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Organisationstalente – Roraima Trek, 1. Tag

Heu­te soll es also end­lich so weit sein. Sechs Tage raus aus der Zivi­li­sa­ti­on. Ein irgend­wie frem­des, aber auch phan­tas­ti­sches Gefühl! Wann hat man in der heu­ti­gen Zeit denn noch die Gele­gen­heit – ja die Chan­ce – das zu erle­ben: eine Woche ohne Com­pu­ter, Tele­fon, Han­dy, Ein­kaufs­mög­lich­kei­ten, ärzt­li­che Ver­sor­gung. Eine Woche ohne Netz und dop­pel­ten Boden. Ohne all die Din­ge also, die uns heu­te im All­tag so selbst­ver­ständ­lich gewor­den sind, dass wir gar nicht mehr dar­über nachdenken. 

…und dort wol­len wir hin!

Wir sind um 10 Uhr bei dem «Dicken», wie wir den Chef von «Rorai­ma Tours» genannt haben, wo wir unse­re Trek­king-Tour gebucht haben. Er ist uns immer noch recht unsym­pa­thisch, aber was sol­len wir machen, eine ande­re Tour war ja nicht zu bekom­men. Und er kommt ja zum Glück nicht mit, son­dern ist ja «nur» dafür zustän­dig, das gan­ze zu orga­ni­sie­ren. Das kann ja nicht so schwie­rig sein – oder? 

Um halb Elf soll es los gehen. Die­se ver­blei­ben­de hal­be Stun­de nut­zen wir, um die­je­ni­gen Aus­rüs­tungs­ge­gen­stän­de, die wir in der nächs­ten Woche nicht benö­ti­gen wer­den, aus unse­ren Ruck­sä­cken zu neh­men und sie in eine gro­ße Plas­tik­tü­te zu ver­pa­cken. Die Plas­tik­tü­te kle­ben wir vor­sichts­hal­ber sorg­fäl­tig zu – man weiß ja nie. Wir depo­nie­ren sie in einem Abstell­raum bei bei dem Dicken. 

Mit­neh­men tun wir also nur das nötigs­te. Ins­be­son­de­re sind das 2 Trink­fla­schen, war­me Sachen zum Anzie­hen (Zwie­bel­scha­len­prin­zip), ein paar leich­te Flip-Flops für die abend­li­che Zeit «nach den Wan­der­schu­hen», unse­re Schlaf­sä­cke und natür­lich die Kame­ra Aus­rüs­tung. Letz­te­re macht bei mir schon einen guten Anteil am Gewicht des Ruck­sa­ckes aus. Ein Gehäu­se, zwei Objek­ti­ve, Spei­cher­kar­ten, Akkus, ein klei­nes Sta­tiv und so weiter.

Die rest­li­che Zeit, bevor es los geht, nut­ze ich, um an dem Inter­net-Rech­ner des Dicken noch eine Email an Dia­na zu schrei­ben. Danach wird sie erst­mal eine Woche nichts von mir hören. Lei­der fällt kurz vor dem Absen­den der EMail der Strom aus und der gan­ze lan­ge Text ist weg…

Ich fas­se das jetzt als end­gül­ti­ges Zei­chen dafür auf, dass es für uns Zeit wird, die moder­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­mit­tel hin­ter uns zu lassen!
Um Elf geht es dann end­lich los. Wir fah­ren ein­ein­halb Stun­den mit dem Gelän­de­wa­gen, zunächst nach San Fran­cis­co de Yuru­aní, wo Bal­bi­na, unse­re Gui­de für die nächs­ten Tage, zusteigt. Sie ist eine India­ne­rin und macht einen sehr, sehr net­ten Eindruck.

…er ist viel­leicht 8 Jah­re alt und soll die 120-Km-Wan­de­rung mitmachen!

Noch eine hal­be Stun­de geht es mit dem Jeep dann wei­ter nach Parai­te­puy, dem klei­nen India­ner­dorf, bei dem der Ein­gang zum Natio­nal­park ist und unser Trek star­ten soll.

