Die gesamte Fotografenwelt schaut auf die neuen Boliden, die Nikon in den letzten Wochen vorgestellt hat, die D4 und die D800. Die Mehrheit ruft laut «boah eh» und hakt das eigene Equipment als veraltet ab, sind doch die Eckdaten auf den ersten Blick zu verlockend. Heute will ich mal darüber sprechen, warum ich hier nicht zugeschlagen habe und lieber in teures Glas investiert habe.
Lösen wir uns an dieser Stelle einmal von der D4, die sicherlich den Profis und einigen Wannabes mit zu dickem Geldbeutel vorbehalten sein wird und wenden uns der D800 zu, einer Kamera bei der die schiere Auflösung von 36MP bei vielen den «habenwollen» Reflex auslöst. Bei einem Preis von knapp 3.000€ für das Gehäuse sicherlich auch kein Schnäppchen aber doch noch in Regionen die den einen oder anderen dazu ermutigen könnten, seinen Kreditrahmen aufzustocken.
Ich bin ehrlich, mich persönlich fixt die D800 irgendwie nicht so richtig an, die D4 sowieso nicht, denn die ist mir einfach zu schwer und zu teuer. Aber ich stelle mir im Moment auch wirklich ein bisschen die Frage, welche Strategie Nikon im Moment langfristig verfolgt.
Die Profis werden bedient, soviel ist schon mal sicher. Viele Fotografen-Kollegen, die täglich mit zwei Kameras durch die Gegend laufen und damit ihre Brötchen verdienen, werden sicherlich zuschlagen und sich das Gespann D4/D800 zum Preis eines Kleinwagens zulegen.
Im Einsteigerbereich sieht es schon anders aus. Mit der V1 setzt Nikon auf ein komplett neues, spiegelloses System mit Mini-Sensor – ob das den erwartete Erfolg hat, bleibt abzuwarten.
Im DSLR Einstiegsbereich mit DX-Sensor gibt es im Moment die Nikon D5100 mit 16MP, die ältere D3100 mit 12MP lasse ich auch mal außen vor, denn die ist mittlerweile auch schon in die Jahre gekommen und der Nachfolger, die D3200 angekündigt.
In der Mittelklasse mit DX-Sensor tummelt sich die D7000, die die gleiche (sehr gute) Bildqualität bietet, wie die D5100, weil sie den gleichen Sensor und Bildprozessor hat aber darüber hinaus eine professionellere Anmutung mit größerem Sucher und mehr Tasten am Gehäuse hat.
Ältere DX-Modelle, wie die D300s oder die D90 können hier vom Rauschverhalten nicht das Wasser reichen, daher lasse ich sie in dieser Betrachtung auch mal außen vor.
Nun stellt sich für viele Fotografen, die heute mit dem DX-Format (also mit einem Crop-Sensor) fotografieren, ja die Frage, wo die Reise hin geht. Wird Nikon das DX-Format irgendwann aussterben lassen? Macht ein Umstieg auf den größeren FX-Sensor Sinn?
Für mich gibt es eine ganz klare Antwort: das DX-Format sterben zu lassen wäre der größte Fehler, den Nikon machen könnte. Ganz im Gegenteil. Der Hauptgrund, weshalb überhaupt DSLR mit FX-Sensor vor einigen Jahren auf den Markt gebracht wurden, waren aus meiner Sicht:
- das Rauschverhalten der Sensoren war damals noch so schlecht, dass man es am einfachsten durch Vergrößern der Fläche erhöhen konnte und
- die Fotografen kannten das Format als Analog-Zeiten und wollten es unbedingt wieder haben, um sich von den Amateuren abzusetzen
Jaja, die Schärfentiefe ist natürlich bei FX geringer, ich weiß. Auch das wird gerne immer wieder angeführt, dabei ist das hochgradig relativ, denn die Schärfentiefe hängt neben der Sensorgröße noch von einer Vielzahl weiterer Parametern (Entfernung zum Motiv, Blendenöffnung, Brennweite etc.) ab. Gute Objektive zaubern bei richtigem Einsatz auch an DX ein fantastisches Bokeh. Und wer das nicht glaubt, schaut mal in meinen Foto-Galerien vorbei. ;)
Die Vorteile des DX-Sensors sind meiner Meinung nach aber nicht einfach weg zu wischen:
- Kleinere Kameras und Objektive
- Günstigere Kameras und Objektive (kleinere Sensoren, weniger Glas)
- Brennweitengewinn im Tele-Bereich. Aus 200mm werden 300mm.
