Die Sony Alpha SLT-A99, Sonys neues Vollformat Flaggschiff traut sich in die «Höhle des Löwen» – wie schlägt sie sich in meinen Händern – vor allem gegenüber der Nikon D800?
Vier Jahre Entwicklungszeit haben sich die Sony Ingenieure gelassen, seit dem Vorgänger, der Sony A900 – der ersten Vollformat DSLR aus dem Hause Sony. Mit ihrem Nachfolger, der SLT-A99, liefern die Japaner nun eine komplett neue Kamera mit einer Fülle an technischen Finessen, Möglichkeiten und Neuerungen. Nicht nur das spiegellose SLT-System und somit der elektronische Sucher haben Einzug gehalten, sondern die Kamera bietet auch noch ein duales Autofokus System, Fokus-Peaking, ein Klappdisplay, ein eingebautes GPS Modul, Full HD Video (1080p) Video mit 60 Bildern pro Sekunde und last but not least einen hervorragenden 24 MP Sensor mit 14bit RAW-Ausgabe.
Als jahrelanger Nikon-Nutzer aber auch Technik-Enthusiast und video-affiner Fotograf war ich natürlich sehr gespannt – würden die zweifelsohne auf den ersten Blick beeindruckenden neuen Funktionen und Features der Sony mich anfixen und mich diese Funktionen an meinen Nikons in Zukunft schmerzlich vermissen lassen? Wie groß würde der «Spaß-Faktor» – für mich ein sehr wichtiger Aspekt – sein, mit dieser Kamera zu fotografieren?
Zur Verfügung stand mir für meinen Test neben dem Sony Alpha SLT-A99 Body (ca. 2.8T€) auch das hervorragende Sony Vario Sonnar 24–70mm f/2.8 von Carl Zeiss (ca. 2T€) – insgesamt also eine Kombo, die schon in einer Preisregion angesiedelt ist, in der sie besser halten sollte, was sie verspricht… :-)
Bevor ich auf die Kamera eingehe, möchte ich kurz etwas zu dem Carl Zeiss Objektiv sagen: dies Linse ist sicherlich über jeden Zweifel erhaben und definitiv ein großartiges Objektiv. Ob der Aufpreis von ca. 500€ gegenüber dem Nikon 24–70 f/2.8 und dem Canon 24–70 f/2.8 gerechtfertigt ist, kann ich nicht beurteilen (weil ich sie nicht besitze und auch nicht getestet habe) – aber ich finde 2T€ für ein «Standard-Zoom» schon echt happig…
Zum Hintergrund meines Tests
Eine Warnung vorab: das Review, das ich hier schreibe ist hochgradig subjektiv. Ich bin zwar total offen an den Test der Sony herangegangen, habe aber aus meiner täglichen Arbeit natürlich einen «Nikon-Hintergrund» und vergleiche somit ganz zwangsläufig. Ganz sicher sind einige Bedienkonzepte für mich ungewohnt, weil ich sie nicht kenne oder anders kenne. Um die Sony kennen zu lernen, habe mich zunächst intuitiv mit ihr beschäftigt, dann versucht, mich in die Funktionen und Möglichkeiten die ich nicht auf Anhieb verstanden habe, so gut es ging einzulesen. Wichtig war mir vor allem, sie in der Praxis kennen zu lernen. Daher bin ich, nachdem ich mich mit ihr vertraut gemacht hatte, einige Stunden durch Hamburg gezogen und habe fotografiert – um zu sehen, wie sie sich anfühlt, ob sie mir «Spaß macht». Die Hamburg-Bilder, die ihr hier seht, sind alle nicht nachbearbeitet, sondern so aus der Kamera gekommen und lediglich einmal in Lightroom in JPG konvertiert worden.
Technische Tests habe ich ganz bewusst nicht im großen Umfang gemacht, ich kann Euch sagen, dass die Bildqualität auf sehr hohem Niveau ist, der 24 Megapixel Sensor von Sony, ist so gut wie en-par mit den Sensoren von Nikon und Canon und auch der Lichtverlust durch die SLT-Technologie (s.u.) macht sich in der Praxis erstaunlicherweise nicht bemerkbar. Wenn man sich bei der Bildqualität auf solch einem hohen Niveau bewegt, kommt der Bedienung der Kamera – ich kann mich da nur wiederholen – ein immer höherer Stellenwert zu. Was nutzt mir der tollste Sensor, wenn ich das von mir gewünschte Bild ggf. nicht umsetzen kann?
Bild- und Videoqualität
Wie gesagt, trotz des SLT-bedingten Lichtverlustes auf dem Sensor (dazu weiter unten mehr) schlägt sich die A99 auf Augenhöhe mit den aktuellen Vollformat-Kameras der Konkurrenz. Als technischen Vergleich zeige ich hier nur mal einen 1:1 Ausschnitt einer Aufnahme mit ISO 6400, je einmal mit der Sony Alpha A99, der Nikon D800 und auch der der neuen 24MP Nikon D5200 (letztere allerdings mit Crop-Sensor).