Wun­der­schö­ne Gran Sabana

Außer uns und Fidel plus Beglei­te­rin sind noch zwei Eng­län­der dabei und ein klei­ner Jun­ge. Das erstaunt uns! Er ist viel­leicht 8 Jah­re alt, und wir kön­nen uns beim bes­ten Wil­len nicht vor­stel­len, dass er den Trek mit­ma­chen soll! Wir wen­den uns also an unse­ren Fah­rer und es stellt sich her­aus, dass der Dicke dem Vater des Jun­gen einen Gefal­len schul­dig gewe­sen sei und ihm schon vor lan­ger Zeit ver­spro­chen habe, den Klei­nen ein­mal mit­lau­fen zu las­sen. Und aus­ge­rech­net heu­te ist es nun soweit, er soll mit uns zusam­men die 120-Km-Wan­de­rung machen!

Wir sind natür­lich extrem skep­tisch. Ein so klei­nes Kind dabei zu haben, birgt ja auch eine ziem­li­che Ver­ant­wor­tung. Wir machen uns schon sor­gen, dass die gan­ze Unter­neh­mung in Gefahr gera­ten könn­te, soll­te der Klei­ne irgend­wann nicht mehr mit­hal­ten kön­nen. Wir wis­sen ja auch nicht, wel­che Wet­ter­si­tua­tio­nen uns erwar­ten und was sonst noch so alles auf uns zukommt…

Aber was sol­len wir machen! Im Moment ist von Erschöp­fung bei dem Klei­nen jeden­falls noch nichts zu spü­ren. Ganz im Gegen­teil. Der Lüt­te erzählt mir in einem Fort irgend­wel­che Geschich­ten in einem Spa­nisch, das ich – wenn über­haupt – nur mit aller­größ­ter Mühe ver­ste­hen kann. 

Als er dann auch noch anfängt, mir poli­ti­sche Wit­ze zu erzäh­len, die ich nicht ver­ste­he, kommt mir ein genia­ler Geis­tes­blitz: Wer könn­te sich bes­ser mit einem 8‑jährigen über das poli­ti­sche Sys­tem in Vene­zue­la aus­tau­schen als unser Freund Fidel! 

Schnell mache ich die bei­den mit­ein­an­der bekannt. Fidel: Lüt­ter – Lüt­ter: Fidel. Und was soll ich sagen: es klappt her­vor­ra­gend! Fidel kann ziem­lich gut spa­nisch und die bei­den pas­sen auch inhalt­lich ganz toll zuein­an­der! Und ich bin erlöst und kann mich erst­mal wie­der der vor­bei­zie­hen­den Land­schaft zuwenden!

Der Mount Kukenán, der Nach­bar-Tepui vom Roraima

Am Hori­zont sehen wir die Kulis­se der Tafel­ber­ge in unter­schied­lichs­ten For­men. Grü­ne Savan­ne und frucht­ba­re Wäl­der wech­seln sich davor ab. Die Stra­ße nach Paray­te­pui ist eine Schot­ter­pis­te, die aber in einem leid­li­chen Zustand ist. 

Man soll­te sich, wenn man die Tour auf eige­ne Faust orga­ni­siert, für die Stre­cke von San Fran­cis­co de Yuru­aní nach Paray­te­pui auf jeden Fall eine Fahr­ge­le­gen­heit orga­ni­sie­ren. Es sind doch etli­che Kilo­me­ter, die sonst in pral­ler Son­ne auf dem wenig attrak­ti­ven Schot­ter­weg zu lau­fen wären.

Paray­te­pui selbst ist ein klei­nes India­ner­dorf am Ran­de des Rorai­ma Natio­nal­parks. Die Bewoh­ner leben haupt­säch­lich von den Füh­run­gen, die sie hier anbie­ten. Der Ort mit sei­nen india­ni­schen Rund­hüt­ten ist recht male­risch anzusehen. 

Am Ein­gang des Natio­nal­parks stei­gen wir aus und laden erst­mal unse­re Ruck­sä­cke vom Dach des Jeeps ab. Es gibt hier einen klei­nen Unter­stand, in den wir erst­mal alles depo­nie­ren. Es stellt sich her­aus, dass auch noch zwei wei­te­re India­ner mit auf den Trek kom­men sol­len. Sie sol­len die Koch­sa­chen und das Essen tra­gen. Wir sind total über­rascht, denn das hat­te uns vor­her kei­ner gesagt. Wir sind die gan­ze Zeit davon aus­ge­gan­gen, dass die Gemein­schafts­uten­si­li­en (Kocher, Töp­fe etc.) auf alle Teil­neh­mer auf­ge­teilt wür­den und jeder auch sei­nen Anteil des Essens tra­gen wür­de. Wir haben doch extra Platz in unse­ren Ruck­sä­cken geschaffen!

