Flussdurchquerungen – Roraima Trek, 2. Tag

5062009

Auf­wa­chen und aus dem Zelt schau­en ist eins: Was für eine Kulis­se! Der Son­nen­auf­gang taucht den Tepui und die Gran Saba­na in gol­de­nes Licht. Das Wet­ter scheint also wirk­lich zu hal­ten, was es ges­tern ver­spro­chen hat!

gar nicht so ein­fach bei der star­ken Strömung!

Gestört wird die ansonst per­fek­te Idyl­le nur von der Grup­pe Ame­ri­ka­ner, die das Lager bevöl­kern. Einer hat sogar ein Radio dabei. Ein Radio. Hier. War­um nur?? Auch Bal­bi­nas nett gemein­te Fra­ge «Tee oder Kaf­fee?» reißt uns aus der Bewun­de­rung für die­ses Natur­schau­spiel. Oh Mann, das geht gar nicht. Wir müs­sen nach­her unbe­dingt mal mit ihr reden…

Nico und ich packen der­weil schon­mal unse­re Sachen zusam­men um mög­lichst bald los­zu­kom­men. Wir wol­len dem Tru­bel so gut es geht ent­kom­men und haben uns daher vor­ge­nom­men, so früh wie mög­lich auf­zu­bre­chen und so die unbe­rühr­te Land­schaft genie­ßen zu können. 

Mor­gen­stund hat Gold im Mund

Plötz­lich zieht Nico sei­ne Schu­he und Socken aus, kramt aus sei­nem Ruck­sack eine Rol­le sil­ber­nes Pan­zer­tape und beginnt sich damit die nack­ten Füße zu bekle­ben. Ent­setzt star­re ich ihn an – «was machst Du denn da??» Er zeigt mir sei­ne offe­nen Füße. Offen­bar hat er sich ges­tern, am ers­ten Tag, schon mäch­ti­ge Bla­sen gelau­fen bei denen sich mitt­ler­wei­le schon die Haut abge­löst hat. Was er da macht, will mir aller­dings nicht in den Kopf: Das Tape wickelt er sich sorg­fäl­tig um die Füße und klebt es dabei direkt auf die offe­nen Stel­len – selbst beim Auf­schrei­ben wird mir noch schwin­de­lig beim Gedan­ken dar­an. Aber er schwört dar­auf. «Bes­ser als auf den offe­nen Wun­den zu lau­fen», sagt er. Ich fra­ge mich nur – wie will er das jemals wie­der abbekommen?

Die Wand des Rorai­ma – wir kom­men uns klein vor!

Zum Früh­stück gibt es Rühr­ei mit Are­pas, dazu äuße­re ich mich jetzt nicht mehr. Uns hät­ten ein paar Krä­cker gereicht. 

Gleich danach bre­chen wir auf. Bal­bi­na erklärt uns den Weg, der uns heu­te über 2 Flüs­se füh­ren wird, und sagt, wir sol­len am 2. Fluss, dem Rio Kukenán war­ten, weil uns die Indos dort hel­fen wür­den, rüber­zu­kom­men. Jaja den­ken wir – und was das heißt, weiß nicht nur der Ham­bur­ger :-) uns ist klar: das wer­den wir schön allei­ne in Angriff nehmen!

Der ers­te Fluss befin­det sich gleich am Camp, es ist der­je­ni­ge, in dem wir ges­tern abend geba­det haben. Und schon hier heißt es: Schu­he aus­zie­hen. Wir beher­zi­gen den Tipp, den die Indi­os uns noch mit­ge­ge­ben haben, und zwar, auf Socken durch die Flüs­se zu waten, um mehr Grip auf den glit­schi­gen Stei­nen zu haben. Mit unse­ren Schu­hen in den Hän­den über­que­ren wir die­sen ein­fa­chen weil sehr fla­chen Fluss. Der Grip ist wirk­lich gut, gera­de mit dem gan­zen Gepäck auf dem Rücken hät­ten wir auf den nas­sen, moo­si­gen Stei­nen sonst kaum Halt gehabt. Aber lei­der sind unse­re Socken und Nicos gan­ze Tape-Arie nach die­ser Akti­on jetzt erst­mal nass und da ich nur 2 Paar Socken mit­ge­nom­men habe, die ich nor­ma­ler­wei­se zum Wan­dern über­ein­an­der zie­he, muss ich jetzt aus­schließ­lich in den dün­nen – noch tro­cke­nen – Socken lau­fen. Mal sehen, wie sich das auswirkt. 

