Die OSMO Pocket ist die Reinkarnation der DJI OSMO – und sicherlich die kleinste am Markt verfügbare Gimbal-Kamera. Wir haben sie in Teneriffa getestet und ich erzähle euch in diesem Review, was uns an ihr gefällt und was nicht so. Dazu gibt’s einen Vergleich mit der GoPro Hero 7 Black. Weiter unten findet ihr mein Video-Review mit vielen OSMO Pocket aufnahmen!
Mit der Größe eines Schokoriegels sieht die DJI OSMO Pocket wirklich aus wie ein Spielzeug. Spätestens, wenn man die ersten 4K Filmaufnahmen mit ihr gemacht hat, wird aber klar, dass man hier eine vollwertige Videokamera in der Hand hat, die es in sich hat!
DJI hat die bewährte Kamera der Mavic Air mit ihrem 1/2.3″ Sensor und 26mm äquivalentem f2.0 Objektiv an einen kleinen Griff gebaut und diesem noch ein Touchdisplay in Briefmarkengröße spendiert. Dazu gibt es eine clever gemachte Anschlussmöglichkeit für das Smartphone, das so alternativ als großer Monitor für Aufnahme und Wiedergabe dienen kann.
Die Kamera kann bis zu 4K mit 60 Bildern pro Sekunde aufnehmen und ermöglicht so butterweiche Aufnahmen. Der mechanische 3‑Achsen-Gimbal stabilisiert hervorragend und erlaubt es sehr ruhige Aufnahmen zu erstellen. Hält man die Kamera ruhig, kann man Aufnahmen wie vom Stativ machen. Schwenkt man langsam, führt der Gimbal nach und ermöglicht so weichere Schwenks als so manches günstige Videostativ.
Zusätzlich gibt es einen Tracking-Modus, bei dem die Kamera ein Objekt, das man vorher markiert nachführt. Dieser Modus funktioniert allerdings nicht mit 4K/60 sondern nur mit 4K/30 oder 1080p/60.
«Slides» also Kamerabewegungen von links nach rechts oder oben nach unten sind naturgemäß schwieriger aufzunehmen, dafür kann aber die Kamera nichts, sondern es ist einfach schwierig mit der Hand wirklich gleichförmige Bewegungen zu machen, das erfordert einfach Übung. In meinem Video könnt ihr einige Beispiele sehen, wo das ziemlich gut funktioniert hat.
Beim Laufen stabilisiert der Gimbal sehr gut, aber man bekommt in der Regel die typischen rhythmischen auf und ab Bewegungen der Z‑Achse zu sehen, die beim Laufen entstehen. Auch dies ist etwas, das typisch für Gimbals ist und womit der Filmemacher entsprechend lernen muss umzugehen – oder eben Lauf-Aufnahmen nur dann einzusetzen, wenn es wirklich Sinn macht.
Die Kamera hat nur 2 Knöpfe:
- Der rechte Knopf dient zum Ein-Ausschalten, schnellen Moduswechsel (Foto/Video etc.). Doppelklick zentriert die Kamera, 3x-Klick dreht die Kamera in den Selfie-Modus.
- Der linke Knopf startet und stoppt die Aufnahme.
Einfacher geht’s eigentlich nicht mehr und so ist man auch innerhalb von wenigen Sekunden aufnahmebereit.
Extrem cool ist der Zubehör-Anschluss gelöst: hier kommt z.B. der Stecker für das Smartphone rein, der in beide Richtungen gesteckt werden kann. So steht der Anschluss bei Nichtgebrauch nicht vor.
Der Mikrofon-Adapter wird übrigens unten an die USB‑C Ladebuchse eingesteckt. Leider konnte ich vor unserer Reise keinen Mikrofon-Adapter mehr bekommen – wie sich der Ton des eingebauten Mikrofons anhört, könnt ihr am Ende meines Videos hören.
Am besten schaut ihr euch erstmal das Video an – bevor ihr weiterlest!