Das Meis­te ist für eine sol­che Wan­de­rung völ­lig unbrauchbar!

Als nächs­tes laden wir all das aus, was von dem Dicken und sei­ner Trup­pe für den Trek ein­ge­kauft wur­de. Als wir sehen, was da alles zum Vor­schein kommt, kön­nen wir es kaum glau­ben. Unmen­gen an Essen, Töp­fe, Kocher, Besteck und alles mög­li­che – vor allem schwe­re – Zeugs. Einem gro­ben Über­schlag nach reicht das für min­des­tens 10 Per­so­nen und wir sind gera­de mal zu sechst. Na gut – mit dem Lüt­ten zu siebt. Das schlimms­te ist aber: Fast alles davon ist für eine sol­che Wan­de­rung völ­lig unbrauchbar! 

Orga­ni­sa­ti­ons­ta­len­te!

Es ist wirk­lich unglaub­lich, was da zum Vor­schein kommt: Ket­chup­fla­schen, Majo­nai­se-Glä­ser, Kon­ser­ven­do­sen, Mar­me­la­den­glä­ser, Geträn­ke­do­sen, kilo­wei­se Zucker, Mehl, Kaf­fe, Tee, Instant­ge­trän­ke, Was­ser­me­lo­nen, Mar­ga­ri­ne­töp­fe, Ölfla­schen, und, und, und…

Und ganz abge­se­hen davon, dass kein nor­ma­ler Mensch soviel und so schwe­res Zeug auf eine Trek­king-Tour mit­schlep­pen wür­de, fra­gen wir uns natür­lich, wer das alles tra­gen soll? Was haben die sich dabei gedacht? Machen die das zum ers­ten Mal? Denn selbst mit den zwei zusätz­li­chen Trä­gern, und einer Auf­tei­lung auf uns alle, wür­den wir das bestimmt nicht alles mit­neh­men können… 

Das ein­zi­ge, was wir bekom­men ist ein Zelt und nach lan­gem hin und her noch eine Isomatte

Aber bevor wir uns dar­um küm­mern, ist für Nico und mich erst­mal am wich­tigs­ten, unse­re per­sön­li­che Aus­rüs­tung zu kom­plet­tie­ren. Wir hat­ten ja ein Zelt, zwei Iso­mat­ten und einen dicke­ren Schlaf­sack für Nico bei dem Dicken bestellt. Aber – wen wun­dert das jetzt noch – es kommt, wie es kom­men muss: Natür­lich hat er die­se für uns essen­zi­ell wich­ti­gen Din­ge ver­ges­sen ein­zu­la­den. Wir hat­ten ihn zwar extra heu­te mor­gen noch­mal erin­nert, uns aber dann lei­der auf sein «ja, natür­lich» ver­las­sen und das vor dem Ein­stei­gen nicht noch­mal kon­trol­liert. Schei­ße. Das ein­zi­ge, was wir bekom­men, ist ein Zelt und nach lan­gem hin und her noch eine Iso­mat­te. Die ande­ren Sachen sind schlicht und ergrei­fend nicht da. Und auch nicht herbeizuzaubern.

Und es ist ja von dem Dicken und sei­ner Agen­cy, die das hier alles zu ver­ant­wor­ten haben, natür­lich kei­ner hier, den wir mal gehö­rig in sei­nen Aller­wer­tes­ten tre­ten könnten.

Das Essens­the­ma wer­den wir wohl lösen kön­nen, ich mei­ne, was brau­chen wir denn letz­ten Endes groß an Essen für die 6 Tage? Aber ohne aus­rei­chen­de Aus­rüs­tung auf den Rorai­ma zu gehen, ist ein ande­res Kali­ber. Das hat nichts mit Anstel­le­rei zu tun. Das ist leicht­sin­nig. Bei den hie­si­gen Wet­ter­be­din­gun­gen kann es dort oben nachts Minus­gra­de geben. Ohne Schlaf­sack und Iso­mat­te auf nack­tem Fels zu über­nach­ten ist kein spa­ßi­ges Aben­teu­er mehr, son­dern kann wirk­lich gefähr­lich werden.