…dort müs­sen wir rüber!

Der Rio Kukenán kommt nach ca. 1 Stun­de Wan­de­rung in Sicht. Die Son­ne brennt mitt­ler­wei­le erbar­mungs­los auf uns hin­ab. Die ges­tern noch vor­han­de­nen ver­ein­zel­ten Wald­stü­cke gibt es hier nicht mehr. Nur Step­pe und Son­ne. Der Fluss ver­spricht aber Erlö­sung. Von einem Hügel aus sehen wir ihn und stei­gen schnell hin­ab mit der Hoff­nung auf Erfrischung.

Pan­ora­ma des Kukenán Flusses

Wow. Die­ser Fluss hat es in sich. Er ist ungleich grö­ßer, tie­fer und viel rei­ßen­der als der Ers­te. Jetzt ist unser Ehr­geiz geweckt. Natür­lich wer­den wir die Über­que­rung allei­ne pro­bie­ren. Ich lege mein Gepäck ab um erst­mal so zu che­cken, wo die bes­te Stel­le für die Über­que­rung ist.

Nico ver­sucht es direkt. Wäh­rend ich noch vor­sich­tig ins Was­ser stei­ge, ver­sucht er sein Glück schon­mal mit der Durch­que­rung. Rela­tiv schnell muss er er aller­dings auch fest­stel­len, dass das gar nicht so ein­fach ist. Wäh­rend ich mir noch mei­nen Weg ohne Gepäck suche, muss er wegen der star­ken Strö­mung an der von ihm gewähl­ten Stel­le erst­mal umkehren. 

Nico kommt zurück, und wir berat­schla­gen. Ihm fällt ein Tipp aus dem Sur­vi­val-Buch von Rüdi­ger Neh­ber ein. Neh­berg schlägt dort vor, für sol­che Fluss­durch­que­run­gen immer eine Stan­ge zur Hil­fe zu neh­men, als drit­tes Bein sozu­sa­gen, um eine bes­se­re Sta­bi­li­tät zu haben. Die Stan­ge stellt man in Fließ­rich­tung in den Fluss und stützt sich damit etwas gegen die Strö­mung. Beim Ver­set­zen eines Bei­nes oder der Stan­ge hat man so immer noch zwei wei­te­re «Stüt­zen» im Wasser. 

Wir beschlie­ßen, es mit der Stan­ge zu ver­su­chen. Nico macht sich auf die Suche nach einer Stan­ge und ich pro­bie­re der­weil eini­ge Stel­len in dem Fluss aus. Nach eini­gem expe­ri­men­tie­ren fin­de ich auch eine, die mach­bar erscheint – obwohl auch hier das Was­ser min­des­tens Hüft­tief ist und eine wirk­lich hef­ti­ge Strö­mung hat. Mit dem Ruck­sack auf dem Rücken wird das ganz schön hei­kel werden.

Nico hat mitt­ler­wei­le eine Stan­ge auf­ge­trie­ben und ver­sucht als ers­ter sein Glück an der Stel­le, die ich aus­ge­macht habe. Aber auch eine Stan­ge ist kei­ne Garan­tie: auf hal­ben Weg rutscht er ab und geht mit­samt sei­nem gan­zen Gepäck baden. Zum Glück kann er sich noch auf­rap­peln, bevor ihn die Strö­mung Fluss­ab­wärts treibt und erreicht kur­ze Zeit spä­ter das ret­ten­de Ufer. 

gar nicht so ein­fach bei der star­ken Strömung!