Nachtrag: die OSMO Pocket für Zeitraffer / Timelapse
Für anspruchsvolle Zeitraffer halte ich die OSMO Pocket nicht für geeignet. Dafür setze ich lieber eine DSLR/DSLM ein. Vor allem liegt das daran, dass die Pocket in den Zeitraffer-Modi zwar Einzelbilder speichern kann (muss in der DJI Mimo App eingestellt werden), leider aber nur im JPG Format. Schade, dass das nicht im Raw bzw. DNG Format geht, welches für eine sinnvolle Nachbearbeitung erforderlich wäre.
Weiterhin braucht man für ästhetische Zeitraffer tagsüber fast zwingend ND-Filter, um schöne Ergebnisse tagsüber zu bekommen, die habe ich für die Pocket (noch) nicht. Mit ND filtern könnte man im M‑Modus der Pocket durchaus brauchbare Ergebnisse erzielen, wenn man mit JPGs vorlieb nehmen möchte.
Das was man «out of the box» ohne ND-Filter aufnehmen kann ist für meine Ansprüche Spielerei, bzw. sieht nicht wirklich schön aus weil Bewegungen sehr abgehackt wirken durch die kurzen Belichtungszeiten.
Ich werde, wenn ich wieder zuhause bin, mal entsprechende ND Filter ordern und dann auch nochmal die Hyperlapse Funktion testen – wenn das gut funktioniert, dann schreibe ich dazu nochmal einen separaten Artikel.
Zusammenfassung Positiv/Negativ
Hier nun die Aufstellung der Punkte, die uns gut und weniger gut gefallen haben.
Positiv
- Sehr gute mechanische Stabilisierung durch Gimbal.
- Autofokus
- Guter Weitwinklel – ca. 80° Bildwinkel (entspricht 26mm Kleinbild-Äquiv. Brennweite) ohne, wie die GoPro, zu verzerren.
- Klein – passt in die Hosentasche.
- Leicht
- Durchdachtes Case
- Praktischer kleiner Touchscreen-Monitor der immer verfügbar ist.
- Sowohl der eingebaute Monitor als auch das angedockte Smartphone sind für Selfie Aufnahmen (z.B. um Tutorials aufzunehmen) nutzbar.
- Monitor durch Anstecken eines Smartphones mit Lightning oder USB‑C Anschluss jederzeit erweiterbar.
- Ladebuchse und Zubehöranschluss auch erreichbar, wenn die Kamera in der Schutzhülle steckt.
- Auch die Micro-SD Karte ist entnehmbar, während die Kamera in der Hülle steckt und man muss nicht erst eine Klappe auffummeln.
Negativ
Update: Einen Tag nach erscheinen dieses Artikels hat DJI das Firmware- und App-Update auf 1.04 gebracht, was viele unserer Kritikpunkte behebt. Ich streiche die entsprechenden Punkte.
Autofokus pumpt ab und an, wenn man es nicht erwartet.Das Autofokus-Verhalten wurde deutlich verbessert und man kann jetzt direkt an der Kamera zwichen AF‑C und AF‑S wechseln und dadurch kritische Aufnahmen einfach in AF‑S aufnehmen. dabei wird nur am Anfang fokussiert und der Fokus bleibt dann wo er ist.Auf und abschwenken per «Regler» rechts auf dem Touchscreen funktioniert mit normaldünnen Fingern nicht wirklich. Hier könnte sicherlich per Firmware nachgebessert werden. Die Alternative ist, den Neigungswinkel direkt am Gimbal einzustellen, was ganz gut funktioniert, allerdings natürlich nicht während der Aufnahme. Während der Aufnahme kann man aber sehr gut durch entsprechendes Neigen der OSMO den Winkel sanft verändern. Wer während der Aufnahme per Rad Neigen will, der kann entsprechende Bedienrädchen als Zubehör kaufen.In Firmware 1.04 funktioniert das neigen des Gimbals über das Touch-Display hervorragend.Derzeit filmt die OSMO Pocket nur mit einem Standard-Farbprofil. DJI hat versprochen, auch hier, wie bei der Mavic das D‑Cinelike Profil für «flachere» Aufnahmen, per Update nachzuliefern – bisher ist es aber bei dem Versprechen geblieben. Ein solches Profil wäre extrem wichtig, um mehr Freiheiten in der Nachbearbeitung zu haben. (Falls ihr euch mit dem Thema noch nicht beschäftigt habt – solche Profile sind ein bisschen wie «Raw-Dateien»-Light beim Filmen… :-))Firmware 1.04 behebt auch dies: direkt über das Touch-Display des Handys kann man zwischen dem normalen und einem flachen «Cinelike»-Profil wechseln. Top!
