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Der Abstieg – Roraima Trek, 5. Tag

Lei­der heißt es nun Abschied neh­men, vom Rorai­ma, der uns ja ges­tern noch ein­mal ein ful­mi­nan­tes und far­ben­präch­ti­ges Fina­le bei bes­tem Wet­ter gebo­ten hat. Auf dem Pro­gramm ste­hen heu­te die Etap­pen der Tage 3 und 2, das sind über 30 Kilo­me­ter – eine ganz schö­ne Stre­cke in die­sem Gelände!

Weh­mü­ti­ger Rück­blick zum Abschied…

Das Wet­ter ist schon wie­der fan­tas­tisch, ich kann gar nicht glau­ben, wie viel Glück wir damit haben. Nico und ich bre­chen als ers­te auf. Den Weg zur «Ram­pe» ken­nen wir mitt­ler­wei­le und wir trau­en uns jetzt zu, ihn allei­ne zu fin­den, ohne uns zu verlaufen.

Schwei­gend, auf den vor­lie­gen­den Marsch kon­zen­triert, und die früh­mor­gend­li­che Stim­mung genie­ßend, stei­gen wir die Ram­pe hin­ab. Lag sie beim Auf­stieg noch im Schat­ten des Rorai­mas, so scheint nun die immer höher stei­gen­de Son­ne auf die Wand und treibt uns zur Eile. Bald errei­chen wir den Was­ser­fall und kurz dar­auf den «Pass der Trä­nen», die schwie­ri­ge Pas­sa­ge. Auch die­se über­win­den wir pro­blem­los und gehen wei­ter, steil hin­ab bis der Weg, der bis­her par­al­lel zur Wand ver­lief, nach rechts in den Regen­wald abknickt, der den Rorai­ma umgibt. Der Wald bie­tet uns vor­läu­fi­gen Schutz vor der Sonne. 

An einem klei­nen Was­ser­fall fül­len wir noch ein­mal unse­re Fla­schen auf und stei­gen dann wei­ter steil berg­ab, bis wir das Basis­camp errei­chen. Der Abstieg geht ganz schön auf die Kno­chen. Wäh­rend berg­auf größ­ten­teils Kon­di­ti­on gefragt ist, bekommt man beim Abstieg buch­stäb­lich wei­che Knie, da man jeden Schritt abfan­gen muss, und der schwe­re Ruck­sack sein übri­ges tut. Ich per­sön­lich bin schon immer lie­ber berg­auf als berg­ab gegangen.

Am Basis­camp essen wir ein paar Krä­cker, fül­len unse­re Fla­schen noch ein­mal auf und war­ten auf die ande­ren. Die­se tref­fen unge­fähr nach einer hal­ben Stun­de ein und nach­dem auch sie kurz pau­siert haben, set­zen wir unse­re Wan­de­rung fort.

Nun gibt es kei­nen Schutz vor der mitt­ler­wei­le erbar­mungs­los bren­nen­den Son­ne mehr. Es ist Mit­tags­zeit. Wir gehen durch offe­ne Savan­ne. Nico und ich wech­seln uns mit der Füh­rung ab. Mal geht er vor, mal ich. Mach­mal lau­fen wir dicht hin­ter­ein­an­der her, manch­mal mit grö­ße­rem Abstand. Wir reden nicht viel, jeder ist in sei­nen Gedan­ken gefan­gen. Die Ein­drü­cke der letz­ten Tag wol­len ver­ar­bei­tet wer­den und die Anstren­gung tut ihr übri­ges. Mecha­nisch set­zen wir einen Schritt vor den anderen. 

