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Autofokus Probleme beim Filmen von Videos mit der DSLR

Vie­le Foto­gra­fen, die die ers­ten Schrit­te mit der Video-Funk­ti­on einer digi­ta­len Spie­gel­re­flex­ka­me­ra machen, sind ent­täuscht. Was ist nur mit dem Auto­fo­kus los? Kame­ras, die mit dem glei­chen Objek­tiv pro­blem­los eine Möve im Flug mit 6–8 Bil­dern pro Sekun­de ver­fol­gen und scharf abbil­den kön­nen, ver­sa­gen plötz­lich schon, wenn sie die Schär­fe bei lang­sam beweg­ten Objek­te wäh­rend des Fil­mens nach­füh­ren sollen. 

Wie kommt die­se Dis­kre­panz nun zustan­de? Wie ver­spro­chen, möch­te ich Euch heu­te ein­mal erklä­ren, wie Auto­fo­kus-Sys­te­me funk­tio­nie­ren und war­um sich der Auto­fo­kus beim Fil­men anders ver­hält, als beim Fotografieren.

Eigent­lich gibt es «den» Auto­fo­kus in die­sem Zusam­men­hang gar nicht, viel­mehr fin­den wir in den moder­nen DSLR-Kame­ras zwei Auto­fo­kus-Funk­tio­na­li­tä­ten vor:

  1. den schnel­len sog. «Phasen»-Autofokus – die­ser kommt beim Foto­gra­fie­ren zum Einsatz
  2. einen so genann­ten «Kontrast»-Autofokus – die­ser kommt beim Fil­men zum Einsatz

Die Funk­ti­ons­wei­se und Per­for­mance die­ser zwei Sys­te­me könn­te kaum unter­schied­li­cher sein:

Funktionsweise des Phasen-Autofokus

Ver­ein­facht gesagt, wird beim Pha­sen-Auto­fo­kus das Bild über meh­re­re ver­setzt ange­ord­ne­te Sen­so­ren erfasst und anhand der Ver­schie­bung der Bil­der ermit­telt in wel­che Rich­tung und wie weit fokus­siert wer­den muss. Sind die Bil­der deckungs­gleich, befin­den sie sich im Fokus.
Da hier nicht per «Tri­al-and-Error» gesucht wer­den muss, geht das Fokus­sie­ren in der Regel sehr exakt und schnell. Nach­tei­le hat das Sys­tem nur dann, wenn die Kali­brie­rung zwi­schen den Auto­fo­kus-Sen­so­ren und den ein­ge­setz­ten Objek­tiv nicht über­ein­stimmt. Dann kommt es zu den berühmt/berüchtigten Front- oder Back­fo­kus-Syn­dro­men. Ein «Pum­pen», also das hin- und her­fah­ren des Fokus beob­ach­tet man nur, wenn die Kame­ra ein bestimm­tes Motiv (z.B. spie­geln­de Flä­chen) nicht scharf­stel­len kann.

Funktionsweise des Kontrast-Autofokus

Der so genann­te Kon­trast Auto­fo­kus macht das, was sein Name sug­ge­riert. Er misst den Kon­trast gera­de auf­ge­nom­me­nen Bil­des und ver­stellt den Auto­fo­kus so lan­ge, bis die­ser maxi­mal ist. An der Stel­lung mit dem maxi­ma­len Kon­trast ist das Bild scharf. So die Idee.

Nun, bringt die­ses Ver­fah­ren lei­der eini­ge Tücken mit sich. Ver­an­schau­li­chen wir uns die Funk­ti­ons­wei­se ein­mal an einem Bild:

Funk­ti­ons­wei­se des Kontrast-Autofokus

Ganz oben seht ihr die jewei­li­gen Bil­der, die die Kame­ra «sieht». Bild 1 und 5 sind ganz unscharf, 2 und 4 etwas schär­fer und bei 3 ist das Bild im Fokus.

Anhand der His­to­gram­me kann man schön den Kon­trast erken­nen. Je «brei­ter» das His­to­gramm eines Bil­des, umso grö­ßer der Kon­trast. Hier seht ihr deut­lich die Kor­re­la­ti­on zwi­schen Kon­trast und Schär­fe des Bildes.

