Im Busbahnhof von Salvador empfängt uns wieder der Troubel, den wir in den letzten Tagen nicht gerade vermisst haben. Wir machen uns gerade auf die Suche nach einem Stadtbus ins Pelourinho (der historischen Altstadt von Salvador), um zu unserer Unterkunft zu kommen, als uns ein Mann anspricht. Ob wir ein Taxi bräuchten. Nein nein, muito obrigado. Wir nehmen den Bus.
Und es kommt wie es immer kommt. «Ich mache Euch einen Sonderpreis. 15 R$ ins Pelourinho, wohin ihr wollt – mein Taxi steht gleich da draußen.»Klar, der Preis ist klingt zweifelsohne verlockend. Das ist genau so viel, wie wir zu zweit auch für den Bus zahlen würden – allerdings würden wir mit dem 4x so lange brauchen.
Ich weiß auch nicht, irgendwie habe ich immer so ein komisches Gefühl, wenn ich von jemandem angequatscht werde, der mir ungefragt etwas «verkaufen» will.
An sich ist ja wieder alles logisch. Es kostet genau so viel und ist komfortabler und schneller. Was spricht also dagegen? Aus seiner Sicht jedenfalls nichts. Er versteht nicht, warum wir nicht mit ihm fahren wollen. Wahrscheinlich ist er sogar beleidigt, weil er den Eindruck hat, dass wir ihm misstrauen.
Diesen Situationen sieht man sich als Rucksackreisender zwangsläufig relativ häufig gegenübergestellt. Und jedes Mal muss man entscheiden: Lasse ich mich auf das Angebot von jemandem ein, den nicht ich mir ausgesucht habe, sondern der mich ausgesucht hat (und genau das ist der Punkt) oder lehne ich kategorisch ab und suche trotzdem weiter nach einer Reise‑, Übernachtungs oder was-weiss-ich Möglichkeit – der Möglichkeit, die mir eigentlich gerade angeboten wird…
So war es bei den Headhuntern, und so ist es hier.
Für diese Entscheidungen gibt es kein Geheimrezept. Man entscheidet aus dem Bauch heraus. Ich erwähne das auch nur, weil es auch ein wenig die (gesunde) Anspannung deutlich macht, in der man sich befindet, wenn man in einer Stadt wie Salvador plötzlich mit all seinem Hab und Gut eintaucht und diesen ganzen Einflüssen ausgesetzt ist, die mit Sicherheit nicht alle nur Gutes im Sinn haben.
Ein gesundes Maß Vorsicht ist immer angebracht. Wenn ich mich irgendwo im Landesinneren befinde und von einem Einheimischen angesprochen werden, ob ich mir ihm fahren möchte, dann ist das etwas anderes. Die meisten Menschen in Südamerika sind sehr gastfreundlich und fremden Gegenüber sehr aufgeschlossen und interessiert. Aber in den Großstädten ist Vorsicht angesagt. Diese Erfahrung sollten wir in Manaus noch machen.
In dieser Situation jetzt denken wir natürlich auch an unseren sowieso schon knappen Nachmittag, wir würden diesen selbstverständlich lieber mit einem Bummel durch den Pelourinho verbringen, als in einem Bus, der zig Schleifen fährt. Also sage ich kurzentschlossen ja, wir fahren mit.
Daraufhin sagt er, gut kommt mit, mein Taxi steht etwas außerhalb. Jetzt schrillen meine Alarmglocken erst recht. Wieso denn das? frage ich laut und innerlich, ob er wirklich der Taxifahrer ist, den er vorgibt zu sein.
Er sagt, dass er nur für Montags eine Lizenz habe, in die Rodoviária einzufahren, die anderen Tage sei es ihm nicht erlaubt.
Die Geschichte kann stimmen, sie kann aber auch ein Vorwand sein, um zwei Touristen aus der Menschenmenge der Rodoviária wegzulocken und dann auszurauben – das können wir in dem Moment nicht wissen.
Ich frage ihn, ob er wirklich Taxifahrer sei und sage, dass wir in ein anderes Auto nicht einsteigen werden. Offenheit ist an dieser Stelle bestimmt nicht die falsche Wahl, soll er ruhig wissen, dass wir wachsam sind.
Ja sicher, beteuert er. Das Taxi stünde gleich da um die Ecke an der Tankstelle, wir sollen uns nur keine Sorgen machen.
Ich drehe die Dose Pfefferspray in meiner Hosentasche so zurecht, dass mein Zeigefinger auf dem Auslöser liegt und wir folgen ihm. Vor der Rodoviária ist alles relativ übersichtlich. Es ist heller Tag, er überquert die Straße und ich bin der Meinung, wir können das Risiko eingehen. Beim Auto werden wir ja sehen, ob es ein Taxi ist. Dann können wir immer noch umkehren. Das Gelände ist offen, keine Seitenstraße – also okay.
Wir folgen ihm. Nach ca. 200 Metern kommen wir an die besagte Tankstelle und er steuert wirklich auf ein Taxi zu. Er schließt es auf und bedeutet uns, unsere Sachen einzuladen. Wir legen die Rucksäcke rein und steigen ein.
Auf der Fahrt unterhalten wir uns dann sehr nett. Er erzählt, dass er fast Tag und Nacht Taxi fährt, um seine Familie zu ernähren. Die Regelung, dass er an der Rodoviára nur noch einen Tag die Woche einfahren darf, hat ihn hart getroffen. Dort konnte er früher jederzeit Fahrgäste bekommen, ohne warten zu müssen. Seit es die Regelung gibt, ist es schwieriger. Jetzt behilft er sich eben so, dass er sich etwas abseits stellt und die Gäste persönlich an der Rodoviária aquiriert.
Natürlich habe ich ein schlechtes Gewissen, dass ich diesem Menschen misstraut habe. Aber so ist es eben leider im Leben. In 99% der Fälle ist die Vorsicht und das Misstrauen nicht angebracht oder sogar ungerecht. Aber in dem 1% vielleicht nicht.Gerade in den Städten – und erst recht in Bereichen mit solchen Menschenansammlungen wie den Rodoviárias Südamerikas ist Vorsicht angesagt!
Unser Taxifahrer jedenfalls profitiert von seiner Geschäftstüchtigkeit, wir machen mit ihm aus, dass er uns heute Nacht um 2:00 abholt und zu Flughafen fährt.
In der Stadt ist es heute extrem Schwül und uns läuft die Brühe. Nach der Ruhe und Beschaulichkeit in der Chapada Diamantina sind wir nicht wirklich dazu aufgelegt, lange hier herumzulaufen und so machen wir es uns auf der Terrasse der Pousada bequem, schreiben ein paar Emails und lassen den Abend in aller Ruhe ausklingen. Die Nacht wird ja nicht wirklich lang, unser Flieger nach Manaus geht um 4:20.
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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WIE BITTE?! 15 R$ für den Bus?! Die bescheissen euch aber gehörig! Der Standardtarif für Busse liegt bei 2,20R (seit Neujahr, vorher warens 2R).