Schon mit 200mm kann man auf einem 16 Megapixel DX Sensor den Bildausschnitt abbilden, den ein (viel teureres) 300mm an FX abbildet. Bei 16MP bleibt dann noch genügend Raum für Ausschnittsvergrößerungen. Ich persönlich habe bis heute keinen Grund gesehen, warum FX mir zu besseren Bildern verhelfen sollte. Das einzige, was ich beneidet habe, ist die ISO-Leistung der D700. Sie rauscht bei hohen ISO Werten definitiv weniger und zeichnet mehr Details trotz bzw. wegen ihrer «nur» 12 MP.
Nun aber mal Butter bei die Fische: jetzt kommt eine D800 mit 36 Megapixel, die bläst doch alles Weg. Croppen bis der Arzt kommt, Teleobjektive werden überflüssig. Wer braucht da noch das DX Format? So habe ich auch zunächst gedacht. Weg mit der D7000 – die D800 kommt her und ich spare mir das Geld für ein teures Teleobjektiv sondern mache später einfach Ausschnittvergrößerungen.
Fataler Denkfehler! Schauen wir uns mal an, was der so imposante 36 MP Sensor der D800 eigentlich ist!
Ketzerisch könnte man sagen: er ist ein D7000 Sensor mit Rahmen! Die Pixeldichte beider Sensoren ist nämlich genau die gleiche. Die zusätzlichen 20 Megapixel füllen einfach «nur» den äußeren Rahmen aus!
Der Naturfotograf in mir sagt jetzt: warum soll ich mir eine D800 kaufen, wenn ich dann doch bei den meisten Aufnahmen wieder beschneide, um einen engeren Bildausschnitt zu bekommen? Wenn für großformatige Plakate fotografiert oder im Studio, sieht das natürlich anders aus. Da wird man dann auch die gesamte Bildfläche nutzen wollen und hat ggf. Verwendung für die vielen Pixel.
Mein Fazit
Im Bereich der Naturfotografie sind Kameras mit DX Sensor aus meiner Sicht klar im Vorteil durch ihre Brennweitenverlängerung und letzten Endes natürlich auch durch ihre kleinere und leichtere Bauform. Klar kann ich auch die D800 im «DX-Modus» betreiben, dann sehe ich aber nur noch einen Mini-Ausschnitt im Sucher, eine wirkliche Lösung ist das nicht.
Für die Zeitraffer-Fotografie sind schon 16 Megapixel zuviel, 36 völlig ungeeignet. Hier wünsche ich mir die hohe ISO-Leistung einer D700 oder D4 in einem DX Gehäuse – die Auflösung von 16MP ist hier perfekt, sie lässt auch bei 4K-Videos noch Raum für etwas Beschnitt.
Ich gebe die Hoffnung ja nicht auf, dass sich Nikon besinnt und irgendwann die lang ersehnte D400 mit DX Sensor vorstellt und hoffentlich hier nicht auch dem Megapixelwahn verfällt sondern lieber einen Sensor mit weniger Pixeln vorsieht, der dafür aber die ISO-Leistung einer D700 hat! Technisch wäre das heute sicherlich möglich.
Ich weiß jetzt schon, dass dieser Bericht sicherlich sehr kontrovers diskutiert werden wird. Vor allem von denjenigen, die sich gerade eine D800 gekauft haben, oder auf das Vollformat schwören. Daher hier nochmal: Vollformat und die hohe Auflösung der D800 haben sicherlich ihre Berechtigung. Was ich nur mal loswerden wollte ist, dass nicht immer die «viel hilft viel» Devise gilt. FX ist nicht automatisch besser als DX und das auf jeden Fall «erstrebenswerte» Format. Alles hat seinen Einsatzzweck.
Meine Entscheidung für DX habe ich ganz bewusst aus genannten Gründen getroffen und nicht, um Geld zu sparen.
Die neuen FX-Nikons lassen jetzt auch nicht alles Andere plötzlich schlecht sein. Das gilt genauso für den Megapixel-Wahn. Mehr ist nicht unbedingt besser. Die großen Dateien ziehen wieder ganz andere Probleme nach sich und je kleiner die Pixel sind, um so stärker ist das Rauschen. Das gilt auch für Kameras auf echt hohem Niveau, wie die D800. Hätte Nikon ihr mit der aktuellen Technologie einen 16 MP Sensor verpasst, wäre dieser sicherlich einer der rauscharmsten überhaupt geworden – und ich möglicherweise doch noch schwach. ;-)
So – nun bin ich auf Eure Meinung gespannt!
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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Über meine Zusammenarbeit mit externen Partnern habe ich hier ausführlich geschrieben. Danke!