Ich schnap­pe mir mei­nen Ruck­sack, hän­ge mir die Schu­he um den Hals, neh­me die Stan­ge, die er mir rüber­ge­wor­fen hat, und wate ihm nach. Die Stan­ge ist eine gute Hil­fe, trotz­dem ist es in dem hüft­tie­fen Was­ser bei der Strö­mung wahr­lich nicht ein­fach, das Gleich­ge­wicht zu behal­ten. Aber zum Glück habe ich eine gro­ße Plas­tik­tü­te im Ruck­sack, in der ich alle Sachen ver­packt habe, so dass ich um mei­ne Kame­ra und den Image­tank mit den Bil­dern kei­ne so gro­ße Angst haben muss. Trotz eini­ger Schwie­rig­kei­ten kom­me ich tro­cken auf die ande­re Seite. 

Spä­ter stellt sich heru­as, dass Nico kei­ne Plas­tik­tü­te im Ruck­sack hat­te, und sein Inhalt dem­entspre­chend nass gewor­den ist. Zu allem Über­fluss hat er bei der Akti­on auch noch sein Mes­ser ver­lo­ren. Aber immer­hin sind wir auf die ande­re Sei­te gekom­men, ohne frem­de Hil­fe in Anspruch zu nehmen.

Schon zuhau­se, als ers­tes eine gro­ße Müll­tü­te in den Ruck­sack packen, so dass die­se ganz außen liegt. Alle ande­ren Sachen kön­nen dann da hin­ein gepackt wer­den. So ist man immer gegen Regen und ande­re Even­tua­li­tä­ten geschützt und muss nicht erst auf­wän­dig ein Regen­cape über den Ruck­sack zie­hen oder vor einer Fluss­durch­que­rung alles auspacken

Jetzt kön­nen wir ent­spannt auf Bal­bi­na und die ande­ren war­ten, noch ein erfri­schen­des Bad neh­men und gemüt­lich dabei zuse­hen, wie sie den Fluss bezwin­gen. Der­weil packt Nico sei­ne Sachen aus, um sie auf den war­men Stei­nen zu trocknen.

Zwi­schen Kukenán und Rorai­ma tür­men sich die Wolken

Zwan­zig Minu­ten spä­ter tau­chen die ande­ren auf der gegen­über­lie­gen­den Sei­te des Flus­ses auf. Bevor sie sich an die Über­que­rung machen, neh­men sie erst­mal ein Bad. Und dann kommts. Wäh­rend sie im Was­ser plan­schen, las­sen sie sich «the easy way» ihre Ruck­sä­cke von den Indi­os rüber­brin­gen. Geht’s noch? Selbst Fidel, unser gro­ßer Aben­teu­rer, ist sich nicht zu scha­de, sich sei­ne Sachen rüber­tra­gen zu las­sen. Wir schau­en fas­sungs­los zu.

Mit einer gewis­sen Genug­tu­ung sehen wir, dass der Indio die glei­che Tech­nik wie wir anwen­det. Und, dass er trotz­dem – wie wir – sei­ne Schwie­rig­kei­ten bei der Über­que­rung hat. Wir sind jeden­falls froh und stolz, dass wir es allei­ne geschafft haben, wo blie­be denn sonst das Abenteuer?!

Cap­tain Silverfeet

Nico hat mitt­ler­wei­le sei­ne Füße erneut getaped… Sei­ne Bla­sen sind mitt­ler­wei­le noch hef­ti­ger gewor­den und ich nen­ne ihn «Cap­tain Sil­ver­feet» wegen des gan­zen sil­ber­nen Duck-Tapes. Und ich weiß jetzt auch, wie er das Tape von den offe­nen Stel­len wie­der abbekommt… :-/

Als alle drü­ben sind, set­zen wir uns wie­der an die Spit­ze und zie­hen stramm durch, um vor den ande­ren zu lau­fen. Der Auf­stieg heu­te ist wesent­lich anstren­gen­der als ges­tern. Ins­be­son­de­re die Son­ne macht uns zu schaffen.

die Hit­ze macht uns ganz schön zu schaffen!

Gegen 3 Uhr nach­mit­tags kom­men Nico und ich an dem Base­camp direkt unter­halb des Rorai­ma an. Wir sind schon etwas erle­digt, bau­en aber als ers­tes unser Zelt auf, wir haben ja noch die freie Platz­wahl. Wir stel­len es so, dass wir sowohl die impo­san­te, alles über­ra­gen­de Wand es Rorai­ma direkt über uns sehen, als auch einen fan­tas­ti­schen Aus­blick auf die Gran Saba­na, die mitt­ler­wei­le schon etwas unter uns liegt, haben. Lei­der muss ich fest­stel­len, dass auch ich mir mitt­ler­wei­le ein paar Bla­sen ein­ge­fan­gen habe. Das Wan­dern in den dün­nen Socken hat also doch sei­ne Fol­gen gehabt… Mer­ke: Nächs­tes Mal 2 Paar dicke Socken mitnehmen! 

