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Kanufahrt auf eigene Faust

Abschied vom Amazonas

Bevor wir den Ama­zo­nas mor­gen wie­der ver­las­sen, nut­zen Dia­na und ich den letz­ten Nach­mit­tag noch, um auf eige­ne Faust die Igapós zu erkunden.
Dazu lei­hen wir uns eines der schma­len Kanus und trau­en uns damit in das Gewirr der Kanä­le der Igapós.

Hier­bei müs­sen wir zwei Din­ge beach­ten: Ers­tens, dass wir uns nicht hoff­nungs­los ver­ir­ren, und zwei­tens, dass wir mit die­sem extrem schma­len, ein­baum­ähn­li­chen Kanu nicht umkippen.

Letz­te­res wäre weni­ger wegen der hier all­ge­gen­wär­ti­gen Piran­has ein Pro­blem, son­dern eher wegen der Kame­ra­aus­rüs­tung, die wir dabei haben. Ich habe sie so gut es irgend­wie geht in einen gro­ßen Müll­sack ein­ge­packt, aber soll­ten wir wirk­lich ken­tern wäre das sicher­lich ein Problem.

Mit dem Kanu durch die Igapós und Igarapés


Viel­leicht an die­ser Stel­le noch ein Wort zu den Piran­has. Ein gesun­der Mensch kann ohne Angst in die­sen Flüs­sen schwim­men gehen. Der Mythos, dass sich Piran­has auf alles stür­zen, was sich bewegt, ist schlicht­weg falsch. Piran­has suchen sich kran­ke oder tote Tie­re, und die­se zer­klei­nern sie dank ihrer rasier­mes­ser­schar­fen Zäh­ne und der gro­ßen Anzahl, in der sie auf­tre­ten auch in atem­be­rau­ben­der Geschwindigkeit.
Ein Mensch, oder ein gesun­des Tier hin­ge­gen, hat nor­ma­ler­wei­se nichts zu befürch­ten, es sei denn, er ist ver­letzt und blutet.

So sind wir dann auch schon mehr­fach in dem herr­lich war­men Was­ser des Rio Negro und sei­ner Sei­ten­ar­me schwim­men gewe­sen, obwohl wir in der Nähe Leu­te beim Piran­ha angeln beob­ach­tet haben. Kein Problem. 

Auf die­ser Tour muss ich oft an Rüdi­ger Neh­berg den­ken, der hat sich anläss­lich sei­nes 70. Geburts­ta­ges ohne Aus­rüs­tung mit­ten im tiefs­ten Ama­zo­nas-Urwald aus­set­zen las­sen und durch geschick­tes Navi­gie­ren zurück in die Zivi­li­sa­ti­on gefun­den. Wie hat er das gemacht?
Nun, er hat sich eine Him­mels­rich­tung aus­ge­sucht und ist in die­se gelau­fen bis er auf den ers­ten klei­nen Fluss­lauf stieß. Das war nicht so schwie­rig, Was­ser gibt es im Ama­zo­nas genug. Die­sem ist er Fluss­ab­wärts gefolgt bis der in einen etwas grö­ße­ren Bach gemün­det ist. Die­sem ist er wie­der­um Fluss­ab­wärts gefolgt. Als der Fluss tief genug zum Schwim­men war, hat er sich aus Zwei­gen eine Schwimm­hil­fe gebaut und hat sich wei­ter Fluss­ab­wärts trei­ben las­sen. Immer nach der Regel: Alle Flüs­se im Ama­zo­nas­be­cken flie­ßen in Rich­tung des Ama­zo­nas Haupt­stro­mes. Wo Flüs­se sind, sind auch Men­schen. So war es nur eine Fra­ge der Zeit bis er fluss­ab­wärts trei­bend auf die ers­ten Ansied­lun­gen traf. Auf­grund der schie­ren Aus­deh­nung die­ses Wal­des hat es zwar über eine Woche gedau­ert, aber die Stra­te­gie ging genau so auf. Hät­te er ver­sucht zu Fuß auf dem Land­weg irgend­wo hin­zu­kom­men, wo Men­schen sind, wäre er hoff­nungs­los ver­lo­ren gewesen.
Wie kom­me ich dar­auf? Ach ja – er ist nicht von Piran­has auf­ge­fres­sen wor­den, obwohl er tage­lang schwim­mend in den Gewäs­sern ver­bracht hat! :-)

Dies ist übri­gens ein unheim­lich span­nen­des Aben­teu­er, über das Rüdi­ger Neh­berg in sei­nem Buch «Aben­teu­er Urwald – Aus­ge­setzt ohne Aus­rüs­tung» schreibt, ein unbe­ding­ter Lesetipp!

Aber zurück zu unse­rer Kanu­tour. Auch wir haben uns näm­lich eine ähn­li­che Stra­te­gie zurecht gelegt für das bepad­deln der Igapós: Von unse­rem Start­punkt wol­len wir auf dem Hin­weg bei jeder Fluss­zwei­gung links her­um pad­deln und auf dem Rück­weg bei jeder Gabe­lung rechts her­um. Und glaubt mir: Fluss­zwei­gun­gen gibt es hier noch und nöcher. Und alle sehen irgend­wie gleich aus! Im Hand­um­dre­hen wür­de sich jeder Euro­pä­er ohne ent­spre­chen­de Stra­te­gie in den Wir­run­gen der Kanä­le hoff­nungs­los ver­fah­ren und nie wie­der zurück finden.
Aber unse­re Stra­te­gie funk­tio­niert präch­tig. Hin bei jeder Abzwei­gung links, und zurück bei jeder Abzwei­gung rechts.

Nach kur­zer Zeit haben wir uns auch an die man­geln­de Sta­bi­li­tät unse­res Ein­bau­mes gewöhnt. Dar­über hin­aus wird uns sehr schnell klar, war­um die lee­ren Kon­ser­ven­do­sen dar­in lie­gen: Das Boot hat ein Leck. Kein Pro­blem, schöp­fen wir es halt alle zehn Minu­ten wie­der leer.

Zwi­schen Pad­deln und Was­ser­schöp­fen trau­en wir uns nach kur­zer Zeit dann sogar, die Kame­ra aus­zu­pa­cken. Und das lohnt sich wirk­lich! Als die Däm­me­rung ein­setzt, gibt die Natur noch mal ihre kom­plet­te Farb­pa­let­te zum Bes­ten – als ob sie für unse­ren Abschied aus der Ama­zo­nas Regi­on noch ein­mal alles geben wolle!

Farb­spie­le auf dem Wasser

Auf dem Rück­weg, hören wir plötz­lich hin­ter uns ein lau­tes Schnau­fen. Was kann das sein? Als wir das Kanu umge­dreht haben, sehen wir sie: Flussdelfine. 

Fluss­del­fi­ne

Die­se scheu­en Tie­re zei­gen sich nur sehr kurz aber ihr Erschei­nen beein­druckt uns um so mehr und nach­hal­tig. Sie sind um uns her­um. Immer wie­der erha­schen wir den Blick auf eine der gro­ßen Flos­sen direkt neben unse­rem Kanu und hören das Schnau­fen, wenn die majes­tä­ti­schen Tie­re Luft holen. Wir las­sen uns ein­fach trei­ben und genie­ßen das Eins sein mit der Natur. 

Däm­me­rung über dem Rio Negro

Wie kann der Mensch mit es etwas so groß­ar­ti­gem und zer­brech­li­chen nur so sorg­los umge­hen, fra­gen wir uns zum wie­der­hol­ten Male.

Ein ful­mi­nan­ter Abschied!

Wei­ter­le­sen: Wir ver­las­sen den Amazonas

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