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Kitesurfen auf Coche Island

Die Son­ne geht über dem Kari­bi­schen Meer auf. Es ist kurz vor Sechs Uhr mor­gens und wir ste­hen vor dem Haus des Fischers. So, wie es der Chef unse­rer Unter­kunft uns emp­foh­len hat. Vor dem Holz­haus wuseln schon eini­ge Kin­der her­um, direkt dahin­ter ist das Meer. Ich rufe: «Olà!» Eine Frau öff­net uns die Tür und sieht uns fra­gend an.

«Wir kom­men von der Posa­da» ich zei­ge mit dem Dau­men hin­ter mich «und wol­len nach Coche» erklä­re ich ihr.

«Rami­rez» ruft sie nach hin­ten und dann etwas sehr schnel­les auf Spa­nisch, das ich nicht verstehe.

Rami­rez kommt nach vor­ne. «Kommt mit» sagt er, «wir kön­nen gleich able­gen, ich muss nur noch das Boot volltanken».

Einen Moment – so schnell geht das aber nicht…

«Was soll die Fahrt denn kos­ten?» will ich wissen.

«120.000 Bvs.» sagt er bei­läu­fig und geht wei­ter in Rich­tung sei­nes Bootes.

«Hun­dert­zwan­zig.. waas??» mir fällt fast die Kinn­la­de run­ter. Ich schaue Nico an.
Jetzt sieht der so aus, als ob er gleich schlech­te Lau­ne bekä­me und mir geht es nicht anders.

El Yaque – über­set­zen nach Coche

Rami­rez setzt den Ben­zin­ka­nis­ter ab, den er gera­de in den Tank des Boo­tes ent­lee­ren woll­te, schaut uns an und sagt dann. «Na, was jetzt, wollt ihr nach Coche, oder nicht?»

«120.000» wie­der­ho­le ich. «Das ist Wucher! Wie lan­ge dau­ert die Fahrt denn?»

«Unge­fähr eine Drei­vier­tel­stun­de» sagt er. «Ich fah­re ja extra wegen Euch – und ich muss schließ­lich auch den gan­zen Weg wie­der zurückfahren.

Wie – extra wegen uns – ich dach­te der fährt sowie­so?? Das hat­te uns jeden­falls der Typ an unse­rer Posa­da gesagt.

«Und wie viel kriegt der Hals­ab­schnei­der von der Posa­da davon ab??» – ich kann mich gera­de noch zurück­hal­ten und sage das natür­lich nicht, aber jetzt wird mir eini­ges klar.

Was sol­len wir machen. Das letz­te, was wir wol­len, ist, heu­te noch in El Yaque abzu­hän­gen. Wir wol­len jetzt end­lich nach Coche! 

Dass man von El Yaque aus auch mit einem der zahl­rei­chen Tou­ris­ten-Aus­flugs­boo­te für einen Bruch­teil die­ses Prei­ses (15.000 Bvs) nach Coche über­set­zen kann, erfah­ren wir erst spä­ter – lei­der zu spät für uns.

Wir eini­gen uns mit ihm auf 100.000 Bvs, und er nimmt unge­rührt den Ben­zin­ka­nis­ter wie­der auf und fährt fort, den Motor voll zu tanken.

Als die Vor­be­rei­tun­gen abge­schlos­sen sind, bedeu­tet er uns, auf des Boot zu stei­gen. Wir legen unse­re Ruck­sä­cke so, dass sie nicht nass wer­den kön­nen und set­zen uns hin.

Der Fischer, der uns rüber­fährt nach Coche

Gemäch­lich tuckern wir in der frü­hen Mor­gen­son­ne aus der klei­nen vor­ge­la­ger­ten Lagu­ne und sau­gen die fri­sche Mor­gen­luft in uns auf. Unter einem fast unwirk­li­chen Him­mel mit einem pas­tel­le­nen Pur­pur­ton sehen wir auf einer Land­zun­ge einen ein­sa­men VW-Bul­li ste­hen – alles ist gut :-) 

Als wir das offe­ne Meer errei­chen, gibt der Fischer Gas. Schon kur­ze Zeit spä­ter tau­chen aus dem Mor­gen­ne­bel am Hori­zont die Umris­se der klei­nen Insel Coche auf.

Ein ein­sa­mer Surf­bul­li – Kli­schee pur!

