Ich habe die Leica SL2 getestet, den neuen spiegellosen 47 Megapixel Boliden aus dem Hause Leica mit Autofokus, 5‑Achsenstabilisator, elektronischem Sucher und vielem mehr. Also eine Kamera, die das Zeug haben könnte, auch abseits der eingeschworenen Leica-Community, Interessenten zu finden. Ich war sehr gespannt, wie sich die SL2 tatsächlich im Vergleich zu der etablierten Konkurrenz schlagen würde.
Bevor ihr euch wundert, wie es dazu kam: Leica hat mich gebeten, mir ein Vorab-Modell der Kamera anzusehen und ihnen fundiertes Feedback zu geben aus der Sicht von jemandem, der eben sonst nicht mit Leica Kameras fotografiert und so natürlich einen ungetrübteren Blick hat als die eingeschworenen Leica-Fans! ;-) Und das vor allem auch im Vergleich zu den Mitbewerbern, die ich recht gut kenne. Weiterhin schätzen sie wohl meine kritischen und detaillierten Reviews zu anderen Kameras … da scheine ich mir also schon einen gewissen Ruf erarbeitet zu haben … Und klar, wenn jemand ernsthaft an meinem Input interessiert ist, dann bin ich auch gerne bereit, mir die Mühe zu machen!
Viele andere Reviews werden ja von Leica-Usern geschrieben, und hier ist die Fragestellung ja in der Regel: Kann die neue Kamera den Leica-Gerätepark sinnvoll erweitern? Mir persönlich, als nicht Leica-User, interessiert aber vor allem, ob Leica es schafft, mit der Kamera auch Kunden aus den anderen «Lagern» abzuziehen, weil sie die dafür notwendigen Alleinstellungsmerkmale bieten. Sprich: ob sie auch jemanden, ohne einen Bestand an Leica-Objektiven dazu bringen können, (trotz ihres Preises) eine SL‑2 anzuschaffen und fortan auf das L‑Bajonett zu setzen, einfach weil diese Kamera so gut ist.
Mir war beim Test der Kamera vor allem ihre Usability, ihre Bildqualität und die technische Ausstattung gegenüber den Mitbewerbern wichtig.
Und auch wenn das jetzt kein in allen Bereichen vollständiges Review ist (dafür hatte ich die Kamera auch zu kurz, und zu wenig Möglichkeiten damit ernsthaft zu fotografieren), denke ich, kann meine Einschätzung sicher auch für den einen oder anderen von euch wertvoll sein, daher teile ich meine Erfahrungen jetzt hier mit euch, auch wenn sie auf einem Vorserienmodell basieren. Es mag sein (und bleibt zu hoffen), dass Leica im Bereich der Software noch einiges nachgebessert hat und auch noch nachbessern wird. Solltet ihr mittlerweile ein Produktionsmodell der Kamera haben, und sich Dinge gegenüber meinem Review geändert haben, schreibt mir doch bitte, damit ich das ändern kann.
Rahmendaten
- Der Sensor der SL2 löst 47 Megapixel auf, schreibt Raw-Dateien im DNG Format.
- Die Kamera hat 2 SD-Karten Slots, die schnelle UHS‑2 Karten unterstützen.
- Monitor: 3,2 Zoll, Auflösung von 2,1 Millionen Pixeln (entsprechend 1024 × 680 Bildpunkte).
- Elektronischer Sucher: 5,7 Megapixel. Bildwiederholrate: 120 Bilder/Sek. (die meisten anderen Spiegellosen bieten 60 Bilder pro Sekunde, einen Unterschied konnte ich aber nicht sehen). Die Vergrößerung des Suchers liegt bei 0,78 fach, der Sucher ist sehr gut.
- Als Bajonett-Anschluss nutzt Leica das L‑Mount und somit ein Bajonett, dass in Kooperation von Leica, Sigma und Panasonic genutzt wird. Das verspricht perspektivisch eine gute, herstellerübergreifende Objektiv-Verfügbarkeit und ist aus meiner Sicht ein guter Weg. Wie erfolgreich solche gemeinsamen Bajonett-Nutzungen sein können, sieht man ja an dem Micro-Four-Thirds System von Olympus und Panasonic. Um das volle Potenzial der SL2 nutzen zu können, braucht man natürlich solche L‑Objektive mit Autofokus. Andere Leica-Objektive erfordern einen Adapter.