Hier zunächst die Aufnahmen, ohne Bearbeitung, als 1:1 Ausschnitt, so wie sie aus Lightroom kommen:
und nun noch einmal nachdem ich die Rauschreduzierung von Lightroom komplett abgeschaltet habe.
So, mehr Pixel-Peepen gibt es nicht. Diese Kameras machen alle hervorragende Bilder mit einem riesigen Dynamikumfang – auch bei hohen ISO-Zahlen.
Die SLT-Technologie
Die Sony Alpha SLT-A99 ist keine SLR (Single Lens Reflex), sondern eben eine «SLT» (Single-Lens Translucent) – also eine Kamera mit teildurchlässigem Spiegel, der nicht mehr «umklappt». Bei dieser Technologie fallen ca. 70% des Lichts auf den Sensor, die restlichen ca. 30% werden zum Phasen-Autofokus Modul umgelenkt. Auf die Art und Weise, bekommt der Sensor permanent Bildinformationen und der Autofokus kann gleichzeitig arbeiten. Die Trennung zwischen LiveView (mit dem langsamen Kontrast-Autofokus) und dem Blick durch den Sucher mit dem schnellen Phasen-Autofokus wird aufgelöst. Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass es keinen optischen Sucher mehr geben kann, sondern das Bild vom Sensor auf einen elektronischen Sucher durchgereicht wird – mit allen Vor- und Nachteilen.
Der elektronische Sucher
Vorteile des elektronischen Suchers sind sicherlich, dass man eine Art permanenten Live-View im Sucher hat. Änderungen am Weißabgleich und der Belichtung werden sofort sichtbar und eine Vielzahl von Informationen können in das Sucherbild eingeblendet werden, z.B. das praktische Fokus-Peaking, bei dem im Sucher die sich gerade im Fokus befindlichen Bereiche des Bildes in einer anderen Farbe dargestellt werden.
Die Kehrseite der Medaille ist, dass man als Fotograf von all diesen Informationen auch ein Stückweit von der eigentlichen Bildgestaltung abgelenkt wird, wenn man sie nicht abschaltet (aber dann bräuchte man sie ja auch nicht) und, dass das Bild halt elektronisch ist und eben dem visuellen Eindruck eines optischen Suchers doch nicht ganz entspricht. Auch wenn Sony mit dem OLED wirklich einen guten Job gemacht hat, flimmert das Bild in manchen Situationen, in anderen sieht das aufgenommene Foto dann doch anders aus, als es das «Live-View» durch den Sucher suggeriert und die standardmäßig aktivierte Bildvorschau (die dann ja auch im Sucher stattfindet) verhindert erst einmal effektiv, dass man nach dem Auslösen sieht, was sich bei dem Motiv gerade tut.
Die Bildvorschau sollte man also tunlichst als erstes abschalten – eine sinnvolle Motiv-Verfolgung ist sonst nicht möglich. Wer glaubt, durch fehlenden Klappspiegel keine Schwarzphase beim Fotografieren zu haben, irrt sich. Genau wie bei einer herkömmlichen DSLR wird der Sucher beim Auslösen für die Dauer der Belichtungszeit schwarz.
Ein weitere Nachteil des elektronischen Suchers ist, dass dieser Sucher eine Menge Strom verbraucht – man befindet sich quasi immer im Liveview Modus. Standardmäßig geht der Sucher an, wenn man die Kamera ans Auge nimmt, sie schaltet auf das Display, wenn man sie wieder runternimmt. Wenn man das Display nicht immer wieder einklappt (also mit der Displayseite zur Kamera dreht), bleibt es ständig an, wenn man mit der Kamera durch die Gegend läuft und gerade nicht fotografiert. Das bedeutet, man muss das Display immer wieder umklappen, wenn man es benutzt hat – um Strom zu sparen. Aber auch der «Augendetektor» für den elektronischen Sucher springt ständig an, wenn man etwas davor hält. Hängt die Kamera am Gurt und man läuft durch die Stadt, geht der Sucher ständig an und aus. Um also eine gewisse Sicherheit zu haben, mit dem Akku überhaupt über die Runden zu kommen, muss man die Kamera ständig ausschalten. Leider geht das Einschalten dann aber nicht in nullkommanix wie bei meinen Nikons, sondern die Sony nimmt sich dafür für mein Gefühl einen Ticken zu lange Zeit, so dass sie eben nicht immer sofort schussbereit ist, wenn ich sie am Auge habe.
Ungewohnt – vor allem im Vergleich zur D800 ist, dass im Liveview (die Sony befindet sich immer im Liveview) – also sowohl durch den Sucher als auch auf dem Display – das Bild immer mit Offenblende angezeigt wird. Besonders, wenn man sich im M‑Modus befindet und die Blende verstellt ist das skurril: das Bild wird beim Schließen der Blende dunkler, ohne dass sich jedoch die Schärfentiefe ändert.