Fast aus­schließ­lich aus Sand und Stei­nen bestehend, ist sie gera­de mal 11 km lang und 6 km breit. Es gibt einen klei­nen Ort und eini­ge Hotels. Außer eini­gen Salz­mi­nen im Inne­ren der Insel gibt es kei­ne Indus­trie. Tou­ris­tisch wird sie von Vene­zo­la­nern in den Feri­en und an Fei­er­ta­gen fre­quen­tiert, ansons­ten nur von All-Inclu­si­ve-Gäs­ten, die sich vor­nehm­lich dem Was­ser­sport ver­schrie­ben haben. Ent­we­der man fährt also abends wie­der zurück, oder man hat schon von zuhau­se aus ein All-Inclu­si­ve-Packa­ge gebucht. Aber das wis­sen wir zu die­sem Zeit­punkt noch nicht.

Nach unge­fähr einer hal­ben Stun­de Fahrt errei­chen wir die Insel und ehe wir uns ver­se­hen ste­hen wir mit unse­ren Sachen auf einem pul­ver­fei­nen, unwirk­lich wei­ßen Sand­strand vor tür­kis­grü­nem Wasser. 

«Ruft an, wenn ihr abge­holt wer­den wollt!» ruft uns Rami­rez zu. Noch bevor wir «von Dir bestimmt nicht» rufen kön­nen, ist er schon wie­der auf dem Rück­weg. Leicht ver­dien­tes Geld – däm­li­che Gringos!

Aber das ist uns jetzt egal. Wir gucken zwei­mal, wir gucken uns an. Kann das Rea­li­tät sein? Die­ser Strand sieht ein­fach zu per­fekt, zu kit­schig aus aus, um echt zu sein.

Para­di­se is here…

Wir beschlie­ßen, uns spä­ter um die­se «Matrix» zu küm­mern, jetzt wol­len wir uns erst­mal nach einer Unter­kunft umse­hen. Wer weiß. Hier gibt näm­lich eigent­lich nur zwei Hotels. Ein­mal das «Coche Para­di­se» direkt am Strand und etwas wei­ter hin­ten das «Bri­sas del Mar».

Wir fra­gen im «Coche Para­di­se» nach. Die­ses liegt direkt an dem traum­haf­ten Strand. Wir fra­gen an der Rezep­ti­on, ob wir ein Zim­mer haben könn­ten. Wir wer­den nur mit gro­ßen Augen ange­se­hen. Ruck­sack­tou­ris­ten ste­hen hier offen­bar nicht oft ein­fach so auf der Matte.

«Nein» ist die Ant­wort «die­ses Hotel könnt ihn nicht vor Ort buchen, nur über einen Rei­se­an­bie­ter, tut mir leid!»

Was ist das denn?? Mit sowas hat­ten wir nicht gerech­net. Was, wenn das ande­re Hotel, das «Bri­sas del Mar», genau­so funk­tio­niert? Worst-Case! Aber noch geben wir die Hoff­nung nicht auf. Wir gehen da jetzt erst­mal hin. Es liegt ein Stück die Stra­ße run­ter, etwa 250 Meter vom Strand entfernt. 

An der Rezep­ti­on tref­fen wir auf Jua­nes. Er ist offen­bar der Chefrezeptionist.

«Vou­ch­er?» sagt er. Als er unse­rern fra­gen­den Blick sieht, sagt er: «Wel­cher Rei­se­ver­an­stal­ter? Necker­mann? Tui? FTI?»

«Wir haben nicht gebucht – kön­nen wir trotz­dem ein Zim­mer haben?»

Als er fest­stellt, dass wir nicht gebucht haben, kei­ne Vou­ch­er mit­ge­bracht haben, über­legt er kurz, dann streicht ein Lächeln um sei­ne Augen und er sagt: «Ja, ihr habt Glück – ges­tern ist ein Bun­ga­low frei­ge­wor­den, den könnt ihr für 100.000 Bvs. pro Tag und Per­son haben. All Inclusive.»

«All inclu­si­ve» Wow. Das ist dann jetzt schon ein kras­ser Kon­trast zu unse­ren bis­he­ri­gen Unter­künf­ten und Rei­se­aben­teu­ern. Aber hier auf Coche ist das die offen­bar die ein­zi­ge Mög­lich­keit. Hier gibt es kei­ne Restau­rants, kei­nen Ein­kaufs­la­den, kei­ne Posadas. 

