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Vulkan Poas – der schlafende Riese – Teil II

Ent­täuscht ste­hen wir am Kra­ter­rand des Poas, eines der aktivs­ten Vul­ka­ne Cos­ta Ricas, und star­ren in undurch­dring­li­chen Nebel.

«Lass uns doch noch ein biss­chen war­ten. Viel­leicht rei­ßen die Wol­ken ja noch auf!» sage ich zu Diana.

«Na gut» meint sie – «war­ten wir noch ein bisschen.»

Sie schnappt sich die klei­ne Lumix und geht etwas umher, um eini­ge Blu­men zu foto­gra­fie­ren, die hier über­all an den Büschen in üppi­ger Pracht wachsen.

Far­ben­präch­ti­ge Blü­ten überall

Ich war­te der­weil am Gelän­der und ver­su­che durch kon­zen­trier­tes Star­ren irgend etwas in der Sup­pe auszumachen.

Wäh­rend ich war­te, kommt mir eine Geschich­te über den Poas, die ich im Vor­feld unse­rer Rei­se auf cos​ta​ri​ca​-online​.com gele­sen habe, wie­der in den Sinn. Es han­delt sich um den Bericht eines For­schers, der den Poas im Jahr 1899 bestie­gen hat:

Poas – Vulkanbesteigung im Jahr 1899

Am 6. Marz 1899 brach ich mit dem Füh­rer und mei­nem India­ner um 3 Uhr mor­gens vom Dorf auf und stieg lang­sam auf gutem Weg berg­auf […] bis wir  in einer Höhe von etwa 2530 m am Rand des täti­gen Poas-Kra­ters stan­den. Es ist ein gera­de­zu über­wäl­ti­gen­der Anblick, wenn man aus dem grü­nen­den Wald her­vor­tritt und plötz­lich vor dem grau­si­gen, voll­stän­dig vege­ta­ti­ons­lo­sen Kra­ter-Trich­ter steht, auf des­sen Grund sich ein wei­ßer, damp­fen­der See befin­det, wie kochen­de Milch in einem gigan­ti­schen Kes­sel anzusehen.

Unauf­hör­lich stei­gen aus den bro­deln­den, krei­sen­den Was­ser­flu­ten weiß­li­che Dämp­fe auf, und von Zeit zu Zeit in unre­gel­mä­ßi­gen Zwi­schen­räu­men fängt es an einer bestimm­ten Stel­le des klei­nen Sees an zu wal­len und zu brau­sen, schwärz­li­che Schlamm­as­sen spru­deln in einem meh­re­re Meter dicken Strahl wäh­rend der Dau­er von etwa einer Minu­te 5 bis 7 m hoch empor, wäh­rend kreis­för­mi­ge Wel­len rasch den merk­wür­dig aus­ge­zahn­ten Ufern zuei­len und sich hier schäu­mend brechen.

Unter gewal­ti­gem Getö­se steigt eine rie­si­ge Dampf­wol­ke empor, wel­che vom Nord­ost­wind erfasst und weit­hin über das Gelän­de im Süd­wes­ten getrie­ben wird, so dass alle Vege­ta­ti­on auf die­sem Land­strich erstor­ben und selbst das Gestein gebleicht und zer­fetzt wor­den ist. Gran­di­os müs­sen die­se gei­ser­ähn­li­chen Erup­tio­nen gegen Ende des Jah­res 1888 und zu Beginn des fol­gen­den Jah­res gewe­sen sein, wäh­rend einer Peri­ode von Erd­be­ben, die das gan­ze Land heimsuchten.

Pit­tier maß damals ein­mal mit dem Theo­do­li­ten (Win­kel­meß­ge­rät) eine Schlamm- und Was­ser­säu­le von 62 m Höhe! Wie groß­ar­tig muß damals die Erre­gung der See­flu­ten gewe­sen sein, wenn eine sol­che gewal­ti­ge Schlamm­säu­le in sich zusam­men­brach und das klei­ne, eng ein­ge­schlos­se­ne Was­ser­be­cken in wil­den Auf­ruhr brach­te! Aber auch jetzt sind die Erschei­nun­gen noch so impo­sant und fes­selnd, dass man sich nur schwer von dem wun­der­ba­ren Schau­spiel trennt.

Der Abstieg zum Kra­ter­see über die stei­len, aus locke­ren Aus­würf­lin­gen und zer­fetz­ten Gesteins­bän­ken bestehen­den Hän­ge ist müh­sam und gar nicht leicht. […] So kam es, daß wir wohl eine Stun­de zum Abstieg brauch­ten und eben­so­lan­ge auch wie­der zum Auf­stieg. Das Was­ser des Kra­ter­sees zeig­te eine Tem­pe­ra­tur von +51° C und war so stark sau­er, daß es die Metall­hül­se mei­nes Ther­mo­me­ters sofort angriff. […] 

Süd­west­lich von dem täti­gen Poas­kra­ter befin­det sich ein wohl­erhal­te­ner älte­rer Kra­ter, des­sen Grund von einem herr­lichen, kla­ren See ein­ge­nom­men wird. […] Das Was­ser ist von ange­neh­mem Geschmack, wes­halb man sich hier mit Trink­was­ser zu ver­se­hen pflegt. Die Umwal­lung die­ses alten Kra­ter­sees ist bewal­det und ent­hält die höchs­te Erhe­bung des gan­zen Ber­ges (2644 m).

