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Reise durch die Einsamkeit – Teil 2

Im Dunst­kreis von Par­naí­ba rei­ßen wir noch ein paar Kilo­me­ter auf Asphalt ab, hal­ten noch ein­mal an einer klei­nen Bar am Stra­ßen­rand an, um etwas zu essen und zu trin­ken und dann geht es wie­der in unweg­sa­me­res Gelände…

Auf dem Weg in die Einsamkeit

Wir pas­sie­ren idyl­li­sche Dör­fer, in denen die Bevöl­ke­rung den Fei­er­tag nut­zen um in den Flüs­sen zu baden oder ein­fach nur in ihren Hän­ge­mat­ten zu rela­xen. Alles macht einen ent­spann­ten, zufrie­de­nen Ein­druck. Trotz der Tat­sa­che, dass die Bevöl­ke­rung hier offen­sicht­lich nicht wohl­ha­bend ist, im euro­päi­schen Maß­stab wür­de man wohl von arm spre­chen, machen die Men­schen hier auf uns einen wesent­lich zufrie­de­ne­ren Ein­druck als die meis­ten Deutschen.

Fei­er­tag im Nord­os­ten Brasiliens

Camocim

Bis Cam­o­cim kom­men wir ganz gut vor­an. João hat­te uns bereits von den 3 je nach Wet­ter­la­ge und Jah­res­zeit mehr oder weni­ger leicht zu pas­sie­ren­den Flüs­sen erzählt, die noch vor uns lägen. Als wir Cam­o­cim errei­chen, und damit den ers­ten Fluss, ist es bereits Nachmittag.

Cam­o­cim – ein male­ri­scher Ort!


Unser Jeep ist das ein­zi­ge Fahr­zeug auf der Fähre

Am Ufer des Flus­ses herrscht reges Trei­ben, die Sze­ne­rie mit all den Fischer­boo­ten und den aus­ge­las­sen baden­den Kin­dern ist ein­fach malerisch. 

João fragt sich durch, bis er einen Fähr­mann gefun­den hat, der bereit ist, uns auf die ande­re Sei­te zu fahren.

Wir genie­ßen die Fahrt über den Fluss. Wir sau­gen die war­me Nach­mit­tags­son­ne, die sal­zi­ge Luft und die tol­le Atmo­sphä­re in uns auf und freu­en uns trotz der bereits hin­ter uns lie­gen­den anstren­gen­den Kilo­me­ter rie­sig auf den letz­ten Abschnitt, denn jetzt geht es nur noch direkt am Strand ent­lang bis Jericoacoara!

João gibt Gas!

Drü­ben ange­kom­men düsen wir mit High­speed am Strand ent­lang! Der Unter­grund ist größ­ten­teils hart und gut befahr­bar. Links von uns der unend­li­che Atlan­tik, rechts von uns Dünen und ab und an Man­gro­ven. Und bald kom­men wir zu dem zwei­ten Fluss. Und jetzt pas­siert das, was pas­sie­ren muss­te: die Fäh­re ist nicht in Betrieb. 

João sagt, das letz­te Mal, als er hier war, sei die Fäh­re noch da gewe­sen. Nun blie­be uns nichts ande­res übrig, als uns eine Stel­le zum durch­fah­ren zu suchen. Die Tie­fe die­ses Flus­ses kann ich nicht ein­schät­zen, ich sehe nur, dass er sehr breit ist.

Die­sen Fluss müs­sen wir ohne Fäh­re überqueren!

Zum durch­fah­ren müs­sen wir eine durch­gän­gig fla­che Stel­le fin­den mit aus­rei­chend fes­tem Unter­grund, damit wir mit dem Jeep nicht ste­cken blei­ben oder voll lau­fen. Der Jeep hat kei­ne Winch, aber selbst wenn, wür­de uns die nichts nut­zen. Der Fluss ist hier viel zu breit, als dass wir uns selbst her­aus­zie­hen könn­ten, soll­te es nicht wei­ter gehen. 

An einer Stel­le, zu der eini­ge Rei­fen­spu­ren füh­ren, steigt João aus und watet durchs Was­ser. Zunächst sieht alles gut aus – das Was­ser geht es ihm nur bis zu den Knien. Aber plötz­lich sinkt er brust­tief ein. Shit. Hier eine durch­ge­hend fla­che Über­que­rung zu fin­den scheint wie die Suche nach der Nadel im Heu­hau­fen. Dia­na und ich sind mitt­ler­wei­le auch aus­ge­stie­gen und schau­en uns die Sache an. Es wird defi­ni­tiv nicht ein­fach, die­sen Fluss ohne Fäh­re zu überqueren.

João prüft die Wassertiefe

João watet nun schon zehn Minu­ten durch das hüft­tie­fe Was­ser. Immer, wenn er gera­de ein Stel­le gefun­den hat, wo es etwas fla­cher wird, folgt dar­auf wie­der ein tie­fes Loch. Ich sehe unse­re Chan­cen schwin­den, heu­te noch nach Jer­i­coa­co­ara zu kom­men. Die Son­ne steht schon tief am Him­mel, und wenn wir es nicht schaf­fen, müs­sen wir durch die Dun­kel­heit fah­ren, oder irgend­wo übernachten. 