Bei dem Preis schlu­cken wir natür­lich. 100.000 Bvs. ist nicht wenig, aber ver­gli­chen mit den Prei­sen in El Yaque in Rela­ti­on gesetzt, irgend­wie immer noch okay (davon kön­nen wir immer­hin ein­mal mit Rami­rez übersetzen :-)).

«Kön­nen wir mit Kar­te zah­len?» fra­ge ich – die alles­ent­schei­den­de Frage. 

«Nein, tut mir leid, nur Bargeld.»

Ob hier wirk­lich kei­ne Kar­ten­zah­lung mög­lich ist, oder Jua­nes aus ande­ren Grün­den Bares von uns haben will, soll­ten wir nie erfah­ren – unse­re Ver­mu­tun­gen haben wir allerdings… 

Und da waren sie wie­der, unse­re klei­nen Pro­ble­me. Immer das Glei­che. Man steht auf sol­chen Rei­sen immer im Zwie­spalt, ent­we­der gefähr­lich viel Geld bei sich zu haben, oder Gefahr zu lau­fen, zu wenig dabei zu haben. Das Ver­trau­en auf die Über­all-Akzep­tanz von Kre­dit­kar­ten, stellt sich lei­der – selbst in Tou­ris­ten­ge­bie­ten – oft­mals als Irr­tum heraus.

Wir zäh­len also unser gesam­tes Geld durch. Es reicht genau für 4 Tage im Bri­sas del Mar. Damit sind dann aber auch unse­re letz­ten Boli­va­res weg. Gut, viel brau­chen wir ja auch nicht mehr – allen­falls die Rück­fahrt, und die muss deut­lich bil­li­ger wer­den, als die Her­fahrt. Und natür­lich wol­len wir Kitesurf-Equip­ment mie­ten. Das ist jetzt noch gar nicht ein­kal­ku­liert. Unse­re klei­ne Hoff­nung ist, dass wir wenigs­tens die­ses mit Kar­te zah­len kön­nen. Aber wir wer­den sehen… Eins nach dem ande­ren. Impro­vi­sie­ren kön­nen wir immer noch.

Wir wer­den uns mit Jua­nes rela­tiv schnell einig. Er macht uns einen «Kom­plett­preis» und wir schla­gen ein.

Jua­nes führt uns zu unse­rem Zim­mer. Es ist ein Bun­ga­low in der letz­ten Rei­he und macht einen sehr net­ten Ein­druck. Hin­ter einer gro­ßen Glas­tür befin­det sich ein gro­ßes Zim­mer mit zwei gro­ßen Bet­ten und einem sepa­ra­ten Bad. Für uns der pure Komfort! 

«War­te mal» – sage ich zu Nico. «Wir haben doch ‘All-Inclu­si­ve’ – es gibt doch bestimmt noch Früh­stück?» – «Nichts wie hin!» ist sei­ne Ant­wort. Früh­stück hat­ten wir ja heu­te noch nicht – und immer­hin kön­nen wir uns jetzt end­lich zurück­leh­nen. 4 Tage Coche – (fast) alles dabei!!

Was gibt es also für uns schö­ne­res, als uns an den gedeck­ten Tisch zu set­zen und das kom­plet­te Pro­gramm – und das ist wirk­lich üppig! – auf unse­re Tel­ler zu laden. 

Fri­sche Früch­te, Bröt­chen, «wie wol­len Sie Ihr Ei?» – «Ome­lett mit allem bit­te!», Kaf­fee satt, lecke­re Säf­te – wir las­sen es uns gut gehen.

Mit vol­len Bäu­chen und guter Lau­ne gehen wir nach dem Früh­stück an den Strand. 

Wir kön­nen es kaum glau­ben – ist das real?

Was soll ich sagen, er sieht immer noch aus, wie vor­hin. Kei­ne opti­sche Täu­schung also. Und das erstaun­li­che ist, hier sind kaum Men­schen! Wir haben den Strand fast für uns. Ein ange­neh­mer, kon­stan­ter Wind weht, das Was­ser ist der Traum! Wo sind die gan­zen Wassersportler?