Wenn ihr nun im Video Modus den Aus­lö­ser antippt, um zu fokus­sie­ren, pas­siert folgendes:

Der Sen­sor nimmt ein mehr oder weni­ger unschar­fes Bild auf, da der Fokus in der Regel zunächst ein­mal dane­ben liegt. Neh­men wir ein­mal an, der Sen­sor nimmt Bild 1.) auf. Nun weiß die Kame­ra erst ein­mal nicht, ob das Bild scharf ist, oder nicht und sie weiß auch nicht in wel­che Rich­tung sie fokus­sie­ren müss­te, falls dies erfor­der­lich sein soll­te. Es könn­te also sogar pas­sie­ren, dass sie den Fokus zunächst ein­mal noch wei­ter nach «links» stellt, in Rich­tung unschär­fer. Sie wür­de dann nach kur­zem Weg eine wei­te­re Mes­sung vor­neh­men und fest­stel­len, dass der Kon­trast noch wei­ter sin­ken wür­de. Nun hie­ße es umkeh­ren und in die ande­re Rich­tung laufen.

Die­sen Vor­gang des Umkeh­rens der Auto­fo­kus-Rich­tung nennt man «Pum­pen».

Im obi­gen Bild läuft der Auto­fo­kus nun zufäl­lig nach «rechts» also in die Rich­tung des höhe­ren Kon­trasts und macht die nächs­te Mes­sung bei Bild 2. Die Kame­ra stellt fest, dass der Kon­trast grö­ßer ist und sieht die Rich­tung bestä­tigt. Ob Bild 2 schon das schärfs­te Bild ist, kann die Kame­ra nicht wissen.

Mit mehr oder weni­ger geschick­ten Algo­rith­men wird nun Extra­po­liert, wie weit der nächs­te Schritt sein müss­te, um mög­lichst wenig Mess­punk­te auf dem Weg zum opti­ma­len Fokus anzufahren. 

Von Bild 2 wird nun nach dem eben beschrie­be­nen Algo­rith­mus auf den Fokus von Bild 3 geschlos­sen und die­ser ange­fah­ren. Wie­der erfolgt die Kon­trast­mes­sung. Der Kon­trast ist höher, als bei Bild 2. Wir sind also immer noch auf dem rich­ti­gen Weg. Ob Bild 3 schon das schärfs­te Bild ist, kann die Kame­ra nicht wis­sen. Sie extra­po­liert also wie­der und fährt den Auto­fo­kus wei­ter nach rechts zu Bild 4. 

Bei Bild 4 ange­langt ergibt die Kon­trast­mes­sung nun wie­der einen gerin­ge­ren Kon­trast. Der Fokus ist über das Ziel «hin­aus­ge­schos­sen». Die Rich­tung wird wie­der umge­kehrt und mit einem Inter­po­la­ti­ons­al­go­rith­mus auf eine Posi­ti­on wei­ter «links» geschlos­sen, in die­sem Fall wie­der Bild 3. 

Die erneu­te Umkeh­rung des Auto­fo­kus erzeugt wie­der ein «Pum­pen».

Die Zeit und die Anzahl der «Pump­vor­gän­ge» hängt von meh­re­ren Fak­to­ren ab:

Pro­ble­ma­tisch wird die­ses Ver­fah­ren nun ins­be­son­de­re, wenn die Kame­ra nach dem eben beschrie­be­nen Sche­ma nun gar im Video ein beweg­tes Objekt «ver­fol­gen» soll. Stellt Euch ein­fach vor, dass sich die Bil­der in dem Schau­bild oben um eines nach rechts ver­schie­ben, so dass das schar­fe Bild auf Posi­ti­on 4 liegt. Die Kame­ra weiß nun wie­der nicht, ob sie von dem aktu­el­len Bild 3 nach «links» oder «rechts» fokus­sie­ren soll und das Spiel geht von vor­ne los.

Jedes Han­dy, fast jede Kom­pakt­ka­me­ra und vie­le Video­ka­me­ras nut­zen die­ses Ver­fah­ren für den Auto­fo­kus. Die Effek­te hat jeder von uns schon ein­mal bewusst oder unbe­wusst beobachtet.

