ne Fähre…»

Ohne zuviel vor­weg zu neh­men: auch wir soll­ten unse­ren All­rad noch sehr zu schät­zen ler­nen, und zum ande­ren auch einen sehr guten Ein­druck davon bekom­men, was Ben mit dem mit dem weg­schwim­men gemeint hat…

Nach der Erle­di­gung aller For­ma­li­tä­ten hält es uns nicht mehr in der Pousa­da. Wir haben zwar noch eine wei­te­re Nacht hier reser­viert, wol­len jetzt aber unbe­dingt erst­mal auf Erkun­dungs­tour gehen. Was liegt näher, wenn man sich in Ala­jue­la, im zen­tra­len Cos­ta Rica befin­det, als den höchs­ten Vul­kan des Lan­des, den Volcán Poas zu besu­chen, der sich nur eini­ge Kilo­me­ter ent­fernt befindet.

«Hei­ke, wir sehen uns heu­te abend!» sagen wir. 

«Wo wollt ihr denn hin?» 

«Zum Poas!»

«Dann beeilt Euch, der ist näm­lich oft ab dem spä­ten Vor­mit­tag in Wol­ken gehüllt!»

«Alles klar…»

Wol­ken? Den­ken wir. Hmm. Wenn wir uns den Him­mel hier anse­hen, sehen wir nur ein fast unwirk­li­ches Blau. Von einer Wol­ke kei­ne Spur.

Nun sit­zen wir in unse­rem Wagen und machen die ers­ten Meter in Cos­ta Rica.

Es ist Sonn­tag und recht viel Ver­kehr. Die Fahr­wei­se der Ein­hei­mi­schen ist recht human. Gun­ther fügt sich gelas­sen in den Ver­kehrs­fluss ein. Da ich kei­nen inter­na­tio­na­len Füh­rer­schein habe, darf ich hier nicht fah­ren – bin aber auch nicht so böse drum… ;-)

«Wollt ihr ein GPS?» 

hat­te uns Ben noch gefragt. 

«Nööö… wir machen das so – im Urlaub müs­sen wir ja nicht auch noch mög­lichst schnell irgend­wo hin. Kar­ten­le­sen hat auch sei­nen Reiz!» – Zumal das ja fast immer Dia­nas Job ist :-)

Und so lotst sie mich dann auch ziel­si­cher anhand eines Stadt­pla­nes von Ala­jue­la, den uns Hei­ke noch schnell zuge­steckt hat­te, in Rich­tung des­je­ni­gen Pfeils, der auf dem Plan mit «Volcán Poas» beschrif­tet ist. Vor­bei an der Total-Tank­stel­le und dem loka­len, inter­na­tio­na­len Fast­food-Ver­sor­ger. Als wir die Stel­le errei­chen, die mit dem Pfeil gekenn­zeich­net ist, endet der Stadt­plan und wir befin­den aus einer Aus­fall­stra­ße aus Ala­jue­la her­aus nach Norden. 

Lang­sam wird die Besie­de­lung gerin­ger, die Vege­ta­ti­on üppi­ger und die Stra­ße win­det sich zwi­schen Kaffee‑, Bana­nen und Zier­pflan­zen­plan­ta­gen mit einer deut­li­chen Stei­gung immer höher in die Ber­ge. Genau­er: auf den Berg. 

www​.rain​fo​re​stand​reef​.org

Vulcan Poas

Poas ist einer der aktivs­ten Vul­ka­ne Cos­ta Ricas. Der 2.708 Meter hohe Stra­to-Vul­kan hat 2 gro­ße Kra­ter. Der See, der sich im süd­li­chen Kra­ter gebil­det hat, der Lago Botos, beinhal­tet kal­tes und kla­res Süss­was­ser. Sein letz­ter Aus­bruch liegt 7.500 Jah­re zurück.
Der nörd­li­che jedoch, Lagu­na Cali­en­te genannt, ist der akti­ve der bei­den. Mit unge­fähr 150 Metern Durch­mes­ser und 300 Metern Tie­fe hat sich in ihm einer der säu­re­hal­tigs­ten Seen auf der Erde mit einem pH-Wert von fast 0 gebil­det. Sei­ne letz­ten – zum Glück klei­ne­ren – Aus­brü­che hat­te er in 2009. Aller­dings zeig­te er sich auch für ein Erd­be­ben im Janu­ar 2009 ver­ant­wort­lich, bei dem vier­zig Men­schen ums Leben kamen. Kein ganz unge­fähr­li­cher Zeit­ge­nos­se also.

