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Afrika Hautnah – Folge 19 – Ihaha, unser Albtraum

Mor­gens ver­las­sen wir Sen­ya­ti und fah­ren die uns nun schon bekann­te Stre­cke an der Cho­be-River­front ent­lang. Die River­front ist sicher­lich eine der land­schaft­lich ein­drucks­volls­ten Gegen­den in Bots­wa­na und an Tier­reich­tum kaum über­trof­fen. Natür­lich nimmt auch hier der Tou­ris­mus ste­tig zu wir sehen eini­ge Jeeps mit Tou­ris­ten der Lodges hier ent­lang fah­ren, Indi­vi­du­al­fah­rer sehen wir nur sehr wenige.

Es gibt meh­re­re par­al­lel ver­lau­fen­de Pis­ten; eine ver­läuft meist ganz unten am Was­ser und bie­tet die spek­ta­ku­lärs­ten Aus­bli­cke. Eine oder meh­re­re Pis­ten ver­lau­fen wei­ter oben, die­se sind natür­lich nicht so beein­dru­ckend, aber auch hier las­sen sich vie­le Tie­re sehen. Eini­ge Abschnit­te der was­ser-nahen Pis­te sind lei­der über­flu­tet und der­zeit nicht mehr befahr­bar – der Cho­be hat gera­de eine Men­ge Was­ser, das haben wir ja schon bei den Vic­to­ria-Fäl­len haut­nah erle­ben dür­fen.

Schon auf der Hin-Tour hat­ten wir hier eini­ge Stel­len aus­ge­macht, die nicht befahr­bar waren und auf dem GPS mar­kiert. Daher las­sen wir die­se jetzt aus und fah­ren bei den ent­spre­chen­den Pas­sa­gen oben herum.

Plötz­lich taucht links von unse­rem Auto ein Ele­fant auf und ich schaue dort hin, neh­me den Fuß vom Gas als Dia­na plötz­lich hek­tisch «Stopp!» ruft.

War­um ist sie denn so auf­ge­regt? Klar, Ele­fan­ten sind toll aber die­se sehen wir hier doch am lau­fen­den Band. Ich will daher gera­de «Jaja, ich habe ihn gese­hen» sagen, da sehe ich aus dem rech­ten Augen­win­kel, noch etwas ande­res – näm­lich den Grund für ihre Aufregung.

Direkt vor uns uns am Stra­ßen­rand liegt ein impo­san­ter männ­li­cher Löwe im Schat­ten einer Aka­zie. Wir haben ihn viel zu spät gese­hen, daher sind wir natür­lich viel zu dicht an ihn her­an­ge­fah­ren. Ich stop­pe das Auto also kei­ne fünf Meter von ihm entfernt.

Auch wenn unser Auto nun steht, hat der Löwe nun so gar kei­ne Lust auf uns. Miss­mu­tig aber ohne sich Stress zu machen, steht er auf, offen­sicht­lich genervt davon, dass wir sei­ne Ruhe gestört haben, und über­quert die Stra­ße vor uns in Rich­tung des gegen­über­lie­gen­den Gebüsches.

Dia­na fährt hek­tisch ihre Schei­be hoch, da der Löwe jetzt ca. einen Meter ent­fernt an ihrer Bei­fah­rer­sei­te vor­bei­geht und ich rufe ihr laut zu:

«mach Fotos!!».

Ich selbst habe zwar die Kame­ra mit dem 300mm Tele auf dem Schoß, aber dafür sind wir viel zu dicht dran. Ich fah­re also von mei­ner Sei­te aus ihre Schei­be wie­der run­ter und rufe erneut „Foto­gra­fier’ ihn!“ – sie hat mit dem 70–200 hier deut­lich bes­se­re Chan­cen. Und jetzt begreift auch sie, dass das die Chan­ce auf ein ein­ma­li­ges Bild ist und ihre Angst weicht dem Fotografen-Ehrgeiz.

Ganz gemäch­lich trot­tet der Löwe nun in das Gebüsch und ver­schwin­det aus unse­rem Gesichtsfeld.

Wow. Das war dicht.

Und der Kol­le­ge groß! So lan­ge haben wir jetzt nach Löwen gesucht, und aus­ge­rech­net, als wir am wenigs­ten damit gerech­net haben, steht er direkt vor uns!