- Die SL‑2 hat einen eingebauten sensorbasierten 5‑Achsen Stabilisator (IBIS).
- Das Gehäuse wiegt mit Akku 928 g.
- Das Gehäuse wird knapp 6.000€ kosten.
Monitor und Sucher
Die SL‑2 bietet einen schneller und scharfen elektronischen Sucher auf Augenhöhe mit den anderen führenden spiegellosen Kameras.
Besonders gut gefällt mir die Dioptrienverstellung am Sucher. Der runde Sucher mit dem Ring drumherum ist eine sehr schöne Ingenieursleistung und zeigt Liebe zum Detail, so wie man es von Leica erwartet.
Negativ: Leider hat sich Leica gegen ein Klappdisplay entschieden. Das ist in vielen fotografischen Situationen eine Einschränkung und bei Video fast ein Show-Stopper. Hier finde ich, hat Leica wahrscheinlich dieses praktische Feature dem Design der Kamera geopfert, das ist mehr als schade.
Bedienung und Haptik
Hardware
Die Kamera ist schick. Das Design ist modern, wirkt aber zeitlos und elegant. Dadurch, dass die Kamera recht groß und auch sehr massiv gebaut ist, ist sie allerdings recht schwer für eine Spiegellose. Zum Vergleich: Die Nikon Z 7 wiegt 675 g. Die SL‑2 (928 g) spielt also eher in der Gewichtsklasse einer Spiegelreflex wie der Nikon D850, die wiegt 985 g und damit nur unwesentlich mehr.
Auch das Vario Elmarit 24–90 f/2.8–4 ist mit 1.140 g verhältnismäßig schwer. Und auch vom Preis her, eine «Klasse für sich», es kostet 4.600€. Zum Vergleich, das hervorragende Nikon Z 24–70 mit durchgängiger Blende f/2.8 kostet unter 2.000 € und wiegt 805 g.
Zu dem Gewicht des 24–90 kommt die Gegenlichtblende, die leider optisch überhaupt nicht zu der schicken Kamera und dem schicken Objektiv passt.
Aber weiter mit den positiven Dingen. Die Leica SL2 hat einen ergonomisch tiefen Griff und liegt gut in der Hand.
Sie hat 6 belegbare Funktionstasten (die Fn-Taste links vom Display, die Taste zum Umschalten zwischen EVF und Display, zwei Knöpfe auf der Deckkappe und zwei Knöpfe vorne neben dem Bajonett). Die Programmierung der Tasten ist wirklich sehr schön gelöst (wenn man einmal darauf gekommen ist): Lang-Klick weist der jeweiligen Taste eine neue Belegung zu.
Ein dediziertes Rad für die Modus-Umschaltung (also P, A, S, M) sucht man zunächst vergebens. Die Kameramodi lassen sich aber durch einen Druck auf das hintere Rad umschalten, alternativ über das Menü. Eine klevere Lösung, die aber ohne Handbuch kaum rauszufinden ist.
Insgesamt mag ich ja einen gewissen Minimalismus. Bei der Arbeit mit der Leica SL2 hatte ich trotzdem das Gefühl, zu wenig Tasten an der Kamera zu haben. Dass keine Tastenbeschriftungen da sind, sieht natürlich schick aus und erleichtert das individuelle Belegen der Tasten – aber gewisse Grundfunktionen, wie eine dedizierte Taste zur Videoaufnahme, die AF‑L Taste etc. die andere Kameras fest ausweisen, machen meiner Meinung nach schon Sinn und erleichtern Neulingen den Einstieg in die Kamera.
Klar sollte ein Fotograf seine Kamera auswendig kennen und dann braucht er nach einer gewissen Einarbeitung auch keine Beschriftungen an der Kamera, trotzdem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass auch hier Design auf Kosten der Usability betrieben wurde.
Ein weiteres schönes Beispiel dafür ist der zweifelsohne schicke Ein-/Ausschalter. Ja, er sieht gut aus. Aber ich habe zwei Probleme damit: Erstens, er ist auf der linken Seite angebracht. Das ist unergonomisch, weil man immer die zweite Hand braucht, um die Kamera einzuschalten. In der Praxis ist es bei mir ganz oft so, dass ich die Kamera mit der rechten Hand greife, sie direkt ans Auge führe und dabei gleichzeitig einschalte. Das ist eine Bewegung, die definitiv keine zweite Hand erfordert. Bei der SL‑2 geht das nicht. Da muss man jedes Mal mit der linken Hand den Einschalter suchen. Weiterhin ist der Schalter eher Design- als Benutzerorientiert gestaltet. Schaut euch mal das Bild an. Da seht ihr, dass man den Schalter nach unten klappen muss, um die Kamera einzuschalten. On steht aber auf der gegenüberliegenden Seite und damit oben. Sicher kann man sich daran gewöhnen, aber man muss es auch.