Das Gelän­de bie­tet kei­nen Schutz mehr vor der erbar­mungs­lo­sen Sonne

Mei­ne Ver­mu­tung war rich­tig, selbst zum Foto­gra­fie­ren ist es zu heiß. Ich mache kaum Bil­der. Zwi­schen­durch hal­ten wir ein paar­mal kurz an, um zu trin­ken, aber auch mit dem Was­ser müs­sen wir haus­hal­ten. Unser ers­tes gedank­li­ches Ziel ist der Rio Kukenán. Hier wer­den wir uns erfri­schen und unse­re Fla­schen auf­fül­len kön­nen. Bis dort­hin wer­den wir mit unse­rem Was­ser aus­kom­men müssen. 

Nach wei­te­ren 3 Stun­den Wan­de­rung errei­chen wir ihn end­lich. Die Tro­cken­heit der letz­ten Tage, die wir ja als «fan­tas­ti­sches Wet­ter» erle­ben durf­ten, ist auch an dem Fluss nicht spur­los vor­bei­ge­gan­gen. Der Fluss hat auf den ers­ten Blick eini­ges von sei­ner Bedroh­lich­keit ver­lo­ren. Trotz­dem geht unser ers­ter Blick zu der Stel­le, an der wir die Stan­ge depo­niert haben. Sie ist noch da. Ich hole sie und gehe dies­mal als ers­ter durch den Fluss. Und in der Tat, die Durch­que­rung ist heu­te deut­lich leich­ter. Aber wir haben natür­lich jetzt auch schon Übung dar­in. Nach­dem auch Nico durch­ge­wa­tet ist, stei­gen wir die Ufer­bö­schung auf der ande­ren Sei­te hin­auf. Und sind sofort wie­der schweißgebadet. 

Nun haben wir noch unge­fähr eine Stun­de zu wan­dern, bis wir das Lager an dem klei­nen Flüss­chen errei­chen. Erle­digt wer­fen wir unse­re Ruck­sä­cke in den Staub. Das Auf­bau­en der Zel­te kann war­ten. Erst­mal geneh­mi­gen wir uns ein erfri­schen­des Bad unter dem klei­nen Was­ser­fall, der nahe unse­res Lagers plät­schert. Das Was­ser bil­det hier einen natür­li­chen Whirl­pool und der Mas­sa­ge­strahl von oben ist Bal­sam für unse­re Mus­keln. Dort lie­gen wir nun, las­sen das Was­ser unse­re müden Glie­der ent­span­nen und war­ten auf das Ein­tref­fen der anderen.

Ein erfri­schen­des Bad tut nach den Stra­pa­zen gut!

Unge­fähr eine Stun­de spä­ter tref­fen zunächst der Fran­zo­se, Fidel und sei­ne Beglei­te­rin ein, dann John und Freun­din, Bal­bi­na, Tho­mas und Ange­lo – unser Klei­ner, der wirk­lich ver­dammt gut durch­ge­hal­ten hat – fol­gen ihnen. Die bei­den Deut­schen – ver­mut­lich nicht nur wegen der Ziga­ret­ten­pau­sen – bil­den eine gan­ze Zeit spä­ter das Schluss­licht. Bis auf die Indi­os nut­zen auch sie alle den natür­li­chen Whirl­pool für eine Abküh­lung. Nach und nach nimmt die Hit­ze des Tages nun ab und die Lebens­geis­ter keh­ren zurück. Ein letz­tes mal bau­en wir die Zel­te auf.

Rorai­ma und Kukenán wer­den von glut­ro­ten Wol­ken eingerahmt! 

Kaum haben wir alles vor­be­rei­tet, geht die Son­ne unter und ver­ab­schie­det sich mit einem ful­mi­nan­ten Fina­le, als ob sie sagen wol­le: ver­gesst mir den Rorai­ma nicht, wenn ihr wie­der zuhau­se seid, wo auch immer das ist!

Die­ser Son­nen­un­ter­gang und die dar­auf­fol­gen­de Däm­me­rung lässt alle Stra­pa­zen ver­ges­sen. Rorai­ma und Kukenán wer­den von glut­ro­ten Wol­ken eingerahmt!

