Mit dem Nachtbus fahren wir nach Lençois. Von der Fahrt kriegen wir wenig mit, die Sitze sind super bequem und lassen sich in eine sehr flache Liegeposition stellen, wie in den südamerikanischen Nachtbussen üblich. Auch die Klimaanlage ist nicht auf Minusgrade eingestellt, wie ich es in Venezuela erlebt habe. Infolgedessen bekommen wir von den Zwischenstopps, die der Fahrer alle paar Stunden macht, nicht viel mit und kommen noch im Dunkeln und ziemlich verschlafen in Lençois an. Von dem, was wir jetzt an Geschäftstüchtigkeit erleben sollten, könnte sich mancher Deutsche Vertriebler eine Scheibe abschneiden!
Dieses schlaftrunkene aus dem Bus steigen weil der Bus wieder einmal viel zu früh da ist, habe ich schon öfter erlebt in Südamerika. Man ist dann immer froh, wenn man erstmal ein bisschen Ruhe hat, sich und seine Sachen zu sortieren. Das ist uns hier jetzt allerdings leider nicht gegönnt.
Als wir schlafend aus dem Bus steigen, werden wir sofort von einer hektischen Gruppe Leute empfangen, die sich auf die Aussteigenden stürzen.
Wir hören die Worte Pousada und Passeio (Ausflug) und uns wird klar, hier versucht man massiv, Touristen zu angeln. Klar, die Chapada Diamantina ist ein touristisch gefragtes Ziel. Allerdings – gleich nach dem schlaftrunkenen Aussteigen aus dem Bus so von „Headhuntern“ empfangen zu werden, ist für uns schon ein überraschendes Erlebnis.
Mindestens fünf Leute umringen uns sofort und wollen sich um uns kümmern. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass es den anderen Passagieren auch nicht viel besser geht – na wenigstens etwas. Wir wollen eigentlich nur unsere Ruhe, unser Gepäck ausladen und dann die Lage sondieren. Warten bis es hell ist und uns dann in Ruhe eine gemütliche Pousada suchen. Aber daraus wird nichts. Während uns die Typen umringen, uns Prospekte in die Hand drücken und uns gleichzeitig ihre Pousadas und dazu auch noch das gesamte Ausflugsprogramm verkaufen wollen, versuchen wir noch zu unserem Gepäck zu kommen, welches immer noch tief im Bauch des Busses vergraben ist.
Einem besonders aufdringlichen Headhunter sage ich, dass wir jetzt erstmal unser Gepäck holen würden, und vorher hier gar nichts ginge. Das war wahrscheinlich ein Fehler, denn das bringt ihn offenbar auf den Gedanken, dass danach etwas gehen könnte. Er weicht jedenfalls nicht mehr von meiner Seite. Unsere Rucksäcke sind wirklich ganz hinten. Es dauert also. Im Hintergrund vernehme ich das Geschrei, das um die anderen Passagiere gemacht wird. Die Einheimischen sind sowieso schon weg. Die ersten der Besucher stapfen schon mit einem der Headhunter los. Andere versuchen sie noch abzuwimmeln. Endlich bekommen wir unsere Rucksäcke. Der Typ weicht wie ein Schatten nicht von unserer Seite.
Kaum haben wir die Rucksäcke, will er diese in ein Auto verfrachten. Dagegen haben wir natürlich etwas. Finger weg sage ich und erkläre, dass wir auf eigene Faust eine Pousada suchen würden und seine Hilfe nicht bräuchten. Ob wir denn schon wüssten, wo wir unterkommen würden? Nein sage ich. Ja dann bräuchten wir doch eine, meint er nicht ganz ohne Logik. Ich versuche es anders. Hör mal, wir sind gerade die ganze Nacht Bus gefahren und ziemlich müde. Lass uns doch bitte in Ruhe. Dann sie es doch gerade besonders wichtig, dass wir schnell in eine nette Pousada kämen, um uns vor dem Frühstück nochmal hinlegen zu können, sagt er. Oh Mann, der schafft mich. Nein sage ich, wir wollen erstmal in Ruhe schauen. Wo denn, fragt er. Na, in der Stadt natürlich. Kennt Ihr Euch denn aus, und wisst ihr überhaupt, in welche Richtung ihr gehen müsst? Nein, sage ich und die Argumente gehen mir langsam aus, also schlage ich Diana vor, einfach loszugehen.
Wir marschieren also in die Richtung, die wir für die Richtige halten, und er folgt uns, nicht ohne zuvor seinem Kompanion, dem Mann im Auto, ein Zeichen gegeben zu haben. So ergibt sich ein bestimmt lustiges Bild. Zwei Rucksacktouristen neben einem Einheimischen, der auf sie einredet und einem Auto, das direkt nebenher fährt. Das geht den ganzen Weg so. Bis rein in den Ort. Die Richtung war also richtig, Kunststück. Da ich ihn zwar resolut aber dennoch freundlich behandelt habe, macht er das einzige für ihn logische – er bleibt dran. Schaut mal, sagt er – um diese Zeit hat doch noch keine Pousada auf. Ihr wisst nicht, wo ihr bleiben könnt. Lasst mich Euch doch ganz unverbindlich eine zeigen und ihr sagt ob sie Euch gefällt oder nicht. Wenn nicht, gehen wir weiter – na, wie klingt das?
Verdammt, das klingt schon wieder logisch. Kann ich den für unsere Firma als Vertriebler mitnehmen?
Ich sage also schweren Herzens ja (mittlerweile ging es ja eigentlich nur noch ums Prinzip) aber ich stelle noch eine Bedingung: wir wollen nicht mehr als 50 Reais (ca. 20 €) zahlen für die Nacht. Für zwei. Und mit Frühstück – sage ich noch. Okay meint er, das kriegen wir hin. Wir gehen über den – zugegebenermaßen um diese Zeit noch verdammt ausgestorben wirkenden – Dorfplatz, dann einmal links und dann stehen wir auch schon vor der Pousada.
Wer hätte das gedacht, das Auto und der Mann sind auch schon da. Es ist offenbar eine Tour-Agency mit angeschlossener Pousada und sie gehört dem Alten aus dem Auto.
Wir lassen uns das Zimmer zeigen und sind beide überrascht. Es ist gut. Nein, es ist sogar sehr gut. Es hat ein eigenes Bad, ein tolle Aussicht über den Ort und ist super gemütlich eingerichtet. Ich handele noch das Frühstück für heute morgen mit raus für die 50 Reais und wir sagen, dass wir ein paar Tage bleiben werden. Wirklich ein guter Vertriebler, der Junge. Seine Hartnäckigkeit hat sich für ihn ausgezahlt – und die Kunden sind glücklich. Was will man mehr? Wir machen das, was er vorgeschlagen hat – wir hauen uns erstmal aufs Bett. Bis zum Frühstück haben wir noch eineinhalb Stunden Zeit und so holen wir ein bisschen Schlaf nach.
Weiterlesen: Chapada Diamantina
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