Wir ent­span­nen jeden­falls jetzt erst­mal bei ein paar Cra­ckern und fri­schem Quell­was­ser und war­ten auf die anderen…

Pan­ora­ma des mäch­ti­gen Rorai­ma Massivs

End­lich – am Base­camp am Fuße des Rorai­ma angekommen!

Hat Dir der Artikel gefallen?

Dann melde Dich doch bitte zu meinem kostenlosen Newsletter an. Dann bekommst Du eine Nachricht bei neuen Artikeln und Du wirst auch exklusiv als erstes über neue Workshops und Reisen informiert! Außerdem gibt es dort auch immer wieder Hintergrund-Infos, die so nicht im Blog stehen.

Natürlich freue ich mich auch sehr, wenn Du mir bei YouTube, Instagram und Facebook folgst.

Alle Inhalte © Gunther Wegner

*) Mit einem Stern gekennzeichnete Links sind externe Partner-Links. Ihr unterstützt mich, wenn ihr darüber bestellt. Alternativ könnt ihr auch über folgende Direktlinks in die Shops wechseln:
Amazon.de, Amazon.at, Amazon.com, Foto Koch, Augenblicke-Eingefangen, camforpro.com.
Über meine Zusammenarbeit mit externen Partnern habe ich hier ausführlich geschrieben. Danke!

Werbung

Wir freuen uns über Deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ein Kommentar bisher


  1. Mallory Farrugia 25. Oktober 2010, 21:30   »

    Hel­lo,

    I’m wri­ting regar­ding the use of 2 of your pho­to­graphs in an upco­ming book of moun­tain pho­to­gra­phy. I emai­led you via flickr seve­ral months ago but did not recei­ve a respon­se. My edi­tor very much wants your pho­tos in her book, so plea­se wri­te me back as soon as possible.

    Thank you.

    Best,
    Mal­lo­ry Farrugia

Unsere Empfehlungen*

  • Astrofotografie: Spektakuläre Bilder ohne Spezialausrüstung!
  • Excire Search für Lightroom: Bilder finden statt Suchen!
  • Foto Koch
  • Lutufy.Me LUTs für Lightroom, Premiere, Davinci etc.
  • Artlist - freie Musik für eure Videos!
  • Motion Array - Vorlagen, Plugins etc. für euren Videoschnitt!
Wir nutzen diese Produkte selber, bekommen aber eine kleine Provision, wenn ihr über diese Links kauft.

Letzte Kommentare

  • Gunther: Ok, ich nehme den Artikel mal raus, hab da lange nichts mehr bestellt.... (→ weiterlesen)

  • Andreasw: Ich hatte in 2018 auch bei ZOR bestellt, war zufrieden. Ich frage mich aber was da grad los ist - ich hatte jetzt erst übers Kontaktformular angefragt, dann vor drei Werktagen per Mail, keine Reaktio... (→ weiterlesen)

  • Alois Micheler: Danke für diese Mitteilung, ich fotografiere viel abends in der Kirche (abends) - nehme da durchwegs M - 5,6 / 30 das geht soweit ganz gut - will nur keinen Blitz verwenden. Werde einmal diese Blend... (→ weiterlesen)

  • Jens Neckermann: Mir ist schleierhaft, warum ich die Focus-Moduswahl zwar auf (z.B.) Fn3 legen kann, nicht aber im Gegenzug die (schwerer zugängliche) Focus-Modustaste nicht frei mit was anderem belegen kann.... (→ weiterlesen)

  • Stefan: Hallo, ich habe auch die D7500 und nutze in dunklen Räumen auch die Zeitautomatik und ISO-Automatik. Die habe ich auf ISO 6400 begrenzt und manchmal je nach Situation die Belichtungszeit auf min 1... (→ weiterlesen)