Nico und ich berat­schla­gen, was zu tun ist. Her­zau­bern kön­nen wir die feh­len­de Aus­rüs­tung jetzt ja nicht mehr. Also müs­sen wir impro­vi­sie­ren. Zum Glück haben wir ja war­me Sachen dabei, die müs­sen wir zum Schla­fen dann unter­le­gen und uns even­tu­ell mit der Iso­mat­te abwechseln.

Mitt­ler­wei­le hat Bal­bi­na ange­fan­gen, das Essen zu ver­tei­len. Wir schla­gen vor, die unmög­li­chen Din­ge (Zucker, Kon­ser­ven­do­sen, Mar­me­la­den­glä­ser, Ket­chup, Majo etc.) radi­kal hier zu las­sen. Die braucht kein Mensch. Die sinn­vol­len Din­ge, also Nudeln, Reis, Cra­cker etc. wür­den wir dann auf alle auf­tei­len. Aber davon wol­len die Indi­os inter­es­san­ter­wei­se nichts wis­sen. Offen­bar haben sie die Anwei­sung, alles mit­zu­neh­men und Angst vor dem Dicken, wenn sie es nicht tun. Sie fan­gen also an, auf­zu­tei­len. Bal­bi­na ver­teilt zunächst die Koch­sa­chen an die Indi­os. Dann kommt das Essen dran. Und die Pro­ble­me gehen wei­ter. Fidel und Beglei­te­rin sind Vege­ta­ri­er. Fleisch wol­len sie nicht nur nicht essen, son­dern auch nicht tra­gen. So lang­sam sind wir von die­ser Ver­an­stal­tung hier etwas genervt.

Das gan­ze Pro­ce­de­re des Sachen ver­tei­len zieht sich hin. Die Trä­ger haben eine Waa­ge, an die sie ihre Ruck­sä­cke immer wie­der hän­gen. Laut Ver­trag erklä­ren sie uns, müs­sen sie nicht mehr als 15 Kilo tragen.
Zurück­las­sen will Bal­bi­na aber auch nichts. Dass da irgend­was nicht zusam­men passt, müss­te ihnen doch jetzt auch lang­sam mal klar werden.

Wir machen noch­mal den Vor­schlag, und hier sind wir uns auch zum ers­ten Mal mit Fidel einig: Lasst uns die Trek­king-geeig­ne­ten Sachen (Nudeln, Reis, Kek­se etc.) mit­neh­men und den Rest hier lassen.

Die Ran­ger wer­den lang­sam unge­dul­dig… Nach 15:00 darf kei­ner mehr in den NP!

Lang­sam däm­mert es auch Bal­bi­na, dass das der ein­zi­ge gang­ba­re Weg ist. Erschwe­rend kommt hin­zu, dass mitt­ler­wei­le auch die Park-Ran­ger schon zwei­mal da waren und gefragt haben, wann wir denn nun end­lich star­ten wür­den. Nach 15:00 wür­den sie näm­lich kei­nen mehr rein lassen.

Nun kommt end­lich ein biss­chen Bewe­gung in die Sache. Bal­bi­na fragt uns bei den ein­zel­nen Din­gen, ob wir sie mit­neh­men wol­len oder nicht.

Und jetzt wird es ganz span­nend! Denn plötz­lich sol­len Nico und ich nichts tra­gen, son­dern nur die Ande­ren. Das kön­nen wir nun gar nicht mehr ver­ste­hen. Was soll das? Bal­bi­na äußert sich selbst auf mehr­fa­che Nach­fra­ge zum War­um auch nicht rich­tig, son­dern druckst nur herum. 

Uns wird das alles jetzt hier end­gül­tig zu bunt. Es ist mitt­ler­wei­le kurz vor Drei und wir eiern hier immer noch ergeb­nis­los rum. Es ist defi­ni­tiv Zeit zu han­deln. Ich sage zu Nico: «Komm, wir packen jetzt die Sachen in unse­re Ruck­sä­cke, die wir für 6 Tage als abso­lu­tes Mini­mum brau­chen, so als wür­den wir allei­ne gehen und dann kön­nen die uns mal». Gesagt, getan. Wir packen uns von dem gro­ßen Hau­fen alles das ein, was uns sinn­voll erscheint. Tun­fisch, tro­cke­ne Kek­se und aus­rei­chend Nudeln. Gera­de soviel, wie wir für die Zeit benö­ti­gen, ohne von den Ande­ren abhän­gig zu sein.

