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Täuschungsmanöver

Als ob er mei­ne Gedan­ken gele­sen hat, fährt Nico jetzt einen lan­gen Schlag nach rechts und ich hof­fe instän­dig, dass er jetzt schnell ver­sucht, das ret­ten­de Ufer zu errei­chen, und nicht wei­ter­hin pro­biert, auf­zu­kreu­zen. Wir sind schon lan­ge über der Zeit und es wird gleich dunkel.

Zum Glück fährt er wei­ter und wei­ter, bis er nur noch ganz klein zu sehen ist. Dann sehe ich, wie er als klei­ner Punkt am Ende der Bucht den Strand erreicht. Puh, zumin­dest an Land ist er schon­mal. Bleibt da noch das Pro­blem mit Chris. Wenn er sieht, dass Nico nicht mehr da ist, wird er bestimmt aus­flip­pen und uns mor­gen sein Mate­ri­al nicht mehr zur Ver­fü­gung stellen.

Shit, was soll ich nur machen? Bis Nico alles zusam­men­ge­rollt hat, und den kilo­me­ter­lan­gen Weg am Strand bis hier her zurück­ge­legt hat, wird bestimmt min­des­tens noch eine hal­be Stun­de ver­ge­hen. Ich beschlie­ße, die Flucht nach vor­ne anzu­tre­ten und mit Chris zu sprechen.

Ich gehe zur Sta­ti­on und sehe, das Chris mit eini­gen ande­ren an der Bar steht und ein Bier in der Hand hält. Ich stel­le mich dazu und sage: «Alles klar Chris!» und dann «War ja ein echt gei­ler Tag heu­te! Per­fekt. Sol­che Bedin­gun­gen hat­te ich ja wirk­lich sel­ten. Dar­auf brau­che ich erst­mal ein Bier!» Er reicht mir eins. «Prost!» sage ich. Er stößt mit mir an. «Ich habe Dich vor­hin kiten gese­hen, Respekt!» sage ich zu ihm. Und das ist wirk­lich nicht über­trie­ben. Wir hat­ten ihn vor­hin kurz auf dem Was­ser beob­ach­ten kön­nen und sein radi­ka­ler Stil hat­te uns schwer beein­druckt. Defi­ni­tiv muss er sich aus unse­rer Sicht vor den Pro­fis, die hier trai­nie­ren, nicht verstecken. 

Chris über­zeugt uns mit sei­nem radi­ka­len Stil

«Ich war die letz­ten 2 Jah­ren vene­zo­la­ni­scher Meis­ter» sagt er, nicht ohne Stolz.

«Das erklärt natür­lich eini­ges!» sage ich. «Wie lan­ge lei­test Du denn die Sta­ti­on hier schon?»

Chris beginnt zu erzäh­len, dass er frü­her Wind­sur­fer war, dann mit dem Kiten begon­nen habe und nun seit unge­fähr zwei Jah­ren die Sta­ti­on lei­te. Und jetzt kommt er rich­tig ins Erzäh­len. Von sei­ner Zeit als Wind­sur­fer und dem Umstieg aufs Kitesurfen. 

Kitesurf-Para­dies Coche Island

Ich freue mich über jede Minu­te, die ver­geht und in der Chris nicht merkt, dass Nico noch nicht wie­der da ist.

«Weißt Du» sagt er, «das Kitesur­fen gibt der Sur­fe­rei eine ganz neue Dimen­si­on!», sei­ne Augen leuch­ten. Er greift in den Kühl­schrank und holt noch zwei Bier raus.

«Wir kön­nen das Bes­te aus den Sport­ar­ten Wel­len­rei­ten, Wind­sur­fen und Wake­boar­den kom­bi­nie­ren, das ist ein­ma­lig. Wir kön­nen wie die Wel­len­rei­ter rie­si­ge Wel­len abrei­ten und den Kite dazu nut­zen, uns hin­ein­zie­hen zu las­sen. Die Wel­len­rei­ter brau­chen dafür bei gro­ßen Wel­len Jet­skis, wir nur unse­re Kites. Wir kön­nen hal­sen und über Wel­len sprin­gen wie die Wind­sur­fer, aber dar­über hin­aus auch rich­tig hohe Sprün­ge mit Unter­stüt­zung des Kites machen. Und auch Wake­boar­den kön­nen wir. Aber wo die Wake­boar­der ein Kabel oder ein Boot brau­chen, haben wir unse­ren Kite. Die­se Viel­sei­tig­keit ist ein­fach fantastisch.»