Nach­dem wir uns wie­der gesam­melt haben, fah­ren wir wei­ter. Der nächs­te Abzweig ist wie­der einer, den wir auf dem Hin­weg schon als Über­flu­tet mar­kiert hat­ten, trotz­dem fah­ren wir run­ter. Viel­leicht ist das Was­ser heu­te nied­ri­ger und viel­leicht gibt es doch einen Weg da durch.

Wir fah­ren eini­ge Kilo­me­ter an dem wun­der­schö­nen Ufer des Cho­be ent­lang, dann errei­chen wir die über­flu­te­te Pas­sa­ge, vor der wir auf dem Hin­weg schon an der ande­ren Sei­te stan­den. Sie ist ca. 500 Meter lang und ich kann auch kaum abschät­zen, wie tief sie ist. Ein durch­wa­ten schei­det aus, da hier immer wie­der Kro­ko­di­le vor uns ins Was­ser glei­ten. Ich gehe die Pas­sa­ge also ein­mal zu Fuß ober­halb ab, um aus­zu­lo­ten, ob wir sie ggf. links umfah­ren kön­nen. Wei­test­ge­hend könn­te das funk­tio­nie­ren, an einer Stel­le aller­dings ste­hen die Büsche so dicht, dass ich ins Was­ser aus­wei­chen müss­te. Hier ist aller­dings das Ufer extrem schräg, so dass ein Gewis­ses Risi­ko bestün­de, umzu­kip­pen – gera­de mit dem schwe­ren Zelt auf dem Dach.Und wir sind hier nicht alleine…

Shit. Ich wür­de es trotz­dem ger­ne versuchen.

Zurück bei Dia­na berich­te ich ihr (das mit dem umkip­pen natür­lich nicht) und schla­ge vor, es zu pro­bie­ren. Sie ist strikt dagegen.

„Lass uns doch jetzt nicht leicht­sin­nig sein, stell mal vor, wir fah­ren uns fest“ nur wegen der paar Kilo­me­ter Umweg.

Mir geht es ja gar nicht um die Kilo­me­ter. Ich hät­te ein­fach Lust auf das Aben­teu­er. Aber wenn man zu zweit unter­wegs ist, kann man ja nicht immer sei­nen Kopf durch­set­zen und sie hat sicher­lich recht, wenn sie auf Num­mer sicher gehen will. Immer­hin hat­ten wir bis­her – teu teu teu – echt Glück, kei­ne Pan­ne und uns auch noch nicht fest­ge­fah­ren. Man soll­te sein Glück auch nicht herausfordern.

Also fah­ren wir zurück.

Aber was ist das? Gera­de ein­mal 500 Meter von der Stel­le, an der wir eben gewen­det haben, steht jetzt eine rie­si­ge Ele­fan­ten-Her­de, trinkt und badet. Sie ste­hen im Was­ser, sie ste­hen auf dem Weg, sie ste­hen über­all. Da kom­men wir auf kei­nen Fall durch.

„Oh nein“ sagt Dia­na, da kön­nen wir nicht durch fah­ren. Viel­leicht hät­ten wir es doch durch das Was­ser ver­su­chen sol­len – hier geht es auf kei­nen Fall.

„Dann müs­sen wir eben war­ten“ – wie lan­ge das dau­ern kann, haben wir ja schon mehr­fach erlebt –  2 Stun­den sind gar nichts, wenn Ele­fan­ten erst mal am Was­ser sind. So ste­hen wir also hier in der pral­len Son­ne und schau­en dem Trei­ben zu. Es sind etli­che Kühe dabei mit Jung­tie­ren. Ein „ein­fach durch­fah­ren“ also defi­ni­tiv nicht empfehlenswert.

Wir war­ten und warten.

„Doch durchs Was­ser fah­ren?“ fragt Dia­na irgend­wann – aber jetzt, wo ich hier schon wie­der zurück gefah­ren bin, will ich auch nicht mehr.

