Überfall der Headhunter

18012008

Mit dem Nacht­bus fah­ren wir nach Len­çois. Von der Fahrt krie­gen wir wenig mit, die Sit­ze sind super bequem und las­sen sich in eine sehr fla­che Lie­ge­po­si­ti­on stel­len, wie in den süd­ame­ri­ka­ni­schen Nacht­bus­sen üblich. Auch die Kli­ma­an­la­ge ist nicht auf Minus­gra­de ein­ge­stellt, wie ich es in Vene­zue­la erlebt habe. Infol­ge­des­sen bekom­men wir von den Zwi­schen­stopps, die der Fah­rer alle paar Stun­den macht, nicht viel mit und kom­men noch im Dun­keln und ziem­lich ver­schla­fen in Len­çois an. Von dem, was wir jetzt an Geschäfts­tüch­tig­keit erle­ben soll­ten, könn­te sich man­cher Deut­sche Ver­trieb­ler eine Schei­be abschneiden!

Len­çois, Cha­pa­da Diamantina

Die­ses schlaf­trun­ke­ne aus dem Bus stei­gen weil der Bus wie­der ein­mal viel zu früh da ist, habe ich schon öfter erlebt in Süd­ame­ri­ka. Man ist dann immer froh, wenn man erst­mal ein biss­chen Ruhe hat, sich und sei­ne Sachen zu sor­tie­ren. Das ist uns hier jetzt aller­dings lei­der nicht gegönnt. 

Als wir schla­fend aus dem Bus stei­gen, wer­den wir sofort von einer hek­ti­schen Grup­pe Leu­te emp­fan­gen, die sich auf die Aus­stei­gen­den stürzen.

Wir hören die Wor­te Pousa­da und Pas­seio (Aus­flug) und uns wird klar, hier ver­sucht man mas­siv, Tou­ris­ten zu angeln. Klar, die Cha­pa­da Dia­man­ti­na ist ein tou­ris­tisch gefrag­tes Ziel. Aller­dings – gleich nach dem schlaf­trun­ke­nen Aus­stei­gen aus dem Bus so von „Head­hun­tern“ emp­fan­gen zu wer­den, ist für uns schon ein über­ra­schen­des Erlebnis. 

Min­des­tens fünf Leu­te umrin­gen uns sofort und wol­len sich um uns küm­mern. Aus dem Augen­win­kel sehe ich, dass es den ande­ren Pas­sa­gie­ren auch nicht viel bes­ser geht – na wenigs­tens etwas. Wir wol­len eigent­lich nur unse­re Ruhe, unser Gepäck aus­la­den und dann die Lage son­die­ren. War­ten bis es hell ist und uns dann in Ruhe eine gemüt­li­che Pousa­da suchen. Aber dar­aus wird nichts. Wäh­rend uns die Typen umrin­gen, uns Pro­spek­te in die Hand drü­cken und uns gleich­zei­tig ihre Pousa­das und dazu auch noch das gesam­te Aus­flugs­pro­gramm ver­kau­fen wol­len, ver­su­chen wir noch zu unse­rem Gepäck zu kom­men, wel­ches immer noch tief im Bauch des Bus­ses ver­gra­ben ist. 

Einem beson­ders auf­dring­li­chen Head­hun­ter sage ich, dass wir jetzt erst­mal unser Gepäck holen wür­den, und vor­her hier gar nichts gin­ge. Das war wahr­schein­lich ein Feh­ler, denn das bringt ihn offen­bar auf den Gedan­ken, dass danach etwas gehen könn­te. Er weicht jeden­falls nicht mehr von mei­ner Sei­te. Unse­re Ruck­sä­cke sind wirk­lich ganz hin­ten. Es dau­ert also. Im Hin­ter­grund ver­neh­me ich das Geschrei, das um die ande­ren Pas­sa­gie­re gemacht wird. Die Ein­hei­mi­schen sind sowie­so schon weg. Die ers­ten der Besu­cher stap­fen schon mit einem der Head­hun­ter los. Ande­re ver­su­chen sie noch abzu­wim­meln. End­lich bekom­men wir unse­re Ruck­sä­cke. Der Typ weicht wie ein Schat­ten nicht von unse­rer Seite. 