Software
Die Leica SL2 bringt ein sehr schön gemachtes «Quickmenü» mit, auf dem man die wichtigsten Einstellungen tätigen kann. Das Quickmenü ist per Touch bedienbar und bietet z. B. Schieberegler für die Einstellung der Blende etc. Insgesamt ist das Quickmenü (im Gegensatz zum «großen Menü») von der Usability her sehr gut gelungen.
Das normale Kameramenü ist nicht per Touch zu bedienen, hier gibt es einen Bruch in der Usability, sobald man vom Quickmenü in das normale Menü gelangt. Insgesamt wirkt es so, als ob das Quickmenü nachgerüstet wurde. Hier hätte ich mir eine einheitliche Bedienung gewünscht.
Es gibt, wie auch bei anderen Kameras üblich, ein Benutzermenü, in das man seine wichtigsten Funktionen legen kann, leider lässt sich dieses aber nicht sortieren, sondern die Reihenfolge der Einträge ist vorgegeben.
Bei der Touch-Bedienung sollte auch eine Zurück-Möglichkeit per Touch angeboten werden, es ist nicht intuitiv, dass man auf «Menü» klicken muss, um zurück zu kommen.
Es ist auch nicht intuitiv, dass man im Kameramenü die Seiten des Menüs über die Menü-Taste wechselt. Hier wäre ein Swipe links oder rechts das erwartete Verhalten, zumindest aber ein tap auf die Seitennummern oben. Die Seitennavigation im Menü funktioniert aber zusätlich auch über das vordere Drehrad. Mit dem Drehrad kann man vorwärts und rückwärts navigieren, während man mit der Menütaste nur vorwärts navigieren kann.
Die SL2 bietet Benutzerprofile für Einstellungen. Ich habe kein Handbuch gehabt, aber intuitiv fand ich das nicht. Ist aber bei anderen Herstellern genau das gleiche. Auch bei Nikon sind nach wie vor die Benutzerprofile eine Wissenschaft für sich, daher nutze ich sie auch nicht.
Bei der SL2 kam dann noch dazu, dass ich, nachdem ich die Kamera konfiguriert hatte, einmal aus Versehen bei Benutzerprofil das Standard-Profil erneut ausgewählt habe, und das dann alle meine Kameraeinstellungen ohne Rückfrage zurückgesetzt hat. Hier ist definitiv Nacharbeit an der Firmware gefragt, wenn man seine User nicht frustrieren möchte.
Was mich auch gestört hat bei der Bedienung ist, dass die Kamera sich die jeweilige Menüposition nicht gemerkt hat. Jedes Mal, wenn man das Menü aufruft, steht es wieder am Anfang.
Und dann noch ein Punkt zur Iso-Automatik, einer Funktion, die ich sehr häufig nutze, fast immer, wenn ich aus der Hand fotografiere. Insbesondere schätze ich die intelligente Automatik z. B. bei Nikon, bei der man «Längere» oder «Kürzere» Zeiten als Präferenz hinterlegen kann. Wenn ich z. B. abends aus der Hand fotografieren möchte und damit längere Belichtungszeiten realisieren möchte, stelle ich «Längere Zeiten» ein. Wenn ich im Urwald schnell springende Affen fotografieren will, stelle ich «Kürzere Zeiten» ein.
Bei der SL2 kann man die Auto-ISO entweder statisch auf eine Belichtungszeit begrenzen oder dynamisch auf Auto. Aber Ausprägungen wie «Kürzere Zeiten» oder «Längere Zeiten» gibt es nicht. Auch das wäre etwas, das sich sicher leicht per Firmware nachrüsten ließe.
Dateiformat, Raw-Converter
Sehr schön: Die Kamera schreibt die Dateien im DNG Format, die Raw-Dateien des Vorserienmodells wurden sofort von Lightroom unterstützt. Bei so gut wie allen anderen Herstellern muss man im Gegensatz dazu erst warten, bis die Kameras nach ihrer offiziellen Markteinführung von den gängigen Raw-Convertern unterstützt werden.