Wir sind auf ein Aben­teu­er ein­ge­stellt und nicht auf einen Luxusurlaub

Die ande­ren tei­len auch weit­hin sinn­lo­ses Zeug auf, aber am Ende bleibt noch ein rie­si­ger Hau­fen Lebens­mit­tel übrig. Wenn man das sieht, wird einem noch­mal das Aus­maß des Blöd­sinns klar, der hier betrie­ben wird.

Ein wei­te­res Miss­ver­ständ­nis hat es offen­bar zwi­schen Fidel und dem Dicken gege­ben. Der Dicke ist davon aus­ge­gan­gen, dass er ein­kauft und Fidel das dann trägt und Fidel ist davon aus­ge­gan­gen, dass er selbst ein­kauft und sein eige­nes Zeug mit­nimmt. Das heißt, Fidel und sei­ne Beglei­te­rin haben auch noch für sich selbst Essen ein­ge­kauft, und wol­len daher von dem ande­ren gar nichts tragen.

Aber wie dem auch sei, Nico und ich wis­sen, dass wir auch völ­lig aut­ark die­se Woche über­le­ben kön­nen. Das Wich­tigs­te haben wir jetzt ein­ge­packt, dazu neh­men wir noch ein paar von den Sachen, die Bal­bi­na unbe­dingt mit­neh­men möchte. 

Ich mei­ne – wir sind hier doch auf ein Aben­teu­er ein­ge­stellt und nicht auch einen Luxusurlaub! 

Den gan­zen Berg an übrig geblie­be­nen Lebens­mit­teln ver­tei­len wir an die Indi­os des Dor­fes, die auf Zuruf eines unse­rer Trä­ger sehr schnell her­bei­ge­eilt sind. In null­kom­ma­nix sind die Sachen weg. 

Somit hat die gan­ze Sache doch noch etwas gutes, die Indi­os kön­nen damit bestimmt eini­ge Tage lang ihre Fami­li­en ernäh­ren. Scha­de nur, dass wir durch die gan­ze Akti­on soviel Zeit ver­lo­ren haben. 

End­lich, kurz vor 3 Uhr, kom­men wir los. Aber nicht, ohne vor­her Bal­bi­na und ihren Indi­os hoch und hei­lig zu ver­spre­chen, dem Dicken nach unse­rer Rück­kehr ja nicht zu sagen, dass wir Essen da gelas­sen haben. 

v.l.n.r.: Der Lüt­te, Fidel und Beglei­te­rin, Balbina

Wir pas­sie­ren den Ein­gang zum Natio­nal­park und hin­ter uns machen die Ran­ger auch gleich eine Ket­te vor den Ein­gang. Heu­te kommt kei­ner mehr rein. 

Kaum sind wir unter­wegs, ist auch schon fast alles ver­ges­sen und wir tau­chen in die­se wahn­sin­ni­ge Land­schaft ein. Das Ziel haben wir immer vor Augen: den Mt. Rorai­ma direkt vor uns. Wo das Wort «direkt» hier schwer zu fas­sen ist: die tat­säch­li­che Ent­fer­nung und Grö­ße die­ses Mas­sivs ist für uns nur sehr, sehr schwer ein­zu­schät­zen. Wir wis­sen zwar, dass die Wand des Rorai­ma ca. 1.000 Meter hoch ist, das ist für uns aber über­haupt nicht fassbar.

Immer wie­der geht es durch frucht­ba­re Täler mit Bachläufen

Links und rechts sehen wir noch ande­re Tepuis. Der Weg schlän­gelt sich durch die Step­pe und kreuzt immer wie­der Bach­läu­fe, an deren Ufern sich eine üppi­ge Regen­wald­ar­ti­ge Vege­ta­ti­on gebil­det hat. Das Was­ser kön­nen wir gefahr­los direkt aus dem Bach trin­ken. Da wo es her kommt, gibt es kei­ne Men­schen, die es ver­un­rei­ni­gen könnten. 