Die Pro­fis klop­pen einen nach dem Ande­ren raus…

«Ja» sage ich, «es ist wirk­lich groß­ar­tig. Wir brau­chen kei­ne exter­ne Hil­fe, kei­nen Motor, der Lärm oder Gestank macht und kön­nen die­sen Sport natur­ver­bun­den aus­üben, wann und wo wir wol­len. Nur Wind und Was­ser braucht man – und davon habt ihr ja hier im Überfluss!»

«Wo kitet ihr denn so – zuhau­se in Deutsch­land?» fragt Chris. Ich hof­fe instän­dig, dass ihm wei­ter­hin nicht auf­fällt, dass Nico noch immer nicht zurück ist.

«Wir fah­ren meis­tens nach Feh­marn, eine Insel in der Ost­see. Dort gibt es auch sehr gute Bedin­gun­gen – zwar nicht so warm und tür­kis­grün wie hier, und der Wind ist auch nicht so regel­mä­ßig und häu­fig wie hier, aber für deut­sche Ver­hält­nis­se ist Feh­marn wirk­lich klas­se! Einer der bes­ten Orte zum Kiten in Deutsch­land. Dadurch dass es eine klei­ne Insel ist, kön­nen wir bei jeder Wind­rich­tung fah­ren und errei­chen dort jeden Spot in maxi­mal 20 Minu­ten. Wir haben Flach­was­ser, manch­mal klei­ne Wel­len und eine wun­der­schö­ne Natur.»

Zuschau­en kann auch schön sein!

«Hört sich gut an», sagt er. «Wie warm ist es denn da?»

«Naja, im Som­mer fah­ren wir mit kur­zem Anzug, im Win­ter kann es schon­mal Minus­gra­de haben.»

«Minus­gra­de?? – Brr.. Nicht wirk­lich oder?»

«Doch» sage ich – «dann gehen wir mit titan­be­schich­te­ten 5mm Anzü­gen, Hand­schu­hen und Neo­pren­hau­ben aufs Wasser»

«Oh – na, da lobe ich mir doch die Kari­bik!» sagt er und pros­tet mir mit sei­ner Bier­do­se zu. Mit einem gro­ßen Schluck trinkt er sie leer und frag dann: «Willst Du noch eins?»

Hal­lo!

In dem Moment kommt Nico auf die Sta­ti­on zu. Chris sitzt mit dem Rücken zum Strand und sieht ihn daher zum Glück nicht, wie er mit zusam­men­ge­roll­tem Kite in der einen, und dem Board in der ande­ren Hand durch den Sand stapft. Ich sage: «Nein dan­ke, ich gehe jetzt mal was essen.»

«Na gut, wie Du willst!» sagt er, steht auf und geht in die Hüt­te, um noch ein Bier zu holen. Das ist mei­ne Chance.
Ich gebe Nico ein unmiss­ver­ständ­li­ches Zei­chen, dass er ja nicht her­kom­men sol­le son­dern mit dem Equip­ment hin­ter die Hüt­te ver­schwin­den sol­le! Er begreift sofort, biegt nach rechts ab und geht an der Hüt­te vor­bei, wo er Board und Kite verstaut. 

Das war knapp. Gera­de kommt Chris wie­der aus der Hütte.

Ich ste­he auf. «Mach’s gut Chris, bis morgen!»

«Die Sachen habt ihr wie­der in der Hüt­te verstaut?»

«Ja sicher, alles ordent­lich weggepackt!»

«Dann bis mor­gen!», sagt er und dann wen­det er sich wie­der den ande­ren zu und steigt in deren Gespräch ein.

Schnell ver­schwin­de ich neben der Sta­ti­on und fan­ge Nico ab.

Und wie­der geht ein wun­der­schö­ner Tag zuende…

«Schö­ne Abend­stim­mung da drau­ßen auf dem Was­ser» sagt er. «Ich bin an unse­rer Strand­bar vor­bei­ge­kom­men – da habe ich gedacht, ich brin­ge uns mal was zu trin­ken mit!» Er reicht mir eine Dose Bier.

Ich sage «Klas­se, gute Idee! Die neh­men wir am Bes­ten mit auf den Weg. Ich hab näm­lich einen ganz schö­nen Hunger!»

«Alles klar!» sagt er «lass uns was essen gehen – außer­dem müs­sen wir end­lich mal die Cock­tails an der Bar probieren…»

Fei­er­abend für heute

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