Da es in der Rundhütte letzte Nacht sehr heiß und stickig war, beschließen Nico und ich, diese Nacht draußen zu schlafen. Die Hitze ist aber nur der eine Grund. Der andere ist, dass man uns erzählt hat, dass Nachts manchmal ein Ameisenbär in das Camp käme. Den würden wir natürlich unheimlich gerne sehen…
Also hängen wir unsere Hängematten kurzerhand einfach zwischen zwei Bäumen hinter den Hütten auf. Zum Schutz gegen Moskitos kommen noch noch unsere Netze darüber.
Morgens, kurz vor fünf werde ich von einem Geräusch wach. Nico ist offenbar auch schon wach und sogar schon auf den Beinen. Ich höre, wie er mir zuflüstert – schau Dir das an – der Ameisenbär! Der Lichtkegel seiner Stirnlampe wandert den Boden entlang. Ich kann gerade gar nichts sehen, denn ich muss mich erst orientieren. Ich drehe mich also in der Hängematte und versuche das Tier mit Hilfe meiner Stirnlampe ausfindig zu machen. Nichts zu sehen. Ich frage mich, warum Nico die ganze Zeit auf mich leuchtet und nicht auf den Ameisenbär. Ich flüstere: leuchte doch mal dahin wo er ist, damit ich ihn sehe! Und er antwortet: das tue ich doch schon die ganze Zeit!Und plötzlilch begreife ich – er ist genau unter mir! Und jetzt höre ich auch schmatzende Geräusche. Ich beuge mich runter und sehe, wie er mit seiner langen Zunge die Reste aus unseren liegen gelassenen Bierflaschen schlürft… Ein echter Feinschmecker also! :-)
Ich sage zu Nico, worauf wartest Du noch, mach Fotos! Aber das muss ich ihm gar nicht sagen, er hält erst auf mein verdutztes Gesicht und dann auf dem Ameisenbären. Jetzt, wo er so dicht an mir dran ist, frage ich mich schon, ob er wirklich so friedlich ist, wie er aussieht?
Jedenfalls muss ich dringend sehen, dass ich aus der Hängematte raus komme. Aber das ist gar nicht so einfach, so lange der da direkt unter mir ist. Nico ist immer noch am fotografieren. Dem Ameisenbär stinkt das Gewusel um ihn herum offenbar etwas. Er wollte doch eigentlich nur enspannt sein Bierchen trinken! Jedenfalls geht er nun suchend zum nächsten Baum. Bier alleine schmeckt ja ohne ein bisschen Knabberzeug recht fade, und so macht er sich jetzt, quasi als kleinen Zwischensnack, über eine Ameisenstraße her, die sich den Baum hoch zieht. Mir gibt das die Gelegenheit, endlich aus der Hängematte zu steigen.
Als ich mich rausgekämpft habe, laufe ich erstmal zu meinem Rucksack und hole meine eigene Kamera. Als ich zurück bin, hat er von den vielen trockenen Ameisen wohl wieder einen mächtigen Bierdurst bekommen. Er streift also weiter umher und entdeckt kurz darauf er eine Kiste an der Außenwand der nächstgelegenen Hütte, hier lagert noch weiteres Leergut. Hier vermutet er offenbar noch den einen oder anderen Drink. Aber die Flaschen liegen da wohl schon recht lange und so ist da anscheinend nichts mehr drin. Ich glaube, er findet das gar nicht cool – die Ameisen kratzen immer noch im Hals und er braucht dringend etwas zum Nachspülen.
So ein Mist denkt er sich – «daran können ja eigentlich nur die zwei Typen, die ihn jetzt schon seit bestimmt 10 Minuten mit ihren Lampen und diesem Blitzgedingsbums nerven, schuld sein. Die haben bestimmt alles ausgetrunken und mir nichts mehr übrig gelassen!»
Gut, damit hat er wohl nicht ganz unrecht – aber deshalb muss er ja nicht gleich…
Er kommt jetzt jedenfalls direkt auf mich zu, stellt sich auf die Hinterbeine und ich bin mir nicht sicher, aber irgendwie sieht er jetzt gar nicht mehr so drollig sondern eher unfreundlich und ziemlich aggressiv aus. Ich sage «Nico, ich glaube, wir haben ein Problem!» – «Nico???» – ich drehe kurz um, soweit es möglich ist, ohne den Ameisenbären ganz as den Augen zu lassen. Nico ist weg. Aus dem Augenwinkel sehe ich eine Bewegung oben auf dem Baum, an dem eben noch die Ameisenstraße war. Der wird doch nicht… Aber er ist. Denn jetzt höre ich auch seine Stimme von da oben. Er ruft: mach, dass Du hier hoch kommst!
Witzbold. Ich habe jetzt alle Hände damit zu tun, mir den Bären vom Leib zu halten. Aufgrund der schlechten Beleuchtung ist das alles nicht so einfach. Jedes Mal wenn ich mich umschaue, ist der Ameisenbär im Dunkeln und ich sehe nicht, ob er mich angreift.
Jedenfalls geht er jetzt drohend auf mich zu und faucht mich an. Wenn ich mich jetzt umdrehe, zu dem Baum laufe und versuche, da hochzuklettern, beißt der mich mit Sicherheit in den Hintern oder attackiert mich mit seinen scharfen Krallen…
Tja, was bleibt mir anderes übrig, als in die Offensive zu gehen.
Kschsch… Nee? Hau ab!!! Hmm… Vai! Andale, andale… Wieder nichts. Das versteht er offenbar alles nicht, sondern faucht nur noch lauter. Mit rein verbaler Auseinandersetzung komme ich offenbar leider nicht weiter. Aber ist das nicht auch bei Menschen so? Ab einem gewissen Alkoholpegel ist alles Reden sinnlos…
Was bleibt mir also übrig. Und bitte versteht mich jetzt nicht falsch, ich würde nie vorsätzlich einem Tier etwas zu leide tun. Ich liebe Tiere und diesen hier mag ich eigentlich auch. Aber es ist nun mal so, dass diese Ameisenbären alles andere als harmlos sind. Sie haben an den Vorderpfoten drei wirklich messerscharfe verlängerte Klauen, die sie in solchen Situationen auch gegen Menschen einsetzen. Mit denen möchte ich wirklich keine nähere Bekanntschaft machen. Und dieser hier ist dazu auch noch angetrunken. Wie gesagt, es fällt mir nicht leicht, aber schlussendlich bleibt mir gar nichts anderes übrig, als ihm freundlich aber bestimmt eins auf die Zwölf zu geben.
Nicht so stark, dass es ihn umhaut, aber so, dass er jetzt keine Lust mehr auf eine Auseinandersetzung mit mir hat und sich missmutig trollt. Puh!
Normalerweise sind Ameisenbären eher friedliebend und verschwinden, wenn sie genervt sind oder sich bedroht fühlen. Bei diesem lag das Problem vielleicht an seinem gestörten Verhältnis zum Alkohol. Wenn wir vorher gewusst hätten, dass der Alkoholiker ist, hätten wir unsere Flaschen natürlich außerhalb seiner Reichweite versteckt… :-)
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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