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Flussdurchquerungen – Roraima Trek, 2. Tag

Auf­wa­chen und aus dem Zelt schau­en ist eins: Was für eine Kulis­se! Der Son­nen­auf­gang taucht den Tepui und die Gran Saba­na in gol­de­nes Licht. Das Wet­ter scheint also wirk­lich zu hal­ten, was es ges­tern ver­spro­chen hat!

gar nicht so ein­fach bei der star­ken Strömung!

Gestört wird die ansonst per­fek­te Idyl­le nur von der Grup­pe Ame­ri­ka­ner, die das Lager bevöl­kern. Einer hat sogar ein Radio dabei. Ein Radio. Hier. War­um nur?? Auch Bal­bi­nas nett gemein­te Fra­ge «Tee oder Kaf­fee?» reißt uns aus der Bewun­de­rung für die­ses Natur­schau­spiel. Oh Mann, das geht gar nicht. Wir müs­sen nach­her unbe­dingt mal mit ihr reden…

Nico und ich packen der­weil schon­mal unse­re Sachen zusam­men um mög­lichst bald los­zu­kom­men. Wir wol­len dem Tru­bel so gut es geht ent­kom­men und haben uns daher vor­ge­nom­men, so früh wie mög­lich auf­zu­bre­chen und so die unbe­rühr­te Land­schaft genie­ßen zu können. 

Mor­gen­stund hat Gold im Mund

Plötz­lich zieht Nico sei­ne Schu­he und Socken aus, kramt aus sei­nem Ruck­sack eine Rol­le sil­ber­nes Pan­zer­tape und beginnt sich damit die nack­ten Füße zu bekle­ben. Ent­setzt star­re ich ihn an – «was machst Du denn da??» Er zeigt mir sei­ne offe­nen Füße. Offen­bar hat er sich ges­tern, am ers­ten Tag, schon mäch­ti­ge Bla­sen gelau­fen bei denen sich mitt­ler­wei­le schon die Haut abge­löst hat. Was er da macht, will mir aller­dings nicht in den Kopf: Das Tape wickelt er sich sorg­fäl­tig um die Füße und klebt es dabei direkt auf die offe­nen Stel­len – selbst beim Auf­schrei­ben wird mir noch schwin­de­lig beim Gedan­ken dar­an. Aber er schwört dar­auf. «Bes­ser als auf den offe­nen Wun­den zu lau­fen», sagt er. Ich fra­ge mich nur – wie will er das jemals wie­der abbekommen?

Die Wand des Rorai­ma – wir kom­men uns klein vor!

Zum Früh­stück gibt es Rühr­ei mit Are­pas, dazu äuße­re ich mich jetzt nicht mehr. Uns hät­ten ein paar Krä­cker gereicht. 

Gleich danach bre­chen wir auf. Bal­bi­na erklärt uns den Weg, der uns heu­te über 2 Flüs­se füh­ren wird, und sagt, wir sol­len am 2. Fluss, dem Rio Kukenán war­ten, weil uns die Indos dort hel­fen wür­den, rüber­zu­kom­men. Jaja den­ken wir – und was das heißt, weiß nicht nur der Ham­bur­ger :-) uns ist klar: das wer­den wir schön allei­ne in Angriff nehmen!

Der ers­te Fluss befin­det sich gleich am Camp, es ist der­je­ni­ge, in dem wir ges­tern abend geba­det haben. Und schon hier heißt es: Schu­he aus­zie­hen. Wir beher­zi­gen den Tipp, den die Indi­os uns noch mit­ge­ge­ben haben, und zwar, auf Socken durch die Flüs­se zu waten, um mehr Grip auf den glit­schi­gen Stei­nen zu haben. Mit unse­ren Schu­hen in den Hän­den über­que­ren wir die­sen ein­fa­chen weil sehr fla­chen Fluss. Der Grip ist wirk­lich gut, gera­de mit dem gan­zen Gepäck auf dem Rücken hät­ten wir auf den nas­sen, moo­si­gen Stei­nen sonst kaum Halt gehabt. Aber lei­der sind unse­re Socken und Nicos gan­ze Tape-Arie nach die­ser Akti­on jetzt erst­mal nass und da ich nur 2 Paar Socken mit­ge­nom­men habe, die ich nor­ma­ler­wei­se zum Wan­dern über­ein­an­der zie­he, muss ich jetzt aus­schließ­lich in den dün­nen – noch tro­cke­nen – Socken lau­fen. Mal sehen, wie sich das auswirkt. 