- Internes Mikrofon relativ schwach, kann beim Filmen leicht versehentlich von der Hand abgedeckt werden.
- Handy-Adapter nur für USB‑C und Lightning-Anschlüsse – Micro-USB Handys bleiben außen vor. Von einem gebastelte mit zusätzlichen Adaptern von USB‑C auf Mikro-USB rate ich ab. Das mag funktionieren, aber mechanisch werdet ihr da eher die Ladebuchse eures Handys zerstören, weil der Hebel, an der die Pocket dann hängt, zu groß ist.
- Erwartungsgemäß geringes Freistellpotenzial aufgrund des relativ kleinen Sensors.
- Grenzen im Low-Light Bereich.
- Mini-Klinkenbuchse für externes Mikrofon nicht integriert, sondern nur als Zubehör (und derzeit noch nicht) erhältlich.
- Nur die der offizielle DJI-Mikrofon-Adapter, der derzeit noch nicht verfügbar ist, scheint zu funktionieren.
- Zeitraffer werden nur als Film oder JPG Sequenz gespeichert, nicht als Raw-Dateien.
Vergleich mit GoPro Hero 7 Black
Plus GoPro Hero 7 Black
- Robuster als eine Gimbal Kamera.
- Standardmäßig Spritzwassergeschützt (10m), mit entsprechendem Gehäuse Wasserdicht.
- Eine Vielzahl von Zubehör und Befestigungsmöglichkeiten für Action-Aufnahmen.
- Für Selfie-Aufnahmen bietet die GoPro den größeren Weitwinkel und zeigt so mehr von der Umgebung.
Mit ProTune ist ein flaches Log-Profil möglich, welches derzeit bei der Pocket noch fehlt.Ab Firmware 1.04 gibt es für die Pocket das äquivalente «Cinelike»-Profil.- Aufnahmen im Gehen leiden gefühlt etwas weniger vom auf- und ab der Z‑Achse, als bei der Pocket, das hängt zum einen mit dem größeren Weitwinkel, zum anderen aber vermutlich auch mit der Software-Stabilisierung zusammen.
Plus OSMO Pocket
- Etwas bessere Bildqualität im Standardmodus. Hier zeichnet die GoPro insbesondere Gesichter extrem weich. Im Protune Modus der GoPro ist die Qualität besser aber insgesamt gefallen mir die Bilder aus der OSMO besser, weil sie mehr Details zeigen und einen natürlicheren Bildwinkel haben.
- Mit etwas Übung lassen sich mit der Pocket weiche Slides und Pans aus der Hand aufnehmen. Das funktioniert in der Form nicht mit der GoPro.
- Autofokus
- Wenigstens ein geringes Freistellpotenzial.
- Mechanische Stabilisierung durch Gimbal.
- Selfie-Aufnahmen mit Monitor möglich, bei der GoPro sieht man sich nicht selbst, da der Monitor auf der Rückseite ist.
- Praktische Schutzhülle, dadurch Hosentaschen-geeigneter.
Für mich sind die OSMO Pocket und die GoPro zwei völlig unterschiedliche Kameras für unterschiedliche Zwecke. Die OSMO liefert extrem ruhige, ästhetische und fein gezeichnete Bilder, mit ihr lassen sich mit ein wenig Übung recht cinematisch wirkende Aufnahmen machen, das gelingt mit der GoPro eher nicht. Dafür ist die Pocket aber keine Action Kamera. Wie gut das angekündigte Unterwassergehäuse funktionieren wird, werde ich noch testen, wenn es verfügbar ist.
Die GoPro Hero 7 Black ist eine Action Kamera, und mit Sicherheit die ausgereifteste GoPro, sie bringt eine hervorragende Stabilisierung (für eine Softwarelösung) und die notwendige Robustheit für den Einsatz als Action Cam. Einen ausführlichen Testbericht zur GoPro gibt es dann demnächst noch.