Also war­ten wir wei­ter. Irgend­wann sind die meis­ten Ele­fan­ten-Kühe mit ihren Babys im Was­ser und die ande­ren ste­hen etwas abseits des Weges. So. Jetzt oder nie. Ich star­te den Motor und dann fah­ren wir lang­sam auf die Trup­pe zu. Das ist immer span­nend, wir wis­sen nicht, wie sie reagie­ren wer­den. Männ­li­che Tie­re kön­nen Aggres­sio­nen zei­gen, wenn man ihnen zu nahe kommt – da gibt es rich­ti­ge „Machos“ – die weib­li­chen sowie­so, wenn man ihren Babys zu nahe kommt. Ein Bul­le dreht sie zu uns um, stellt die Ohren aus­ein­an­der (die ers­te Warn­ges­te) und trom­pe­tet (die zwei­te Warn­ges­te) – bis hier­hin ist das noch Ange­be­rei. Die drit­te Warn­ges­te – und nun defi­ni­tiv kein Spaß mehr, wäre, wenn er die Ohren anle­gen wür­de und mit gesenk­tem Kopf auf uns zu ren­nen wür­de. Aber soweit kommt es zu Glück nicht, ich gebe Gas und wir pas­sie­ren unbe­scha­det die Trup­pe, die sich nun wie­der ihrem Bad zuwendet.

So nun aber wei­ter, Rich­tung Ihaha.

Plötz­lich sehen wir Boo­te mit Ran­gern, die einen Ele­fan­ten aus dem Fluss ber­gen. Das ist natür­lich ein Schock in die­ser ver­meint­li­chen Idyl­le. Wir den­ken sofort an Wil­de­rei, und, dass dass hier der Grenz­fluss nach Nami­bia ist.

Gedan­ken schie­ßen uns durch denk Kopf, die uns auch spä­ter noch beglei­ten soll­ten: auf die­ser Sei­te – ein Natio­nal­park mit einer Unzahl an Ele­fan­ten, auf der ande­ren Sei­te mög­li­cher­wei­se Begehrlichkeiten.

Wir fah­ren wei­ter, kurz vor Iha­ha sehen wir einen wei­te­ren toten Ele­fan­ten im Fluss lie­gen. Die­ser offen­bar noch unent­deckt. Ich mar­kie­re die Stel­le auf dem GPS. Wir wer­den das am Gate melden.

In Iha­ha, einem Camp auf hal­ber Stre­cke der River­front, sind wir wie­der mal die ein­zi­gen Gäs­te. Beim pas­sie­ren des Gates, berich­te ich einem der Ran­ger von dem Ele­fan­ten und zei­ge ihm die Stel­le auf unse­rem GPS. So rich­tig beein­druckt wirkt er nicht, meint aber, sie wür­den das che­cken, sobald das Auto wie­der da wäre. Im Moment sei es noch in Kasa­ne unter­wegs. Na das kann ja dauern.

Auf die Fra­ge, ob es sich dabei um Wil­de­rei han­de­le ant­wor­tet er nur aus­wei­chend „we will have to check“.

Wir fah­ren zu unse­rem Camp. Es liegt male­risch direkt am Fluss unter einem hohen Baum. Eigent­lich ist die­ser Platz ein­fach ein Stell­platz direkt am Fluss. Genau so als ob wir an dem was­ser­na­hen Weg, den wir ent­lang gefah­ren sind, unser Camp auf­ge­schla­gen hät­ten. Traum­haft. Eigentlich.

Lei­der gehen uns die zwei toten Ele­fan­ten nicht aus dem Kopf. Und auch die Infor­ma­ti­on, die wir schon von unter­schied­li­cher Sei­te gehört hat­ten, dass es auf die­sem Platz schon Über­fäl­le und Dieb­stäh­le gege­ben habe, beru­higt uns nicht gera­de. Wir las­sen uns die Stim­mung aber nicht ver­der­ben, kochen gemüt­lich und machen dann ein Feu­er. Als es dun­kel wird, fährt ein Jeep mit Ran­gern bei uns vor­bei und fragt, ob alles in Ord­nung sei.

Klar, sagen wir.

Wir sol­len uns nicht sor­gen, mei­nen die bei­den. Sie und die Poli­zei wür­den die gan­ze Nacht über hier Patrouil­le fahren.

Aha. „War­um?“ fra­ge ich.

Es hät­te hier schon Pro­ble­me gege­ben, wir bräuch­ten uns aber kei­ne Sor­gen zu machen.