Ers­te­res wäre ziem­lich gefähr­lich, da die­ses unweg­sa­me Gelän­de bei Dun­kel­heit nur sehr schwer zu befah­ren ist. Jeder­zeit könn­te man in ein gro­ßes Schlag­loch fah­ren oder sich im losen Sand festfahren.
Letz­te­res wohl auch nicht ganz ein­fach. Eine Pousa­da wer­den wir in die­ser ein­sa­men Gegend wohl schwer­lich fin­den. Dann blie­be uns mög­li­cher­wei­se nichts ande­res übrig, als uns am Strand irgend­wo hin zu legen.

Übernachten am Strand

Als ich dar­über sin­nie­re, fällt mir ein Erleb­nis ein, wel­ches ich vor vie­len Jah­ren mit einem Freund auf Kre­ta hat­te. Damals umrun­de­ten wir mit dem Ruck­sack die Insel und schlie­fen meis­tens direkt am Strand. Das war zum Teil recht unbe­quem, weil die meis­ten Stran­de auf Kre­ta – ganz anders als hier – rei­ne Stein­strän­de sind. Als wir also eines Tages erst bei Dun­kel­heit nach lan­ger Suche einen ein­sa­men Platz an einem die­ser Stein­strän­de mit beson­ders gro­ßen Wacker­stei­nen gefun­den hat­ten, such­ten wir tod­mü­de eine wenigs­tens eini­ger­ma­ßen ebe­ne Flä­che, um unse­re Iso­mat­ten aus­zu­rol­len. Kaum hat­ten wir end­lich eine sol­che gefun­den, leg­ten wir uns auch schon hin und schlie­fen sofort ein. Nachts wur­de ich irgend­wann durch Hel­lig­keit und Lärm wach und sah uns im Schein­wer­fer­licht zwei­er Jeeps, die mit hoher Geschwin­dig­keit auf uns zufuh­ren. Ich konn­te gera­de noch mei­nen Freund an sei­nem Schlaf­sack zur Sei­te rei­ßen und mich selbst hin­ter­her wer­fen, da don­ner­ten sie schon über die Stel­le, auf der wir gera­de noch gele­gen hat­ten. Es waren offen­bar Ang­ler, die mor­gens um 3 vom Strand zurück­fuh­ren – ver­mut­lich eben­so über­mü­det wie wir – und uns in unse­ren Schlaf­sä­cken nicht gese­hen haben. Der Schock saß jeden­falls tief. Am nächs­ten mor­gen konn­ten wir dann sehen, dass unse­re Über­nach­tungs­stel­le auf einer kaum aus­zu­ma­chen­den Pis­te auf dem Stein­strand lag – des­we­gen war die Stel­le auch etwas ebe­ner als der Rest. Bei Dun­kel­heit war das aller­dings nicht zu erkennen.

Und die Moral von der Geschich­te: Schau Dir den Ort an dem Du Dich zum schla­fen hin­legst lie­ber zwei­mal an. Es könn­te eine Stra­ße sein, auch wenn sie nicht so aussieht.

Flussdurchfahrung

Plötz­lich wer­de ich aus mei­nen Gedan­ken geris­sen denn wie aus dem Nichts tau­chen zwei Kin­der auf, lau­fen auf João zu und rufen etwas, das ich auf die Ent­fer­nung nicht ver­ste­he. João wech­selt ein paar Wor­te mit ihnen und plötz­lich stel­len sich sich bei­de dia­go­nal ver­setzt mit­ten in den Fluss, der ihnen an den jewei­li­gen Stel­len gera­de mal bis zu ihrer Kin­der­hüf­te geht und stre­cken die Arme aus, so dass sie eine gera­de Linie über den Fluss anzeigen. 

Ret­tung naht durch zwei Jungs

João und ich ver­ste­hen sofort. Dort sol­len wir durch­fah­ren. João ver­traut ihnen auf Anhieb. Er läuft sofort zurück zum Jeep, star­tet den Motor und fährt genau da durch den Fluss, wo die Kin­der stehen.

Wir wagen die Durchquerung

Wir fol­gen zu Fuß. Die bei­den woh­nen offen­bar hier und wir kön­nen uns des Ein­drucks nicht erweh­ren, dass sie gera­de nicht zum ers­ten Mal Durch­rei­sen­den dabei gehol­fen haben, die­sen Fluss zu durch­que­ren und sich auf die­se Art ihr Taschen­geld ver­die­nen. Wir ent­loh­nen sie natür­lich auch, denn ohne ihre Hil­fe hät­ten wir die­se Durch­que­rung ver­mut­lich heu­te nicht mehr hinbekommen.

Es klappt, dank der guten Führung!

Endspurt nach Jericoacoara

Das Tages­licht schwin­det, und João drückt wie­der auf die Tube. Wir flie­gen jetzt über einem glat­ten, wei­ßen aber doch fes­ten Strand dahin. Als ich ihn nach dem Grund der Eile fra­ge, erklärt er, dass wir noch eine Fäh­re vor uns hät­ten und die Fähr­män­ner mit Ein­bruch der Dun­kel­heit den Betrieb ein­stel­len wür­den. Und die­sen letz­ten Fluss könn­ten wir auf kei­nen Fall durchfahren…

Wei­ter­le­sen: End­spurt nach Jericoacoara

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