Sur­rea­ler Abschied von den Tafelbergen

Und noch ein letz­tes mal set­zen wir uns zum Abend­essen zusam­men. Längst gibt es kei­ne Stüh­le und Tische nach Kolo­ni­al­her­ren­art mehr. Bal­bi­na und ihre Beglei­ter haben zu uns Ver­trau­en gefasst – wir sind nicht mehr «irgend­wel­che Tou­ris­ten» denen man jeden Wunsch von den Augen able­sen muss und die die Indi­os nur als ihre Füh­rer und Trä­ger behan­deln, wir sind zu einem Team gewor­den. Wir haben ihnen vor­ge­lebt, dass wir ihre Bedürf­nis­se und ihre Kul­tur respek­tie­ren und sie als Gleich­be­rech­tig­te behan­deln. Und wir haben ihnen gezeigt, dass auch wir die Natur ach­ten und respek­tie­ren, so wie sie es tun. Wir haben viel von ihnen gelernt und sie in unse­re Her­zen geschlossen.

Die gemein­sa­me Zeit mit den ande­ren aus unse­rer Grup­pe war – sagen wir mal – inter­es­sant und ins­ge­samt bes­ser, als wir uns das zwi­schen­zeit­lich vor­ge­stellt hatten.
Fidel und Beglei­te­rin haben sich nach ihrer wirk­lich ver­korks­ten Vor­stel­lung («We are here for revo­lu­ti­on») als ganz ver­nünf­tig und umgäng­lich her­aus­ge­stellt. Mit John und sei­ner Freun­din sind wir auch gut zurecht gekom­men. Und unser klei­ner Ange­lo hat mit Sicher­heit die schwers­te Her­aus­for­de­rung sei­nes erst kur­zen Lebens sehr tap­fer gemeis­tert. Das­je­ni­ge acht­jäh­ri­ge deut­sche Kind, das über 100 Kilo­me­ter in 6 Tagen in einem sol­chen Gelän­de geht, ohne ein­mal zu mur­ren, möch­te ich noch ken­nen ler­nen. Die bei­den Deut­schen haben sicher­lich kör­per­lich die größ­ten Schwie­rig­kei­ten gehabt. Sie haben trotz ihrer kör­per­li­chen Ver­fas­sung gut durch­ge­hal­ten, ich glau­be aber nicht, dass sie in abseh­ba­rer Zeit noch ein­mal eine ver­gleich­ba­re Stra­pa­ze auf sich neh­men wer­den. Na ja und dann war da noch der Fran­zo­se – mit dem sind wir wirk­lich nicht warm gewor­den. Er war, ist und bleibt ein unver­bes­ser­li­ches und ner­vi­ges Plap­per­maul und ein Bes­ser­wis­ser vor dem Her­ren. Aber auch sol­che Kol­le­gen gibt es. 

Und dafür, dass wir uns unse­re Beglei­ter nicht aus­su­chen konn­ten, sind wir uns im Fazit einig: es hät­te uns deut­lich schlim­mer tref­fen können!

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Nach dem Essen machen die Indi­os ein Feu­er und wir sit­zen drum­her­um. Es ist der letz­te gemein­sa­me Abend! Die Indi­os spie­len mit uns eini­ge ihrer tra­di­tio­nel­len Spie­le und sin­gen ihre Lie­der. Auch jeder von uns soll ein tra­di­tio­nel­les Lied aus sei­nem Land zum bes­ten geben. John stimmt «Whis­ky in a Jar an», Fidel ver­sucht sich an «Yel­low Sub­ma­ri­ne» und Nico, der etwas typisch Deut­sches sin­gen soll, setzt mit «Hoch auf dem gel­ben Wagen» noch eins drauf. Es wird ein lus­ti­ger Abend! 

Als nach eini­ger Zeit die Müdig­keit und dann doch gefan­gen nimmt, machen wir uns unter einem fan­tas­ti­schen Ster­nen­him­mel ein letz­tes Mal auf den Weg in unse­re Zelte…

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