…dort müs­sen wir rüber!

Der Rio Kukenán kommt nach ca. 1 Stun­de Wan­de­rung in Sicht. Die Son­ne brennt mitt­ler­wei­le erbar­mungs­los auf uns hin­ab. Die ges­tern noch vor­han­de­nen ver­ein­zel­ten Wald­stü­cke gibt es hier nicht mehr. Nur Step­pe und Son­ne. Der Fluss ver­spricht aber Erlö­sung. Von einem Hügel aus sehen wir ihn und stei­gen schnell hin­ab mit der Hoff­nung auf Erfrischung.

Pan­ora­ma des Kukenán Flusses

Wow. Die­ser Fluss hat es in sich. Er ist ungleich grö­ßer, tie­fer und viel rei­ßen­der als der Ers­te. Jetzt ist unser Ehr­geiz geweckt. Natür­lich wer­den wir die Über­que­rung allei­ne pro­bie­ren. Ich lege mein Gepäck ab um erst­mal so zu che­cken, wo die bes­te Stel­le für die Über­que­rung ist.

Nico ver­sucht es direkt. Wäh­rend ich noch vor­sich­tig ins Was­ser stei­ge, ver­sucht er sein Glück schon­mal mit der Durch­que­rung. Rela­tiv schnell muss er er aller­dings auch fest­stel­len, dass das gar nicht so ein­fach ist. Wäh­rend ich mir noch mei­nen Weg ohne Gepäck suche, muss er wegen der star­ken Strö­mung an der von ihm gewähl­ten Stel­le erst­mal umkehren. 

Nico kommt zurück, und wir berat­schla­gen. Ihm fällt ein Tipp aus dem Sur­vi­val-Buch von Rüdi­ger Neh­ber ein. Neh­berg schlägt dort vor, für sol­che Fluss­durch­que­run­gen immer eine Stan­ge zur Hil­fe zu neh­men, als drit­tes Bein sozu­sa­gen, um eine bes­se­re Sta­bi­li­tät zu haben. Die Stan­ge stellt man in Fließ­rich­tung in den Fluss und stützt sich damit etwas gegen die Strö­mung. Beim Ver­set­zen eines Bei­nes oder der Stan­ge hat man so immer noch zwei wei­te­re «Stüt­zen» im Wasser. 

Wir beschlie­ßen, es mit der Stan­ge zu ver­su­chen. Nico macht sich auf die Suche nach einer Stan­ge und ich pro­bie­re der­weil eini­ge Stel­len in dem Fluss aus. Nach eini­gem expe­ri­men­tie­ren fin­de ich auch eine, die mach­bar erscheint – obwohl auch hier das Was­ser min­des­tens Hüft­tief ist und eine wirk­lich hef­ti­ge Strö­mung hat. Mit dem Ruck­sack auf dem Rücken wird das ganz schön hei­kel werden.

Nico hat mitt­ler­wei­le eine Stan­ge auf­ge­trie­ben und ver­sucht als ers­ter sein Glück an der Stel­le, die ich aus­ge­macht habe. Aber auch eine Stan­ge ist kei­ne Garan­tie: auf hal­ben Weg rutscht er ab und geht mit­samt sei­nem gan­zen Gepäck baden. Zum Glück kann er sich noch auf­rap­peln, bevor ihn die Strö­mung Fluss­ab­wärts treibt und erreicht kur­ze Zeit spä­ter das ret­ten­de Ufer. 

gar nicht so ein­fach bei der star­ken Strömung!

Ich schnap­pe mir mei­nen Ruck­sack, hän­ge mir die Schu­he um den Hals, neh­me die Stan­ge, die er mir rüber­ge­wor­fen hat, und wate ihm nach. Die Stan­ge ist eine gute Hil­fe, trotz­dem ist es in dem hüft­tie­fen Was­ser bei der Strö­mung wahr­lich nicht ein­fach, das Gleich­ge­wicht zu behal­ten. Aber zum Glück habe ich eine gro­ße Plas­tik­tü­te im Ruck­sack, in der ich alle Sachen ver­packt habe, so dass ich um mei­ne Kame­ra und den Image­tank mit den Bil­dern kei­ne so gro­ße Angst haben muss. Trotz eini­ger Schwie­rig­kei­ten kom­me ich tro­cken auf die ande­re Seite. 