Dafür gibt es aber hier Men­schen, die inner­halb des Natio­nal­parks die Step­pe anzün­den, wie wir lei­der fest­stel­len müs­sen. Direkt neben dem Pfad brennt es auf hun­der­ten Qua­drat­me­tern. Hei­ßer, bei­ßen­der Qualm schlägt uns ent­ge­gen, als wir vor­bei­ge­hen. Wir kön­nen das nicht fas­sen und auch die Indi­os haben kei­ne Erklä­rung dafür. Sicher sind sie sich aber, dass das Feu­er von Men­schen gelegt wur­de. Das käme hier öfter vor.

War­um um alles in der Welt steckt man die Savan­ne in einem Natio­nal­park an??

Wir kön­nen das ein­fach nicht begreifen!

Irgend­wann rich­te ich es so ein, dass ich neben Bal­bi­na lau­fe. Ich unter­hal­te mich ein biss­chen mit ihr und dann fra­ge ich sie unter vier Augen noch­mal, war­um sie uns nichts zum Tra­gen geben woll­te. Jetzt, wo sie in der Wild­nis ist, hat auch sie offen­bar die Zwän­ge, denen sie ja ganz offen­sicht­lich auch unter­liegt, abge­wor­fen und erzählt was da wirk­lich los war. Offen­bar haben Fie­del und die zwei Eng­län­der mit dem Dicken einen Deal gemacht. Und zwar, dass sie all ihre Sachen allei­ne Tra­gen und dafür zwei Trä­ger ein­ge­spart wer­den. Dafür haben sie die gan­ze Tour um eini­ges güns­ti­ger bekom­men als wir. Im Gegen­zug müss­ten wir gar nichts tra­gen, und die ande­ren wür­den, gemein­sam mit den Trä­gern auch noch unse­ren Anteil übernehmen.

Für sich selbst haben die Indi­os nur ganz leich­te tro­cke­ne Mani­ok-Fla­den dabei. Nicht mehr.

Was für ein Schla­mas­sel! Wir füh­len uns von dem Dicken der­ar­tig hin­ter­gan­gen und getäuscht! Ich habe eine Stink­wut auf ihn. War­um hat er uns nicht gesagt, dass in dem Preis für die Tour auch Trä­ger für das Gepäck ent­hal­ten sind? Er hat uns ja in völ­li­ger Unkennt­nis gelas­sen. Wir waren doch ohne­hin davon aus­ge­gan­gen, alles sel­ber zu tra­gen! Wenn wir gewusst hät­ten, dass das anders geplant ist, dann hät­ten wir ihm die Trä­ger mit Sicher­heit auch weg­ver­han­delt. Das Ergeb­nis der gan­zen Sache ist jetzt, dass wir – selbst­ver­ständ­lich – unse­re Sachen alle sel­ber tra­gen aber trotz­dem den vol­len Preis bezahlt haben im Gegen­satz zu den ande­ren, die genau so viel tra­gen, aber deut­lich weni­ger gezahlt haben.

Die Aus­wahl an Unsinn die da ein­ge­kauft wur­de, kann mir aller­dings auch Bal­bi­na nicht erklä­ren. Sie schüt­telt dazu nur trau­rig den Kopf. Für sich selbst haben die Indi­os nur ganz leich­te, tro­cke­ne Mani­ok-Fla­den dabei. Nicht mehr.

Ein wun­der­schö­ner Was­ser­fall – mit ca. 800 Metern nicht viel klei­ner als der Sal­to Angel…

Da kom­men wir her…

Das Rorai­ma Mas­siv mit unse­rem ers­ten Nachtlager

Nach ca. 3 Stun­den wirk­lich atem­be­rau­ben­der Wan­de­rung kom­men wir an unser ers­tes Etap­pen­ziel. Es däm­mert mitt­ler­wei­le schon und wir haben den Ein­druck, dem Tepui ein schö­nes Stück näher gekom­men zu sein. Stolz bli­cken wir in bei­de Rich­tun­gen und wol­len gera­de, als wir unser Zelt auf­bau­en, alles Ver­gan­ge­ne ver­ges­sen, da müs­sen wir fest­stel­len, dass auch hier nichts zusam­men­passt. Aargh! Die eine Zelt­stan­ge ist zu kurz, und das Außen­zelt passt nicht zu dem Innen­zelt. Geni­al. Egal. Irgend­wie krie­gen wir es hin­ge­stellt und gehen uns dann erst­mal die Gegend ansehen. 