Vergleich zu den anderen OSMO Gimbals
Im Vergleich zur Pocket wirkt jede andere Gimbal-Kamera klobig. Wir haben lange mit der Ur-OSMO gefilmt, z.B. viel auch für unseren Bonaire Film. Die erste OSMO hat allerdings keinen Autofokus, sondern einen Fix-Fokus auf Unendlich, dadurch konnten nahe Objekte nicht scharf gestellt werden und auch als Selfie-Kamera eignet sie sich nicht. Weiterhin ist das Smartphone hier ein Muss, da man ansonsten den Bildausschnitt nicht kontrollieren kann. Die Verbindung über WLAN vor jeder Aufnahme herzustellen war oft ein Geduldspiel und steht spontanen Aufnahmen eher entgegen.
Auf Galapagos habe ich mit der OSMO Plus eines Teilnehmers gefilmt, dieser hat Autofokus und sogar ein Zoom-Objektiv. Allerdings ist sie natürlich genauso groß wie die Ur-OSMO und teilt auch die WLAN Problematik. Gegenüber der Pocket wirken beide unhandlich und umständlich.
Als ich mir das Huawei P20 Pro mit seinen sehr guten Kameras gekauft habe, habe ich mir die OSMO Mobile 2 zugelegt, die das Smartphone als Kamera und Monitor einsetzt. Leider hat aber auch das Nachteile: guten Ton kann man nicht aufnehmen, da man, wenn das Smartphone an der OSMO Mobile 2 steckt nicht gleichzeitig ein Mikrofon am USB-Port des Handys anschließen kann. Weiterhin ist auch die OSMO Mobile 2 im Vergleich zur Pocket recht groß und unhandlich. Und last but not least, sind Selfie-Aufnahmen nur mit der (schlechteren und niedriger aufgelösten) Frontkamera möglich, sonst sieht man nicht, was man aufnimmt.
Die OSMO Pocket löst all diese Probleme (wenn ein externes Mikrofon und der Mikrofon-Adapter am Start sind) und ist meiner Meinung nach eine wirklich erhebliche Weiterentwicklung gegenüber der früheren Gimbal-Lösungen von DJI.
Mein Fazit zur OSMO Pocket
Die OSMO Pocket macht wirklich viel Spaß und besetzt eine Kameraklasse, die es so vorher in der Größe nicht gab. Man ist geneigt, sie als Spielzeug abzutun, bis man die hervorragende Bildqualität der aufgenommenen Videos sieht. Dann kommt man schnell an den Punkt, wo man sie eigentlich immer dabei haben will. Die Bildqualität der Videos ist deutlich besser, als die der besten Smartphones und die Stabilisierung natürlich auch.
Update: Die nach erscheinen dieses Artikels veröffentlichte Version 1.04 der OSMO Pocket Firmware und App machen die Kamera noch besser. Der Autofokus wurde verbessert und das flache «Cinelike» Profil bietet dem ambitionierten Filmemacher einiges an Potenzial bei der Nachbearbeitung. Das man mittlerweile so gut wie alles direkt über das Kamera-Display einstellen kann ist ein willkommener Pluspunkt, der den Griff zum Smartphone noch seltener werden lässt.
Damit ist die OSMO Pocket aus meiner Sicht ein sehr gutes Werkzeug für Filmemacher, die auch ohne großes Equipment anspruchsvoll aussehende Aufnahmen machen möchten.
Auf Spielereien wie den in vielen Reviews gehypten «Story Modus» bin ich hier bewusst nicht eingegangen, da mich die Eignung der Kamera abseits ihrer «Spielzeug»-Qualitäten interessiert. Das gleiche gilt für den Zeitraffer- und Hyperlapse Modus: beides nichts, was ich für anspruchsvolle Filme nutzen würde.
Produktlinks
- DJI OSMO Pocket
- Zubehör-Bedienrädchen (haben wir nicht getestet)
- ND-Filter für OSMO Pocket (günstigere Alternative)
- GoPro Hero Black, Günstiges Dive-Housing für die Black (40m)
- Mikrofon-Adapter für GoPro Hero 7 Black
Disclaimer: ich habe keinerlei Verbindung mit DJI und die OSMO Pocket nach Markteinführung selbst gekauft. Wie immer, gebe ich hier meine persönliche und unbeeinflusste Meinung wieder.