Im Dunstkreis von Parnaíba reißen wir noch ein paar Kilometer auf Asphalt ab, halten noch einmal an einer kleinen Bar am Straßenrand an, um etwas zu essen und zu trinken und dann geht es wieder in unwegsameres Gelände…
Wir passieren idyllische Dörfer, in denen die Bevölkerung den Feiertag nutzen um in den Flüssen zu baden oder einfach nur in ihren Hängematten zu relaxen. Alles macht einen entspannten, zufriedenen Eindruck. Trotz der Tatsache, dass die Bevölkerung hier offensichtlich nicht wohlhabend ist, im europäischen Maßstab würde man wohl von arm sprechen, machen die Menschen hier auf uns einen wesentlich zufriedeneren Eindruck als die meisten Deutschen.
Camocim
Bis Camocim kommen wir ganz gut voran. João hatte uns bereits von den 3 je nach Wetterlage und Jahreszeit mehr oder weniger leicht zu passierenden Flüssen erzählt, die noch vor uns lägen. Als wir Camocim erreichen, und damit den ersten Fluss, ist es bereits Nachmittag.
Am Ufer des Flusses herrscht reges Treiben, die Szenerie mit all den Fischerbooten und den ausgelassen badenden Kindern ist einfach malerisch.
João fragt sich durch, bis er einen Fährmann gefunden hat, der bereit ist, uns auf die andere Seite zu fahren.
Wir genießen die Fahrt über den Fluss. Wir saugen die warme Nachmittagssonne, die salzige Luft und die tolle Atmosphäre in uns auf und freuen uns trotz der bereits hinter uns liegenden anstrengenden Kilometer riesig auf den letzten Abschnitt, denn jetzt geht es nur noch direkt am Strand entlang bis Jericoacoara!
Drüben angekommen düsen wir mit Highspeed am Strand entlang! Der Untergrund ist größtenteils hart und gut befahrbar. Links von uns der unendliche Atlantik, rechts von uns Dünen und ab und an Mangroven. Und bald kommen wir zu dem zweiten Fluss. Und jetzt passiert das, was passieren musste: die Fähre ist nicht in Betrieb.João sagt, das letzte Mal, als er hier war, sei die Fähre noch da gewesen. Nun bliebe uns nichts anderes übrig, als uns eine Stelle zum durchfahren zu suchen. Die Tiefe dieses Flusses kann ich nicht einschätzen, ich sehe nur, dass er sehr breit ist.
Zum durchfahren müssen wir eine durchgängig flache Stelle finden mit ausreichend festem Untergrund, damit wir mit dem Jeep nicht stecken bleiben oder voll laufen. Der Jeep hat keine Winch, aber selbst wenn, würde uns die nichts nutzen. Der Fluss ist hier viel zu breit, als dass wir uns selbst herausziehen könnten, sollte es nicht weiter gehen.
An einer Stelle, zu der einige Reifenspuren führen, steigt João aus und watet durchs Wasser. Zunächst sieht alles gut aus – das Wasser geht es ihm nur bis zu den Knien. Aber plötzlich sinkt er brusttief ein. Shit. Hier eine durchgehend flache Überquerung zu finden scheint wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Diana und ich sind mittlerweile auch ausgestiegen und schauen uns die Sache an. Es wird definitiv nicht einfach, diesen Fluss ohne Fähre zu überqueren.
João watet nun schon zehn Minuten durch das hüfttiefe Wasser. Immer, wenn er gerade ein Stelle gefunden hat, wo es etwas flacher wird, folgt darauf wieder ein tiefes Loch. Ich sehe unsere Chancen schwinden, heute noch nach Jericoacoara zu kommen. Die Sonne steht schon tief am Himmel, und wenn wir es nicht schaffen, müssen wir durch die Dunkelheit fahren, oder irgendwo übernachten.
Ersteres wäre ziemlich gefährlich, da dieses unwegsame Gelände bei Dunkelheit nur sehr schwer zu befahren ist. Jederzeit könnte man in ein großes Schlagloch fahren oder sich im losen Sand festfahren.