Kaum haben wir die Ruck­sä­cke, will er die­se in ein Auto ver­frach­ten. Dage­gen haben wir natür­lich etwas. Fin­ger weg sage ich und erklä­re, dass wir auf eige­ne Faust eine Pousa­da suchen wür­den und sei­ne Hil­fe nicht bräuch­ten. Ob wir denn schon wüss­ten, wo wir unter­kom­men wür­den? Nein sage ich. Ja dann bräuch­ten wir doch eine, meint er nicht ganz ohne Logik. Ich ver­su­che es anders. Hör mal, wir sind gera­de die gan­ze Nacht Bus gefah­ren und ziem­lich müde. Lass uns doch bit­te in Ruhe. Dann sie es doch gera­de beson­ders wich­tig, dass wir schnell in eine net­te Pousa­da kämen, um uns vor dem Früh­stück noch­mal hin­le­gen zu kön­nen, sagt er. Oh Mann, der schafft mich. Nein sage ich, wir wol­len erst­mal in Ruhe schau­en. Wo denn, fragt er. Na, in der Stadt natür­lich. Kennt Ihr Euch denn aus, und wisst ihr über­haupt, in wel­che Rich­tung ihr gehen müsst? Nein, sage ich und die Argu­men­te gehen mir lang­sam aus, also schla­ge ich Dia­na vor, ein­fach loszugehen. 

Wir mar­schie­ren also in die Rich­tung, die wir für die Rich­ti­ge hal­ten, und er folgt uns, nicht ohne zuvor sei­nem Kom­pa­n­ion, dem Mann im Auto, ein Zei­chen gege­ben zu haben. So ergibt sich ein bestimmt lus­ti­ges Bild. Zwei Ruck­sack­tou­ris­ten neben einem Ein­hei­mi­schen, der auf sie ein­re­det und einem Auto, das direkt neben­her fährt. Das geht den gan­zen Weg so. Bis rein in den Ort. Die Rich­tung war also rich­tig, Kunst­stück. Da ich ihn zwar reso­lut aber den­noch freund­lich behan­delt habe, macht er das ein­zi­ge für ihn logi­sche – er bleibt dran. Schaut mal, sagt er – um die­se Zeit hat doch noch kei­ne Pousa­da auf. Ihr wisst nicht, wo ihr blei­ben könnt. Lasst mich Euch doch ganz unver­bind­lich eine zei­gen und ihr sagt ob sie Euch gefällt oder nicht. Wenn nicht, gehen wir wei­ter – na, wie klingt das? 

Ver­dammt, das klingt schon wie­der logisch. Kann ich den für unse­re Fir­ma als Ver­trieb­ler mitnehmen? 

Ich sage also schwe­ren Her­zens ja (mitt­ler­wei­le ging es ja eigent­lich nur noch ums Prin­zip) aber ich stel­le noch eine Bedin­gung: wir wol­len nicht mehr als 50 Reais (ca. 20 €) zah­len für die Nacht. Für zwei. Und mit Früh­stück – sage ich noch. Okay meint er, das krie­gen wir hin. Wir gehen über den – zuge­ge­be­ner­ma­ßen um die­se Zeit noch ver­dammt aus­ge­stor­ben wir­ken­den – Dorf­platz, dann ein­mal links und dann ste­hen wir auch schon vor der Pousada. 

Wer hät­te das gedacht, das Auto und der Mann sind auch schon da. Es ist offen­bar eine Tour-Agen­cy mit ange­schlos­se­ner Pousa­da und sie gehört dem Alten aus dem Auto. 

Wir las­sen uns das Zim­mer zei­gen und sind bei­de über­rascht. Es ist gut. Nein, es ist sogar sehr gut. Es hat ein eige­nes Bad, ein tol­le Aus­sicht über den Ort und ist super gemüt­lich ein­ge­rich­tet. Ich han­de­le noch das Früh­stück für heu­te mor­gen mit raus für die 50 Reais und wir sagen, dass wir ein paar Tage blei­ben wer­den. Wirk­lich ein guter Ver­trieb­ler, der Jun­ge. Sei­ne Hart­nä­ckig­keit hat sich für ihn aus­ge­zahlt – und die Kun­den sind glück­lich. Was will man mehr? Wir machen das, was er vor­ge­schla­gen hat – wir hau­en uns erst­mal aufs Bett. Bis zum Früh­stück haben wir noch ein­ein­halb Stun­den Zeit und so holen wir ein biss­chen Schlaf nach.

Wei­ter­le­sen: Cha­pa­da Diamantina

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10 Kommentare bisher


  1. Hi,
    wie gut/bequem war denn der Nacht­bus und es sich lohnt auf die­se Wei­se eine Nacht ein­zu­spa­ren, oder kiregt man dabei als 1.90m Mann kein Auge zu?
    Dan­ke und vie­le Grüße,
    Nils

  2. Hi Leu­te,

    mei­ne Frau und ich pla­nen auch gera­de unse­re Brasilientour.
    Und ich muss sagen, mit eurer Sei­te krie­gen wir noch viel mehr Spaß auf die Rei­se :) sehr coo­le Fotos !