Die beiden Kartenslots unterstützen sowohl normale SD-Karten, als auch die schnellen (und teuren) UHS-II SD Karten. Letztere sind eigentlich ein absolutes Muss, wenn man mit der Kamera auch einmal Serienaufnahmen machen will, ansonsten dauert das Wegschreiben des Puffers ewig (siehe unten).
Video
Die SL2 bietet einen sehr guten Videomodus mit hohen Auflösungen und hohe Bitraten für anspruchsvolle Videoaufnahmen. Auch gibt es einen Log-Modus! Man merkt hier die enge Zusammenarbeit mit Panasonic, die ja im Videobereich recht weit vorne liegen.
In 4K filmt die Kamera mit bis zu 60 Bildern/Sekunde, das bieten viele Mitbewerber noch nicht.
Die SL2 hat ein eingebautes Mikrofon und einfachen Lautsprecher, viel wichtiger ist aber, dass sie zusätzlich einen Kopfhörer- und einen Mikrofonanschluss bietet.
Nicht so schön ist die Autofokus-Nachführung im Videomodus. Hier hat Sony die Messlatte hochgelegt, mittlerweile ist auch Nikon mit der Z 6 und Z 7 hier aufgeschlossen. Dagegen wirkt die AF-Leistung der Leica im Videomodus wie bei einer DSLR. Das ist auch nicht verwunderlich, da die Leica ja leider keinen Phasen-Hybrid-Autofokus hat, sondern nur eine Kontrast-Autofokus. Dabei ist es prinzipbedingt so, dass der Autofokus «pumpen» muss, um die Fokussierung festlegen zu können. Bei Fotos lässt sich das noch etwas kaschieren, beim kontinuierlichen Fokussieren im Videomodus wirkt es unschön.
Insgesamt ist die Videoqualität der Leica sehr gut, in der Praxis würde mich das fehlende Klappdisplay und der unzureichende Nachführautofokus stören. Wer beim Filmen keinen Autofokus nutzt, für den spielt das natürlich keine Rolle, aber wenn man einmal mit einer Kamera gefilmt hat, die das «richtig» macht, möchte man eigentlich nicht mehr zurück.
Zeitraffer
Der eingebaute Intervallauslöser ist einfach aber ok. Er löst die Kamera mit kurzen Schwarzzeiten aus (verzögert also nicht unnötigerweise die Bildanzeige zwischen den Aufnahmen).
Nicht so schön: Während der Aufnahmen bekommt man leider bei der Bildvorschau immer eine überlagerte «Abbrechen?»-Meldung, die die Beurteilung des Bildes schwer macht. Die Abbrechen-Funktion auf die Play-Taste zu legen ist auch aus Usability-Gründen keine gute Idee (so wie Start zum Beenden bei Windows …:-)). Ggf. könnte man das auf die OK oder die Joystick-Taste legen, ich habe das Leica vorgeschlagen.
Leider lassen sich auch während der Bild-Wiedergabe im Zeitraffermodus die Kameraparameter nicht nachstellen. Das wäre z. B. für Aufnahmen nach der Heiliger-Gral-Methode notwendig.
Eine Stromversorgung oder das Laden der Kamera über USB funktioniert mit gewissen Einschränkungen und zwar wie folgt: die Kamera wird geladen, wenn sie ausgeschaltet ist und sobald sie eingeschaltet ist, wird die Kamera nur mit Strom versorgt ohne dass sie geladen wird.
Performance
Die SL2 nimmt bis zu 20 Bilder pro Sekunde auf. Dazu braucht man aber schnelle UHS‑2 Speicherkarten, die ich nicht hatte. Wenn ihr mit einer SL2 liebäugelt, solltet ihr auf jeden Fall die Anschaffung von schnellen UHS‑2 Karten einplanen, um die Kamera nicht auszubremsen.
Bildreview nachdem drücken auf Play dauert relativ lange (im Vergleich zu anderen Kameras). Das kann aber auch an meiner «normalen» Speicherkarte gelegen haben.
Playback: Reinzoomen auf 100% zeigt das Bild zunächst unscharf an, habe ich auch noch bei keiner anderen Kamera so gesehen, mag aber auch meiner langsamen Speicherkarte geschuldet sein.