Vor dem Coche Para­di­se Hotel ist eine Surf­sta­ti­on. Wir beschlie­ßen, hier zu fra­gen, ob wir Mate­ri­al mie­ten kön­nen (und ob Kre­dit­kar­ten­zah­lung mög­lich wäre!). Im Moment ist aller­dings noch kei­ner da. Wir war­ten einen Moment und als jemand kommt, brin­gen wir unse­re Fra­ge vor. 

«Nein, hier nicht» ant­wor­tet man uns, «aber geht mal den Strand dort hin­un­ter, dort ist die Kite­sta­ti­on, die kön­nen Euch bestimmt helfen.»

Aha. Die Kit­eta­ti­on ist unge­fähr 300 Meter wei­ter. Eine klei­ne Bret­ter­hüt­te mit gemüt­li­chen Bean-Bags davor. Zwei Mädels und ein Typ sind auch schon da und war­ten offen­bar genau wie wir, dass jemand kommt und aufschließt.

Komisch, irgend­wie kom­men mir die bekannt vor. Wir begrü­ßen sie und sie stel­len sich als Kris­tin, Susi und Jo vor. 

Oh oh – jetzt däm­mert mir, woher ich dir ken­ne: Aus diver­sen Kite-Maga­zi­nen, Vide­os und Berichten.

Wo sind wir hier nur gelan­det? Im Trai­nings­la­ger der Weltelite?

Kris­tin Böse ist gera­de Welt­meis­te­rin gewor­den, das ande­re Mädel ist Susi Mae, auch eine sehr bekann­te Kite­rin und der Typ ist Jo Cias­tul­la, Team­fah­rer von Gaastra. 

Bis auf Susi, die gewis­se Allü­ren zu haben scheint, sind sie ganz nett und auf­ge­schlos­sen, aber wir wis­sen trotz­dem nicht so recht, wor­über wir uns mit ihnen unter­hal­ten sol­len. Wir kom­men uns irgend­wie fehl am Plat­ze vor. Sie schau­en sich auf ihren Kame­ras Vide­os vom Vor­tag an und kom­men­tie­ren die Moves. Als sie anfan­gen, Air­pas­ses an einer dort auf­ge­häng­ten Bar zu üben, hof­fen wir instän­dig, dass noch ein paar nor­ma­le Leu­te kom­men – ich weiß nicht, ob wir uns sonst über­haupt aufs Was­ser trauen! :-)

Kur­ze Zeit spä­ter kommt Chris, der Chef der Kite­schu­le. Er schließt die Mate­ri­al­la­ger auf und die Pro­fis sind in kür­zes­ter Zeit auf dem Was­ser und hau­en einen Trick nach dem ande­ren raus. Respekt!

Das muss man erst­mal so hinkriegen!

Ich bin der­weil bemüht, Mate­ri­al für uns zu besor­gen. Chris ist bereit, uns Kites und ein Board zu ver­mie­ten sowie eine Bar und ein Tra­pez. Aller­dings für 280 US$ für 4 Tage. Das ist natür­lich schon recht teu­er, aber Chris weiß auch, dass ein Kiter, der hier ist und nicht kitet, sein Hob­by gleich auf­ge­ben kann. Der­ar­ti­ge Bedin­gun­gen fin­det man so kaum irgend­wo auf der Welt. Für mich ist klar, dass ich hier Kiten muss. Kos­te es was es wolle. 

Nico aller­dings ist jetzt der­je­ni­ge, der demo­ti­viert ist, weil er sich noch zu sehr als Anfän­ger fühlt, um bei dem ablan­di­gen Wind hier mit den gan­zen Pro­fis zusam­men aufs Was­ser zu gehen. Immer­hin ist er Wind­sur­fer, und nur neben­bei Kiter.

«Gun­ther, ich klin­ke mich aus. Das ist mir zu teu­er und ich kom­me bestimmt nicht mit dem ablan­di­gen Wind klar.»

So kurz vorm Ziel auf­ge­ben?? Kommt für mich nicht in Fra­ge. Ich bin total heiß dar­auf, hier zu kiten. Und ich bin bestimmt nicht hier her gekom­men, um am Strand her­um­zu­sit­zen und den Pro­fis zuzugucken.

«Nico» sage ich, «wir machen das so. Ich mie­te das Mate­ri­al. Ich will auf jeden Fall kiten. Wir kön­nen uns dann abwech­seln. Was hältst Du davon?»