Bis­her sieht das Wet­ter noch fan­tas­tisch aus. Die 33 Kilo­me­ter lan­ge, abwechs­lungs­rei­che Stre­cke führt bis auf über 2.500 Meter über dem Mee­res­spie­gel, und bald ste­hen wir vor einer Schran­ke, die den Ein­gang des Natio­nal­parks Poas kenn­zeich­net. An den Ran­ger in dem dane­ben lie­gen­den Häuss­chen müs­sen wir 22 US$ ent­rich­ten, um den Natio­nal­park besu­chen zu dür­fen. Dies gibt uns schon­mal einen ers­ten Ein­blick in das Preis­ni­veau, das wir hier in Cos­ta Rica in den nächs­ten Wochen erwar­ten dürfen… 

Sei­ne letz­ten – zum Glück klei­ne­ren – Aus­brü­che hat­te der Poas in 2009.

Die Stra­ße endet auf einem gro­ßen Park­platz. Ein Park­wäch­ter weist alle Fahr­zeu­ge an, rück­wärts ein­zu­par­ken. Spä­ter erfah­ren wir auch war­um: Soll­te der Vul­kan aus­bre­chen – und das wird hier als nicht gera­de unwahr­schein­lich ein­ge­schätzt – kön­nen die Besu­cher schnel­ler und mit weni­ger Kom­pli­ka­tio­nen in ihren Autos flie­hen – falls es dafür noch nicht zu spät ist. Wir hof­fen jeden­falls, dass wir heu­te nicht die Gele­gen­heit bekom­men wer­den, die Wirk­sam­keit die­ser Maß­nah­me zu überprüfen.

Wun­der­ba­rer Nebel­wald auf der Höhe des Vul­kan Poas

Vom Park­platz aus führt ein Fuß­weg ca. 20 Minu­ten durch eine wun­der­schö­ne Vege­ta­ti­on. Die bedin­gungs­lo­se Son­ne hat mitt­ler­wei­le eini­gen Nebel­schwa­den Platz gemacht, und als wir an eine Stel­le kom­men, an der die Vege­ta­ti­on etwas zurück­tritt, haben wir eine fan­tas­ti­sche Sicht auf den dahin­ter­lie­gen­den Urwald, der mys­tisch in Nebel­schwa­den ein­ge­hüllt liegt.

Und dann errei­chen wir den Kra­ter. Naja, um ehr­lich zu sein, wis­sen wir das nicht so genau. Wir ver­mu­ten es. Denn der Weg endet hier an einem Gelän­der, hin­ter dem ein Schild uns klar macht, dass ein Abstieg in den Kra­ter hier nicht erwünscht sei.

Ansons­ten ist direkt vor uns – tja, was soll ich sagen – Nichts. Nichts nichts. Eine Wand wei­ßen Nebels. 

Lei­der darf man nicht zum Kra­ter hin­un­ter steigen

Von unten hören wir aller­dings ein lau­tes, bedroh­li­ches Grum­meln und Pol­tern, kön­nen aber allen­falls erah­nen, wie tief es da vor uns run­ter geht – und noch nicht ein­mal das. Und dann ist da noch der Geruch. In unse­re Nasen steigt ein schwe­fe­li­ger Geruch, ich könn­te jetzt auch den oft zitier­ten Ver­gleich mit fau­len Eiern bemü­hen, aber die­ser Schwe­fel­ge­ruch ist gar nicht so unan­ge­nehm. Es riecht eher nach noch nicht abge­brann­ten Streich­höl­zern. Viel­leicht, weil wir uns noch in ver­hält­nis­mä­ßig gro­ßer Ent­fer­nung befinden. 

Das wir nichts sehen ist wirk­lich sehr scha­de. Wir hät­ten wirk­lich unheim­lich ger­ne mal in einen ech­ten, akti­ven Kra­ter hin­ein­ge­schaut. Beson­ders auf mich wir­ken Vul­ka­ne und ihre Kra­ter unheim­lich fas­zi­nie­rend. Ich könn­te mich damit stun­den­lang befassen.

Dia­na ist da eher für leben­di­ge Natur, sprich für Tie­re und Pflan­zen und schlägt daher vor, dass wir uns noch ein biss­chen die Umge­bung anse­hen. Auf einem Schild ist ein Wan­der­weg aus­ge­schil­dert, der zu dem zwei­ten Kra­ter­see See führt. 

Ich kann sie ja ver­ste­hen. Die tro­pisch-sat­te, grü­ne Vege­ta­ti­on hier oben lädt ein­fach dazu ein, die Gegend zu erkun­den und nicht in ein trü­bes «Nichts» zu star­ren. Ich möch­te aber trotz­dem so schnell noch nicht auf­ge­ben – viel­leicht haben wir ja noch eine Chance!

Die mobile Version verlassen