Letzteres wohl auch nicht ganz einfach. Eine Pousada werden wir in dieser einsamen Gegend wohl schwerlich finden. Dann bliebe uns möglicherweise nichts anderes übrig, als uns am Strand irgendwo hin zu legen.
Übernachten am Strand
Als ich darüber sinniere, fällt mir ein Erlebnis ein, welches ich vor vielen Jahren mit einem Freund auf Kreta hatte. Damals umrundeten wir mit dem Rucksack die Insel und schliefen meistens direkt am Strand. Das war zum Teil recht unbequem, weil die meisten Strande auf Kreta – ganz anders als hier – reine Steinstrände sind. Als wir also eines Tages erst bei Dunkelheit nach langer Suche einen einsamen Platz an einem dieser Steinstrände mit besonders großen Wackersteinen gefunden hatten, suchten wir todmüde eine wenigstens einigermaßen ebene Fläche, um unsere Isomatten auszurollen. Kaum hatten wir endlich eine solche gefunden, legten wir uns auch schon hin und schliefen sofort ein. Nachts wurde ich irgendwann durch Helligkeit und Lärm wach und sah uns im Scheinwerferlicht zweier Jeeps, die mit hoher Geschwindigkeit auf uns zufuhren. Ich konnte gerade noch meinen Freund an seinem Schlafsack zur Seite reißen und mich selbst hinterher werfen, da donnerten sie schon über die Stelle, auf der wir gerade noch gelegen hatten. Es waren offenbar Angler, die morgens um 3 vom Strand zurückfuhren – vermutlich ebenso übermüdet wie wir – und uns in unseren Schlafsäcken nicht gesehen haben. Der Schock saß jedenfalls tief. Am nächsten morgen konnten wir dann sehen, dass unsere Übernachtungsstelle auf einer kaum auszumachenden Piste auf dem Steinstrand lag – deswegen war die Stelle auch etwas ebener als der Rest. Bei Dunkelheit war das allerdings nicht zu erkennen.
Und die Moral von der Geschichte: Schau Dir den Ort an dem Du Dich zum schlafen hinlegst lieber zweimal an. Es könnte eine Straße sein, auch wenn sie nicht so aussieht.
Flussdurchfahrung
Plötzlich werde ich aus meinen Gedanken gerissen denn wie aus dem Nichts tauchen zwei Kinder auf, laufen auf João zu und rufen etwas, das ich auf die Entfernung nicht verstehe. João wechselt ein paar Worte mit ihnen und plötzlich stellen sich sich beide diagonal versetzt mitten in den Fluss, der ihnen an den jeweiligen Stellen gerade mal bis zu ihrer Kinderhüfte geht und strecken die Arme aus, so dass sie eine gerade Linie über den Fluss anzeigen.
João und ich verstehen sofort. Dort sollen wir durchfahren. João vertraut ihnen auf Anhieb. Er läuft sofort zurück zum Jeep, startet den Motor und fährt genau da durch den Fluss, wo die Kinder stehen.Wir folgen zu Fuß. Die beiden wohnen offenbar hier und wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass sie gerade nicht zum ersten Mal Durchreisenden dabei geholfen haben, diesen Fluss zu durchqueren und sich auf diese Art ihr Taschengeld verdienen. Wir entlohnen sie natürlich auch, denn ohne ihre Hilfe hätten wir diese Durchquerung vermutlich heute nicht mehr hinbekommen.
Endspurt nach Jericoacoara
Das Tageslicht schwindet, und João drückt wieder auf die Tube. Wir fliegen jetzt über einem glatten, weißen aber doch festen Strand dahin. Als ich ihn nach dem Grund der Eile frage, erklärt er, dass wir noch eine Fähre vor uns hätten und die Fährmänner mit Einbruch der Dunkelheit den Betrieb einstellen würden. Und diesen letzten Fluss könnten wir auf keinen Fall durchfahren…
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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