«Ja mach mal Du erst­mal… dann sehen wir weiter…»

Für mich ist klar, dass er ein­stei­gen wird, sobald wir das Mate­ri­al haben und ich auf dem Was­ser war. Ein Grund ist, dass es hier gänz­lich unge­fähr­lich ist. Sein Haupt­be­den­ken, den ablan­di­gen Wind, kön­nen wir näm­lich schnell ent­schär­fen, da es hier Fischer gibt, die jeden, der abtreibt, für 10.000 Bvs. raus­ho­len und wie­der an Land fah­ren. Sogar das Ent­kno­ten der Lei­nen ist inklu­si­ve. :-) Zumin­dest solan­ge unse­re weni­gen Rest­krö­ten, abzüg­lich der Rück­fahrt, also noch rei­chen, könn­te er sich ret­ten lassen. 

Die Fischer machen sich bereit, abtrei­ben­de zu retten

Mit Chris bin ich schnell han­dels­ei­nig. Ein Kite in der pas­sen­den Grö­ße, mit der Opti­on zu welch­seln, ein Board, ein Tra­pez. Das gelie­he­ne Mate­ri­al ist natür­lich – wie immer – ver­gli­chen mit unse­rem eige­nen zu Hau­se, ein Abstieg. Aber das mir an die­ser Stel­le egal.

Und dann bin ich auf dem Was­ser. Der Wind ist warm und kon­stant, das Was­ser dadurch, dass der Wind ablan­dig über die schma­le Lan­zun­ge kommt, extrem glatt – Bedin­gun­gen wie beim Schlittschuhlaufen.

Hand­wa­sh…

Als ich auf dem Was­ser bin, ver­ges­se ich alles um mich her­um. Es ist völ­lig egal, ob hier die Welt­eli­te trai­niert. Auf dem Was­ser sind alle gleich. Ich mer­ke gar nicht, wie die Zeit ver­geht. Nach einer gefühl­ten Stun­de (oder sind es schon zwei?) gehe ich aus dem Was­ser, weil ich nach Nico sehen will. Viel­leicht hat er es sich ja über­legt. Drau­ßen steht er schon am Strand und hält es kaum noch aus. Er will es jetzt auch wis­sen. Sol­che Bedin­gun­gen bekommt man so schnell nicht wieder.

«Aber in spä­tes­tens einer Stun­de wech­seln wir» rufe ich ihm noch nach. Ich will eigent­lich gar nicht pausieren!

Nico und die Weltmeisterin

Mitt­ler­wei­le läuft an der Sta­ti­on chil­li­ge Musik und ich flet­ze mich in einen der Beam-Bags. Ist das Leben nicht schön? Das ist es! Wir woll­ten ankom­men – jetzt sind wir da. Herrlich!

Nach einer gefühl­ten Stun­de schaue ich nach Nico. Wo ist der denn?? Ich schnap­pe mir ein Fern­glas. Au Mann! Nico fährt ziem­lich weit drau­ßen her­um und kommt offen­bar nicht mehr zurück Rich­tung Land. Das ist der Nach­teil bei ablan­di­gem Wind. Wenn man noch nicht so sicher auf dem Kite­board ist – wie gesagt, Nico ist Wind­sur­fer – und es nicht schafft, Höhe zu fah­ren, das heißt, gegen den Wind auf­zu­kreu­zen, kommt man nicht zurück. Dann kann nur der Fischer hel­fen. Aller­dings ken­ne ich Nico. Und wie ich ihn ein­schät­ze, wird er alles dran set­zen, die­se Kar­te nicht zu spielen…

Und rich­tig, er ver­sucht es noch eine Wei­le und dann ent­schei­det er sich für die ein­zi­ge Alter­na­ti­ve. Er fährt bis fast ans Ende der Bucht, die sichel­för­mig einen Bogen macht. Dort steigt er aus, packt das Mate­ri­al zusam­men und läuft zurück. Inner­lich flu­che ich. Es ist scha­de um die Zeit! Hät­te er nicht den Fischer neh­men kön­nen? Dann wäre ich jetzt schon wie­der auf dem Was­ser! Aber ich kann ihn auch ver­ste­hen, die Blö­ße möch­te man sich ja nicht geben, wenn es sich ver­mei­den lässt… 

Als er zurück kommt sagt er nur: «Du bist dran! :-)»

Weil es aber schon Mit­tag ist, beschlie­ßen wir, erst­mal etwas essen zu gehen. Danach geht es dann wei­ter. So ein Luxus. Nur 500 Meter von einem der tolls­ten Kite-Spots der Erde ist unser Hotel, dort kön­nen wir soviel essen wie wir wol­len und dann gleich wie­der aufs Was­ser. Mehr geht nicht.