Das Lager liegt direkt an einem Fluss, den wir mor­gen früh als aller­ers­tes durch­wa­ten müs­sen. Direkt beim Lager ist ein klei­ner Was­ser­fall und wir nut­zen die Gele­gen­heit zu einem Bad vor traum­haf­ter Kulisse.

Ein sagen­haf­ter Tepui

Die Son­ne geht unter und Wol­ken umrah­men nun die Tafelberge

Als es dun­kel wird, beschlie­ßen Nico und ich, Nudeln zu kochen. Wir gehen also zu Bal­bi­na und bit­ten sie um den Kocher. Sie kann das gar nicht ein­ord­nen und wird ganz ner­vös. Sie sagt es gäbe gleich Essen, ob wir ihr nicht viel­leicht noch 10 Minu­ten geben könnten?

Jetzt ver­ste­hen wir gar nichts mehr. Aber lang­sam däm­mert uns, was wir da wirk­lich für eine Tour gebucht haben! Bal­bi­na und ihre zwei Beglei­ter füh­len sich näm­lich von vor­ne bis hin­ten für alles ver­ant­wort­lich. Sie kochen und machen und ver­su­chen wirk­lich jedem jeden Wunsch von den Augen abzu­le­sen! Sie bewir­ten und bemut­tern uns der­art, dass es uns mehr als unan­ge­nehm ist. Statt selbst zu kochen, müs­sen wir rum­sit­zen und abwar­ten, was wir ser­viert bekom­men. Es nützt aber alles Reden nichts, hier sol­len wir uns nicht nütz­lich machen. 

Das Essen ist dann der tota­le Stil­bruch. An einem Plas­tik­tisch und Plas­tik­stüh­len, die in dem Lager rum­ste­hen, gibt es Reis mit Huhn. Reis mit Huhn??? Habe ich etwas ver­passt? Ich dach­te wir hat­ten die unsin­ni­gen Sachen aus­sor­tiert?? Offen­bar haben sie es also doch noch geschafft, irgend­wie Huhn mit­zu­neh­men. Offen­bar in einer der Kis­ten, in die wir nicht rein­ge­se­hen haben.

Nico stellt einen tref­fen­den Ver­gleich mit der Kolo­ni­al­her­ren­zeit an

Klar, es schmeckt gut, aber das ist nun wirk­lich nicht das, was wir unter einem Trek­king-Aben­teu­er ver­ste­hen. Und in die­sem Punkt sind wir uns aus­nahms­los alle einig.

Wir alle wol­len das nicht, kön­nen aber hier nicht viel machen. Alle unse­re Ein­wän­de sto­ßen bei Bal­bi­na auf tau­be Ohren. Die Här­te ist aber, dass die Indi­os auch gar nicht mir uns gemein­sam essen wol­len oder wahr­schein­lich bes­ser: dür­fen! Sie essen ihre Mani­ok­fla­den nach­dem wir fer­tig sind. 

Wie wir da so sit­zen an unse­rem Plas­tik­tisch und bewir­tet wer­den. Nein das geht gar nicht. Nico stellt einen – wie ich fin­de tref­fen­den – Ver­gleich mit der Kolo­ni­al­her­ren­zeit an. Wie traurig!

Oh, wir wün­schen uns so, wir hät­ten die­se tol­le Wan­de­rung auf eige­ne Faust gemacht! Und wir ver­flu­chen – nicht zum ers­ten und nicht zum letz­ten Mal – den Dicken, dass er die­se lie­bens­wer­ten Men­schen so behandelt!

Nach dem Essen gehen wir dann gleich schla­fen. Für den ers­ten Tag hat­ten wir genug Aben­teu­er. Und ich hat­te heu­te den gan­zen Tag Hals­schmer­zen. Kein Wun­der nach der Bus­fahrt, die ja auch erst zwei Tage her ist. Ich muss jetzt echt auf­pas­sen, dass da nichts nach kommt. Die nächs­ten 5 Tage sind so kost­bar und ich brau­che all mei­ne Kräfte!

Kurz nach dem Dun­kel­wer­den taucht der Voll­mond die Land­schaft in sein sil­ber­nes Licht. Ich gehe also doch noch ein­mal zum Was­ser­fall hin­un­ter um eini­ge Nacht­auf­nah­men zu machen. Die Stim­mung ist fan­tas­tisch. Und der Ster­nen­him­mel ist trotz des Voll­mon­des einzigartig!

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