Den Kamera-Puffer zu schreiben dauert verhältnismäßig lange – auch wieder getestet mit meiner Sandisk Extreme Pro 95 MB/sec:
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- RAW+JPG
- Leica 27 Bilder, Kamera in HighSpeed Cont, 1 Min 03 (!) um die 27 Raw-Bilder wegzuspeichern. Ich hatte keine UHS-II Karte zum Test aber ich gehe davon aus, dass es damit schneller geht.
- Nikon Z 6 (xQD Karte): 41 Bilder, 4 Sekunden zum Speichern
- RAW+JPG
Autofokus
Der Autofokus zittert bei AF‑C, bei AF‑i wird nicht kontinuierlich sondern Ruckartig nachgestellt. Ein riesen Unterschied zur AF‑C Performance einer Nikon Z oder Sony Alpha z.B. bei denen der Fokus Smooth unmerkbar und unhörbar nachgestellt wird.
Offenbar arbeitet die Kamera ausschließlich mit einem kontrastbasierten Autofokus, das erklärt das Pumpen. Im Vergleich setzen die meisten anderen DSLM Kameras auf eine Kombination auf kontrast- und sensorbasierten Phasen-Autofokus. Es ist mir wirklich unverständlich, warum Leica bei einer so teuren Kamera auf den rein kontrastbasierten Autofokus setzt, wo es doch schon lange die deutlich besseren Alternativen am Markt gibt.
Bei statischen Bildern spielt das keine große Rolle, da trifft der Autofokus gut. Im AF‑C Modus (also kontinuierlicher Autofokus) liefert die Leica leider nicht so gut ab, wie ihre Mitbewerberinnen.
Dafür ist der sensorbasierte 5‑Achsen Stabilisator wirklich top und spielt in einer Liga mit den Besten.
Bildqualität
Kommen wir zur Bildqualität. Zweifelsohne liefert der 46 Megapixel Sensor gestochen scharfe und brillante Bilder. Natürlich kommt es hier auch auf das Objektiv an. Mich persönlich hat das 24–90 2.8–4 trotz seines Preises nicht vom Hocker gerissen. Ich finde in der Preisregion könnte es schon ein Objektiv mit durchgängiger 2.8 Blende sein, selbst wenn dies dann nur bis 70mm gehen sollte. Wie man es z. B. an dem Nikon Z 24–70 2.8 S sieht, das ja auch noch um einiges leichter ist.
Gestört hat mich bei dem 24–90 auch, dass es eine ziemliche Randabschattung hat, die die Kamera versucht zu korrigieren, indem sie das Objektiv-Profil direkt in die Raw-Dateien schreibt. Lightroom zeigt dann nur an, dass ein Kamerainternes Profil angewendet wurde, man kann dieses aber nicht abschalten. Das führt insbesondere in den Grenzbereichen des Sensors dann dazu, dass die Randbereiche durch das starke Aufhellen in der Qualität krass gegenüber der Mitte abfallen.
Bei guter Beleuchtung liefert der Sensor der Leica SL2 wirklich sehr gut ab. Bei höheren ISOs fällt der Dynamikumfang und das Rauschverhalten gegenüber der Konkurrenz dann aber leider etwas ab.
Für einen Test habe ich mit der Leica SL2 eine Belichtungsreihe aufgenommen, von ISO 100 bis ISO 6.400 und die gleiche Reihe mit exakt identischen Einstellungen mit der Nikon Z 6. Eine Z 7 hatte ich zu dem Zeitpunkt leider nicht zur Verfügung. Bei der Z 6 und Z 7 ist es aber so, dass die Bildqualität auf gleichem Niveau ist, wenn man die Bilder der Z 7 auf 24 MP herunter skaliert. Deswegen habe ich auch bei dem Test mit der Leica die Bilder auf die gleiche Größe gebracht, um einen fairen Vergleich im Bereich der ISO-Leistung und des Dynamik-Umfangs anstellen zu können.
Hier zunächst mal ein Vergleich ohne Kontrastbearbeitung, Rauschreduzierung +10 (Lum) in Lightroom, Belichtung um 2 Blendenstufen gepusht, ansonsten alles neutral und gleich eingestellt.
Mit etwas Schatten aufhellen und Lichter absenken wird der Unterschied im Dynamikumfang dann doch recht schnell deutlich.
Die Details in den dunklen Partien verschwinden und das Rauschen nimmt überhand. Das ist halt der Preis für die sehr hohe Auflösung.