Nach­mit­tags bin ich dann wie­der in mei­nem Ele­ment. Ich pro­bie­re alle mög­li­chen Tricks, Nico fotografiert. 

Mei­ne Wenig­keit bei einer Backroll

Ich ver­su­che mich an einem One-Footer

Der ohne­hin schon per­fek­te Wind nimmt gegen spä­ten Nach­mit­tag noch­mal zu. Gegen halb sechs hören die Fischer auf zu arbei­ten. Ich kann mich aber noch nicht lösen und gehe mit einem neun Qua­drat­me­ter Kite raus.

Die Stim­mung ist fan­tas­tisch. Die Son­ne steht tief über dem Meer, es ist nicht mehr so heiß und es ist wird eine unver­gess­li­che Ses­si­on. Irgend­wann mel­det sich Nico. Er steht am Strand und winkt. Er will es auch noch mal pro­bie­ren. Ein Fischer ist sogar noch da – aber wer weiß, wie lan­ge noch? 

Eigent­lich hat­te Chris gesagt, dass das Leih­ma­te­ri­al bis halb sechs zurück­ge­ge­ben wer­den müss­te. Und er hat­te uns extra gefragt, ob wir sicher Höhe fah­ren kön­nen. Für mich kein Pro­blem, aber bei Nico bin ich mir seit heu­te mor­gen nicht mehr so sicher… 

Was soll ich machen, Nico will unbe­dingt. Nach 10 Minu­ten dreht auch der letz­te Fischer bei und tuckert weg. Schei­ße. Ich mache Nico ein Zei­chen, dass er schnell wie­der raus kom­men sol­le. Umsonst. Ent­we­der er ver­steht es nicht, oder kann sich ein­fach nicht lösen. Ich kann das ja nach­voll­zie­hen. An einem sol­chen Abend geht man nicht frei­wil­lig vom Was­ser. Oder – war­te mal – jetzt begrei­fe ich – er schafft es wie­der nicht, zurück zu kom­men! Mist! Jetzt ist kein Fischer mehr da, der ihn raus­ho­len kann.

Zu allem Über­fluss kommt jetzt auch noch Chris mit wüten­dem Gesicht auf mich zu. 

«Gun­ther, was ist denn da los, sag Dei­nem Kol­le­gen, er soll jetzt raus­kom­men! Ich hab Euch gesagt, dass die Mate­ri­al­mie­te nur bis 5 Uhr geht! Es ist schon sechs. Es wird höchs­te Zeit! Wenn das nicht klappt, ver­mie­te ich Euch mor­gen kein Mate­ri­al mehr»

Ich kann dem ja jetzt unmög­lich erzäh­len, dass Nico gera­de nicht so gut Höhe fah­ren kann und des­halb nicht zurück kommt… :-/

«Ja, äh, der kommt bestimmt gleich, ich hab ihm schon Zei­chen gemacht! Geh schon mal zurück, wir kom­men gleich.»

Nico Kitet in den Sonnenuntergang…

Ver­zwei­felt mache ich Nico Zei­chen aber es hilft alles nichts. Zu allem Über­fluss lässt der Wind jetzt auch noch nach und somit wird es noch schwie­ri­ger gegen den Wind auf­zu­kreu­zen. So ein Mist. Die Fischer sind weg, dem­zu­fol­ge hat Nico nur noch eine ein­zi­ge Chan­ce – er muss es noch­mal so wie heu­te mor­gen machen, bis ans Ende der Bucht fah­ren und dort aus­stei­gen. Hof­fent­lich pro­biert er jetzt nicht mehr zu lan­ge, hier raus­zu­ko­men, son­dern ent­schließt sich kurz­fris­tig den ret­ten­den Aus­weg anzu­steu­ern. So oder so – mit Chris krie­gen wir auf jeden Fall Mega-Stress, ich kann nur hof­fen, dass wir das irgend­wie wie­der hin­bie­gen und er uns nicht tat­säch­lich das Mate­ri­al für die wei­te­ren Tage verweigert!

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