Na klas­se, da schläft man ja gleich viel bes­ser. War ich vor­her noch eini­ger­ma­ßen ent­spannt, kann ich das nun nicht mehr behaup­ten. Das Feu­er zeigt ja nun jedem poten­zi­el­len Angrei­fer auf der ande­ren Sei­te der Gren­ze (Nami­bia), ein­deu­tig, dass jemand auf dem Platz ist. Und nur ein Feu­er bedeu­tet auch nur eine Par­tei. Die ande­ren Plät­ze sind näm­lich nach wie vor leer. Wir und die Ran­ger (wo immer sie dann sein mögen) also gegen die Angrei­fer von der ande­ren Sei­te der Gren­ze. Na klas­se. Bis­her haben wir uns in Bots­wa­na sicher gefühlt. Siche­rer, als in allen ande­ren Län­dern, die wir bis­her bereist haben. Auf die­sem Camp ist das lei­der anders. Da kann die Natur noch so schön sein.

Unse­rer Ver­mu­tung bezüg­lich der Ele­fan­ten ist ja, dass sie von Wil­de­rern vom Boot aus geschos­sen wur­den. In der Abge­le­gen­heit hier könn­ten die dann sicher­lich ohne wei­te­res das Elfen­bein klau­en  und sich in die Dun­kel­heit der Nacht abset­zen. Der ein­zi­ge Trost ist, dass wir das Boot ja eigent­lich schon vom Wei­ten aus hören müss­ten, wenn es denn mit Motor käme – aber davon gehe ich eigent­lich aus.

Ich ver­su­che mei­ne Sor­gen vor Dia­na zu ver­ber­gen, da sie mitt­ler­wei­le sehr ner­vös ist und immer wie­der fragt. «Hast Du das Geräusch vom Fluss auch gehört? Ist das ein Boot?»

Als das Feu­er run­ter gebrannt ist, gehen wir ins Zelt. Zum ers­ten mal neh­me ich Pfef­fer­spray und Mes­ser mit nach oben, was auch immer das im Not­fall brin­gen würde.

Da hier so ein fan­tas­ti­scher Nacht­him­mel ist, muss ich es ein­fach wagen und stel­le mei­ne Kame­ra über Nacht für einen Zeit­raf­fer an. Jetzt ist es auch egal, wenn wir über­fal­len wer­den, dann kommt es auf die Kame­ra auch nicht mehr an…

Alle hal­be Stun­de kommt die Patrouil­le vor­bei. Dadurch wer­den wir immer wie­der aus unse­rem Halb­schlaf geweckt. Zwi­schen den Patrouil­len kann ich aber auch nicht schla­fen. Jedes Geräusch schreckt mich auf, war das ein Motor? Oder ein Ruder­schlag? Ich füh­le mich hier wie auf dem Präsentierteller.

Dass die Patrouil­le mit ihren Schein­wer­fern mei­ne gan­ze Zeit­raf­fer-Sequenz rui­niert ist mir jetzt gera­de völ­lig egal. Spä­ter in der Nach­be­ar­bei­tung soll­te ich dann fest­stel­len, dass dadurch eine der ein­drucks­volls­ten Sequen­zen der gan­zen Rei­se dadurch fast wert­los gewor­den ist – es soll­te mich Tage kos­ten, sie eini­ger­ma­ßen zu Retten.

So eine Nacht kann ganz schön lang sein.

Oh wie seh­ne ich mich nach den Näch­ten, in denen uns die Tie­re des Schla­fes beraubt haben, das war anders – im Ver­gleich regel­recht entspannt.

Irgend­wann ist aber dann auch die längs­te Nacht zu Ende. Und das, ohne zum Glück, ohne dass sich unse­re Befürch­tun­gen bewahr­hei­tet haben. Um halb sechs ste­hen wir auf. Wir haben ges­tern Abend noch alles zusam­men­ge­packt und müs­sen also nur das Zelt ver­stau­en, dann geht es los. Dies­mal ohne Kaf­fee, es ist ja fast noch dun­kel. Das Gate ist zu die­ser Zeit noch nicht besetzt, von den Ran­gern auch kei­ne Spur. Uns egal, wir wol­len hier ein­fach nur weg.

Wir fah­ren zurück. Nun zum drit­ten Mal an der River­front ent­lang. Nach kur­zer fahrt geht die Son­ne glut­rot vor uns über dem Cho­be auf. Male­risch. So lang­sam ver­fliegt die Stim­mung der letz­ten Nach und wir sind wie­der drin – in „unse­rem“ Bots­wa­na. Wo wir uns bis­her so wohl gefühlt haben. Iha­ha ver­bu­chen wir als „land­schaft­lich schön, aber ver­dammt spooky“.

Son­nen­auf­gang am Chobe

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