Das gilt aber eigentlich grundsätzlich für Kameras mit sehr hoher Auflösung: die Pixel werden kleiner, der Dynamikumfang geringer.
Dafür punktet die Leica natürlich mit extremer Detailzeichnung wenn entsprechende Objektive angeschlossen sind. Insbesondere in den unteren ISO-Bereichen.
Mein Fazit
Leica bringt mit der SL2 eine sehr wertige und in vielen Details durchdachte Kamera auf den Markt. Designentscheidungen für ein schickes Äußeres geht man als Leica-User auch dann mit, wenn sie zulasten einiger Usablility-Einschränkungen gehen, dass muss man einfach wissen, am besten macht man sie sich daher zu eigen und sieht sie als Feature. :-)
Leica nimmt für diejenigen User, die schon entsprechende Objektive und Adapter haben oder planen in dem Umfeld des L‑Bajonetts zu investieren, mit der SL2 eine tolle Kamera ins Portfolio auf, die im Vergleich zu dem Vorgänger ein großer Schritt nach vorne ist.
Mit dem 5‑Achsen-Stabi, dem hochauflösenden Sensor und den guten Videomöglichkeiten bringt die Kamera etliche Vorteile gegenüber anderen Leica-Modellen.
Schade finde ich vor allem, dass beim Autofokus Potenzial verschenkt wurde, indem man auf einen rein kontrastbasierten AF gesetzt hat, der eigentlich nicht mehr State of the Art ist. Für viele Fotografen mag das gar kein Problem sein, weil der Autofokus ja schon «trifft», die Ausbeute bei Fotos also durchaus gut ist. Wem es also egal ist, dass die Kamera beim Fokussieren pumpt, selten in AF‑C fotografiert und keinen Wert auf Video mit Nachführ-Autofokus legt, der kann mit dem Autofokus der SL2 durchaus auch happy werden.
Der Sensor ist zweifelsohne gut, die hohe Auflösung und Detailzeichnung erkauft man sich, wie üblich, mit leichten Abstrichen in der Bildqualität und dem Dynamikumfang bei höheren ISO-Zahlen. Ich persönlich hätte einen etwas niedriger aufgelösten Sensor mit besserer High-ISO Leistung und größerem Dynamikumfang bevorzugt.
Es bleibt aber leider auch bei der Leica SL2 zu sagen, dass sie für eine Kopfentscheidung zu teuer ist. Bei einem Preis von 6.000€ für das Gehäuse und 4.600€ für das 24–90 f/2.8–4 Objektiv, sind wir 5‑stellig.
Im Vergleich ist eine Nikon Z 7 (inkl. FTZ Adapter) für derzeit unter 3.000 €, das Z 24–70 f/2.8 unter 2.000€ zu haben, das ist die Hälfte – aber man bekommt halt kein «Leica-Feel».
Wenn ich mal exemplarisch einen ganz groben Vergleich zwischen der SL2 und der Nikon Z 7 auf technischer Ebene machen sollte:
Vorteile Leica SL2:
- 4K/60 Video, echter Log Modus auch bei Aufnahmen auf Speicherkarte
- Schnellere Bildrate von 20 Bildern pro Sekunde (mit den entsprechenden Speicherkarten)
- Höhere Sensorauflösung
- 2. Speicherkartenslot
Vorteile Nikon Z 7:
- Klappdisplay
- Mehr und eindeutigere Bedienmöglichkeiten an der Kamera
- Moderner Hybrid-Autofokus
- Smoother, kontinuierlicher AF bei Video
- Bessere High-ISO Leistung und besserer Dynamik-Umfang
- Kostet die Hälfte
Hier kommt es also auf die Präferenzen an. Ob der doppelte Preis dann «egal» ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich befürchte allerdings, dass auch die SL2 nicht die Kamera sein wird, die User anderer Hersteller zu Leica bringt. Zumindest nicht, wenn sie Kopfentscheidungen treffen. Aber wie ich von Paddy gelernt habe, kauft man sich eine Leica ja auch nicht mit dem Kopf, sondern mit dem Bauch … ;-)
Ich hoffe, euch mit meiner persönlichen Einschätzung zu dieser Kamera und ihrer Positionierung gegenüber den Mitbewerbern etwas geholfen zu haben. Ich freue mich wie immer über eure Kommentare!
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