Wer ein Objek­tiv mit Ultra­schall­mo­tor hat, wird den akus­ti­schen Unter­schied zwi­schen dem schnel­len Pha­sen-Auto­fo­kus und dem Kon­trast­au­to­fo­kus beson­ders deut­lich bemer­ken, denn vom blitz­schnel­len Fokus­sie­ren ist bei der Kon­trast-Mes­sung nichts mehr zu spü­ren. Im Gegen­teil, dem Motor wird ins­be­son­de­re bei beweg­ten Objek­ten eini­ges abver­langt, weil er auf sei­nem Weg immer wie­der für Bruch­tei­le einer Sekun­de anhal­ten muss um die Kon­trast­mes­sung zu ermöglichen.
Akus­tisch macht sich das durch ein unge­sund klin­gen­des Gestot­te­re bemerk­bar, das Fokus­sie­ren dau­ert deut­lich län­ger. Das Pum­pen ist dar­über hin­aus natür­lich vor­al­lem ein Effekt, der jede Video-Auf­nah­me zer­stö­ren kann. 

Warum nutzen die Kameras dann nicht den Phasen-Autofokus auch für Video?

Nun, lei­der ist das in der Regel bei einer Spie­gel­re­flex-Kame­ra tech­nisch nicht mög­lich. Der schnel­le Pha­sen-Auto­fo­kus ist näm­lich nur ver­füg­bar, wenn der Spie­gel der Kame­ra unten ist und man durch den Sucher schau­en kann.
Das liegt dar­an, dass das Licht über den Spie­gel ein­mal oben in das Pris­ma (den Sucher) und ein­mal durch den teil­durch­läs­si­gen Spie­gel nach unten zum Auto­fo­kus-Sen­sor reflek­tiert wird. 

In dem Moment, wo der Spie­gel zum Aus­lö­sen, für Live-View oder Video hoch­klappt, sind sowohl Sucher als auch Auto­fo­kus «blind».

Spie­gel­re­flex – Spie­gel unten / Spie­gel oben

Im obe­ren Schau­bild sieht man, dass der Spie­gel unten ist. Licht fällt durch den Sucher und auf den Pha­sen-Auto­fo­kus. Der Sen­sor bekommt kein licht ab.

Im unte­ren Schau­bild wur­de aus­ge­löst oder der Live-View ein­ge­schal­tet. Der Spie­gel ist nun hoch­ge­klappt. Weder durch den Sucher noch auf das Auto­fo­kus-Modul fällt Licht. Das gesam­te Licht fällt auf den Bild-Sen­sor, und das ist eigent­lich auch gut so, denn da wol­len wir ja mög­lichst viel Licht haben.

Beim Fil­men oder beim Foto­gra­fie­ren im Live-View Modus kann die Kame­ra also nur den Bild-Sen­sor benut­zen um scharf zu stel­len. Und genau das tut sie über die Kon­trast­mes­sung! – Da haben wir also unse­ren Kon­trast-Auto­fo­kus mit all sei­nen Nachteilen.

Quo vadis Live-View-Autofokus

Natür­lich machen sich die Kame­ra­her­stel­ler Gedan­ken dar­über, wie man die­ses opti­sche Dilem­ma umge­hen kann. Ansät­ze bestehen dar­in, das Licht zum Bild­sen­sor durch einen teil­durch­läs­si­gen Spie­gel zu len­ken um einen gerin­gen Anteil des Lichts auf den Auto­fo­kus zu bekom­men. Aller­dings büßt man dadurch Licht­stär­ke ein. 

Canon hat hier bereits letz­tes Jahr Ansät­ze vor­ge­stellt und Sony hat vor kur­zem die ers­ten Digi­ta­len Spie­gel­re­flex Kame­ras mit semi-trans­pa­ren­tem Spie­gel auf den Markt gebracht.

Wohin die Rei­se geht? Wir wer­den sehen. Fakt ist, dass mit dem heu­ti­gen Sys­tem die Video-Fähig­kei­ten der digi­ta­len Spie­gel­re­flex-Kame­ras, zumin­dest beim «Ver­fol­gen» von schnell beweg­ten Objek­ten, ein­ge­schränkt sind. Dass und wie man trotz­dem tol­le Vide­os machen kann, hat­te ich ja schon ein­mal beschrie­ben und gezeigt.

Ich hof­fe, ich konn­te etwas Licht in die­ses The­ma brin­gen. Was denkt ihr – wohin wird die Rei­se gehen? Wird sich das Sys­tem mit dem semi-trans­pa­ren­ten Spie­gel durch­set­zen? Oder wer­den ganz ande­ren, womög­lich völ­lig spie­gel­lo­se Sys­te­me die heu­ti­gen DSLR ablö­sen? Ich freue mich über Eure Kommentare!

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