    Wir star­ten in Rio und danach geht es über Igua­zu nach Sal­va­dor. Von dort wol­len wir dann in die Cha­pa­da Diamantina.
    Kön­nen wir ohne wei­te­res vor Ort ein Bus­ti­cket zie­hen und dort hin fahren ?
    Und dann auch vor Ort eine Poussa­da mie­ten und uns einen Gui­de für die Tou­ren zu den Höh­len und Was­ser­fäl­len mieten?

    Wir sind uns noch unei­nig ob wir von hier aus schon eini­ge Pousa­das und Trans­fers buchen sol­len oder lie­ber alles vor Ort.
    Was meint Ihr dazu?
    In den Groß­städ­ten soll­te das ja eigent­lich kein Pro­blem sein und wenn wir mit Ruck­sack unter­wegs sind, sind wir ja auch flexibel.
    Außer­dem ist das natür­lich auch etwas relax­ter und mit mehr Aben­teu­er :) zusätz­lich natür­lich um eini­ges güns­ti­ger. Ist es rea­lis­tisch in der Cha­pa­da und Sal­va­dor mit 20 – 30 € für zwei Per­so­nen und pro Nacht zu rechnen ?

    Über eine kur­ze Rück­mel­dung wür­den wir uns sehr freuen.…

    Gruß
    Joe

    • Hi Joe, vie­len Dank für Dei­ne Rück­mel­dung – ich benei­de Euch um Eure bevor­ste­hen­de Tour, das wird bestimmt ein ein­ma­li­ges Erleb­nis! Von Sal­va­dor in die Cha­pa­da könnt ihr ohne Pro­ble­me ein­fach vor Ort das Ticket kau­fen, aller­dings soll­tet ihr ein paar Stun­den (oder einen Tag) vor­her zum Bus­termi­nal um den Fahr­schein zu lösen. Pousa­da und Gui­de auch vor Ort. Ich wür­de mir die Fle­xi­bi­li­ät da offen hal­ten, außer­dem ist es vor Ort sicher­lich güns­ti­ger. Zu den Prei­sen kann ich nichts sagen, da es auch schon ein biss­chen her ist, dass wir da waren…
      Viel Spaß jedenfalls!
      Gunther

  3. Nicole Runnebom 31. August 2009, 10:45   »

    Tol­ler Rei­se­be­richt! Macht Spaß ihn zu lesen. Klas­se Fotos..
    Wir wer­den am Mitt­woch flie­gen, wol­len u.a. auch zur Cha­pa­da Dia­man­ti­na. Könn­test du auch mir bit­te den Namen der Pousa­da in Len­cois nen­nen?? Vie­len Dank und viel Spaß bei euren nächs­ten Reisen.Liebe Grüße

    • Hal­lo Nico­le, der Tour­anbie­ter hieß «Cir­tour», die Posa­da gehört dem Besit­zer und ist gleich neben­an! Ich wün­sche Euch viel Spaß in Bra­si­li­en und lass ger­ne mal von Dir hören, wenn Ihr zurück seid! Herz­li­che Grü­ße, Gunther

  4. Hal­lo Keast,
    natür­lich hast Du recht, dass man sich grund­sätz­lich bes­ser allei­ne etwas sucht. Aber die Hin­ter­grün­de und die Situa­ti­on habe ich ja recht aus­führ­lich erläu­tert und ich den­ke hier bei unse­ren Erleb­nis­sen ist auch deut­lich gewor­den, dass es nicht nur schwar­ze Scha­fe gibt, son­dern auch Jungs, die sich ein­fach ein paar Reais dazu­ver­die­nen müs­sen und dafür auch einen ziem­lich ordent­li­chen Job im Sin­ne einer Dienst­leis­tung erbrin­gen. So waren wir zumin­dest mit den uns jeweils ange­bo­te­nen Unter­künf­ten sehr zufrie­den. Auch preis­lich war das jeweils okay…
    Grüße
    Gunther

  5. Zwei Tipps: Ers­tens nie­mals von die­sen Leu­ten so ner­ven las­sen und sel­ber suchen; lohnt sich meiß­tens. Zwei­tens: Kei­nen Preis vor­schla­gen! Seid ihr Tou­ris­ten, ist das Ange­bot immer teu­rer als für bahia­nas. Ein­fach nachfragen.

  6. ute Hermann 22. September 2008, 21:09   »

    hal­lo

    eine genia­le und infor­ma­ti­ve sei­te mit klas­se bildern.

    am frei­tag geht unser flie­ger nach sal­va­do­re dann wol­len wir wei­ter nach cha­pa­da dia­man­ti­na, könn­test du uns viel­leicht den namen eurer pousa­da mit­tei­len und viel­leicht die agen­tur mit der ihr die aus­flü­ge machtet !!!

    bei uns geht es dann die küs­te hoch bis jeri.

    ein gros­ses dan­ke­schön für dei­ne tips

    grüs­se ute

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