Die Aus­sicht vom Poas soll sehr schön sein und an land­schaft­li­cher Wir­kung der­je­ni­gen des Ira­zu wenig nach­ste­hen. Ich kann davon lei­der nicht aus eige­ner Erfah­rung berich­ten, da mich auch hier­über Wol­ken und Nebel verfolgten.

Dem Kol­le­gen ging es also mit dem Wet­ter nicht viel bes­ser als uns, aber er durf­te wenigs­tens zum Kra­ter hin­ab steigen.

So tief ist der!

Hat sich da etwas bewegt? Sehe ich da einen Kontrast?

Nein – mei­ne Augen spie­len mir einen Streich.

Oder?

Da ist doch eine eine Kon­tur! Etwas unter­bricht die Gleich­för­mig­keit des Nebels, der gänz­lich ohne Tie­fe, völ­lig dimen­si­ons­los vor mir liegt.

Da! Ein Raum­ein­druck stellt sich ein. Mei­ne Augen bekom­men einen flüch­ti­gen Anhalts­punkt, an dem sie sich fest­hal­ten kön­nen und mein Gehirn lie­fert dazu sofort eine ers­te drei­di­men­sio­na­le Skiz­ze des Kraters.

«So tief ist der!»

Das Bild ver­schwimmt sofort wie­der, baut sich aber gleich dar­auf wie­der auf. Es sind immer nur klei­ne Löcher im Nebel, aber sie rei­chen, um mir einen ers­ten Ein­druck der unwahr­schein­li­chen Aus­ma­ße des Kra­ters des Poas zu geben.

«Komm schnell, man sieht etwas!» rufe ich Dia­na zu.

Sie eilt her­bei und sieht jetzt auch, wie die Wol­ken aus­ein­an­der rei­ßen und den Blick auf einen tief, tief unter uns lie­gen­den See frei­ge­ben. Die Wol­ken zie­hen über den See – nein – sie kom­men aus dem See! Das sind nicht nur «nor­ma­le» Wolken.

Das sind Rauch und Dampf, die aus dem Kra­ter­see aufsteigen!

Ich ver­su­che mich an eini­gen Fotos. Lei­der lässt sich das biss­chen Kon­trast, was unse­re emp­find­li­chen Augen gera­de so wahr­neh­men kön­nen, mit der Kame­ra nicht ein­fan­gen. Da hilft nur eins – wir müs­sen noch etwas warten.

Plötz­lich zie­hen sich die Schwa­den unter uns wei­ter zurück und nun kön­nen wir fast den gesam­ten über 40 Grad hei­ßen Kra­ter­see sehen. An sei­nem vor­de­ren rech­ten Ufer steigt eine Fum­a­ro­le hei­ßen Damp­fes auf. Aber auch sonst sehen wir an den Ufern immer wie­der Rauch aufsteigen.

Bro­deln­des säu­re­hal­ti­ges Was­ser im Kra­ter­see des Poas

Der See liegt in einem rela­tiv gro­ßen Kra­ter, an des­sen Rän­dern sich ver­schie­de­ne Asche- und Geröll­fel­der in unter­schied­li­chen Far­ben befin­den. Aber kei­ner­lei Vege­ta­ti­on. Die säu­re- und schwe­fel­hal­ti­gen Dämp­fe las­sen hier nichts wachsen.

Der Vul­kan bie­tet hier für Wis­sen­schaft­ler aus­ge­zeich­ne­tes Anschau­ungs­ma­te­ri­al für die Fol­gen von «sau­rem Regen». Um den Kra­ter ist die Vege­ta­ti­on in Wind­rich­tung auf vie­le Kilo­me­ter braun und schwarz durch die säu­re­hal­ti­ge Feuch­tig­keit, die vom Wind und den Wol­ken dort­hin gebracht wird.

Ich bin schon wie­der total fas­zi­niert. Am liebs­ten wür­de ich hin­ab­stei­gen. Es exi­si­tiert sogar ein Fuß­weg, sei­ne Über­res­te kön­nen wir sehen. Die­ser ist aber aus Sicher­heits­grün­den schon seit Jah­ren gesperrt. Schade!

Immer wie­der drü­cke ich auf den Aus­lö­ser, viel­leicht kann ich aus den Bil­dern spä­ter am Rech­ner noch etwas her­aus­ho­len. Auch Dia­na macht eini­ge Fotos mit der Lumix. Naja, den­ke ich – wenn die Spie­gel­re­flex das schon nicht ein­fängt, dann wird es die klei­ne erst recht nicht kön­nen. Aber ich sage nichts, lass sie mal machen…

Spä­ter dann, bei Sich­ten der Bil­der am Rech­ner zuhau­se, spie­le ich alle Fotos in chro­no­lo­gi­scher Rei­hen­fol­ge in einen gemein­sa­men Ord­ner und weiß auf den ers­ten Blick nicht von wem oder aus wel­cher Kame­ra sie stam­men. Dann sor­tie­re ich die bes­ten her­aus. Ich gebe es natür­lich ungern zu :-) die Kra­ter­bil­der, die ich als «wür­dig» aus­ge­wählt habe, waren alle von Diana…

Der Vul­kan Poas – oft im Nebel, hier durch ein Guckloch!

So schnell, wie der Kra­ter uns einen Ein­blick beschert hat, so schnell zieht er sich jetzt lei­der wie­der zu.

Zeit, uns end­lich noch ein wenig von der rest­li­chen Gegend anzusehen…

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