Spä­ter stellt sich heru­as, dass Nico kei­ne Plas­tik­tü­te im Ruck­sack hat­te, und sein Inhalt dem­entspre­chend nass gewor­den ist. Zu allem Über­fluss hat er bei der Akti­on auch noch sein Mes­ser ver­lo­ren. Aber immer­hin sind wir auf die ande­re Sei­te gekom­men, ohne frem­de Hil­fe in Anspruch zu nehmen.

Schon zuhau­se, als ers­tes eine gro­ße Müll­tü­te in den Ruck­sack packen, so dass die­se ganz außen liegt. Alle ande­ren Sachen kön­nen dann da hin­ein gepackt wer­den. So ist man immer gegen Regen und ande­re Even­tua­li­tä­ten geschützt und muss nicht erst auf­wän­dig ein Regen­cape über den Ruck­sack zie­hen oder vor einer Fluss­durch­que­rung alles auspacken

Jetzt kön­nen wir ent­spannt auf Bal­bi­na und die ande­ren war­ten, noch ein erfri­schen­des Bad neh­men und gemüt­lich dabei zuse­hen, wie sie den Fluss bezwin­gen. Der­weil packt Nico sei­ne Sachen aus, um sie auf den war­men Stei­nen zu trocknen.

Zwi­schen Kukenán und Rorai­ma tür­men sich die Wolken

Zwan­zig Minu­ten spä­ter tau­chen die ande­ren auf der gegen­über­lie­gen­den Sei­te des Flus­ses auf. Bevor sie sich an die Über­que­rung machen, neh­men sie erst­mal ein Bad. Und dann kommts. Wäh­rend sie im Was­ser plan­schen, las­sen sie sich «the easy way» ihre Ruck­sä­cke von den Indi­os rüber­brin­gen. Geht’s noch? Selbst Fidel, unser gro­ßer Aben­teu­rer, ist sich nicht zu scha­de, sich sei­ne Sachen rüber­tra­gen zu las­sen. Wir schau­en fas­sungs­los zu.

Mit einer gewis­sen Genug­tu­ung sehen wir, dass der Indio die glei­che Tech­nik wie wir anwen­det. Und, dass er trotz­dem – wie wir – sei­ne Schwie­rig­kei­ten bei der Über­que­rung hat. Wir sind jeden­falls froh und stolz, dass wir es allei­ne geschafft haben, wo blie­be denn sonst das Abenteuer?!

Cap­tain Silverfeet

Nico hat mitt­ler­wei­le sei­ne Füße erneut getaped… Sei­ne Bla­sen sind mitt­ler­wei­le noch hef­ti­ger gewor­den und ich nen­ne ihn «Cap­tain Sil­ver­feet» wegen des gan­zen sil­ber­nen Duck-Tapes. Und ich weiß jetzt auch, wie er das Tape von den offe­nen Stel­len wie­der abbekommt… :-/

Als alle drü­ben sind, set­zen wir uns wie­der an die Spit­ze und zie­hen stramm durch, um vor den ande­ren zu lau­fen. Der Auf­stieg heu­te ist wesent­lich anstren­gen­der als ges­tern. Ins­be­son­de­re die Son­ne macht uns zu schaffen.

die Hit­ze macht uns ganz schön zu schaffen!

Gegen 3 Uhr nach­mit­tags kom­men Nico und ich an dem Base­camp direkt unter­halb des Rorai­ma an. Wir sind schon etwas erle­digt, bau­en aber als ers­tes unser Zelt auf, wir haben ja noch die freie Platz­wahl. Wir stel­len es so, dass wir sowohl die impo­san­te, alles über­ra­gen­de Wand es Rorai­ma direkt über uns sehen, als auch einen fan­tas­ti­schen Aus­blick auf die Gran Saba­na, die mitt­ler­wei­le schon etwas unter uns liegt, haben. Lei­der muss ich fest­stel­len, dass auch ich mir mitt­ler­wei­le ein paar Bla­sen ein­ge­fan­gen habe. Das Wan­dern in den dün­nen Socken hat also doch sei­ne Fol­gen gehabt… Mer­ke: Nächs­tes Mal 2 Paar dicke Socken mitnehmen! 

Wir ent­span­nen jeden­falls jetzt erst­mal bei ein paar Cra­ckern und fri­schem Quell­was­ser und war­ten auf die anderen…

Pan­ora­ma des mäch­ti­gen Rorai­ma Massivs

End­lich – am Base­camp am Fuße des Rorai­ma angekommen!

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