Der Grund, warum Sony das so umgesetzt hat ist klar: damit der Phasen-Autofokus funktionieren kann, benötigt er alles Licht, dass er bekommen kann. Das heißt auch beim elektronischen Sucher und Display muss man die Abblendtaste drücken, wenn man die Wirkung einer geschlossenen Blende beurteilen möchte. Schön bei dieser Art von Abblendtaste ist, dass im Gegensatz zum optischen Sucher, das Bild in der Helligkeit verstärkt wird, man also bei gedrückter Abblendtaste das Bild in voller Helligkeit sieht.
Mich hat dieses «offenblendige» am Anfang allerdings total irritiert. Bei einem optischen Sucher ist natürlich von vornherein klar, dass das Sucherbild mit Offenblende angezeigt wird. Wenn ich dann in den Live-View wechsle, habe ich bei der D800 dann zwar nur noch den Kontrast-Autofokus zur Verfügung, sehe aber das Bild als «what you see is what you get» – nämlich in der Blende, die ich eingestellt habe. Ein Verstellen der Blende ändert die Schärfentiefe des Bildes im Liveview – gerade bei Video ein Segen.
Intuitiv war ich nun davon ausgegangen, dass mir der elektronische Sucher und das Display der A99 nun den selben Komfort bieten würden, aber aus genannten Gründen (Phasen-Autofokus) ist das leider nicht der Fall. Die A99 zeigt immer ein «simuliertes» Bild. Das führt dazu, dass das aufgenommene Foto mitunter recht anders aussieht, als das, was man durch den Sucher oder auf dem Display sieht – technisch nachvollziehbar, aber schade.
Insgesamt habe ich mich beim Fotografieren mit der Sony dabei ertappt, mehr mit dem Live-View am hinteren Display zu arbeiten, als durch den Sucher. Fragt mich jetzt nicht nach einem rationalen Grund dafür – aber irgendwie wollte ich lieber mit dem Live-View arbeiten. Sorry Sony…
Der Autofokus
Tja – der Autofokus. Einerseits hat er mich im Video-Modus erstmal begeistert. Fokussieren, ohne «pumpen» – ja, das geht – bei relativ statischen Motiven – mit der Sony durch den Hybrid-Autofokus. Klar, als ambitionierter Filmer braucht man eigentlich keinen Autofokus – aber es ist doch schön zu wissen, dass er einigermaßen benutzbar sein könnte (auch wenn die Verfolgung von schnellen Objekten natürlich auch nicht zuverlässig funktioniert – aber das klappt bei Videokameras auch nicht.
Ich schreibe bewusst «sein könnte», da dieser eigentlich vorhandene gute Autofokus in dem fürs Filmen zu präferierenden manuellen Film-Modus nicht zur Verfügung steht. Das heißt, man kann den manuellen / professionellen Videomodus überhaupt nur aktivieren, wenn der AF vorher ausgeschaltet wurde. Das Fokus-Peaking und die Tatsache, dass man als ernsthafter Filmer den AF sowieso nicht benutzen würde, relativieren das.
Viel mehr gestört hat mich der Autofokus im Foto-Modus. Bei meiner Art zu fotografieren, hat er mich schier in den Wahnsinn getrieben. Ich bin es gewohnt, immer im AF‑C Modus (also «Continuous» mit permanenter Nachfokussierung zu arbeiten. Dafür navigiere ich bei statischen Motiven mit dem Steuerkreuz zu dem meinem zu fokussierenden Punkt am nächsten liegenden Fokus-Feld. Ggf. verschiebe ich noch ein bisschen und halte den so gefundenen Fokus dann mit der AF‑L Taste fest. Bei der Sony ist es nun so, dass die mickrigen 19 Fokusfelder alle derart mittig und so dicht bei einander angeordnet sind, dass hier sogar die Nikon D600 noch glanzvoll triumphieren kann…
Hat man den Autofokus dann auf das Motiv gelockt und bewegt er sich aus dem Bereich der Fokusfelder, verfolgt eine digitale Umrahmung das Motiv auch außerhalb der Fokusfelder noch ziemlich zuverlässig. Allerdings löst sich der Fokus trotzdem im «Continuous»-Modus nach kürzester Zeit, anstatt auf dem Motiv zu bleiben und fokussiert dann wieder auf die mittigen Messfelder. Dazu kommt, dass man auch nicht einfach, wie bei den Nikons, im Notfall auf Live-View umschalten kann und dann im gesamten Bildbereich das Rechteck für den Kontrast-Autofokus positionieren kann – für Aufnahmen vom Stativ z.B. sehr praktisch.
Also entweder ich habe das alles trotz mehrwöchiger Beschäftigung mit der Kamera nicht verstanden, oder die Sony ist inkompatibel mit meiner «Arbeitsweise» oder das ist einfach schlecht umgesetzt. Ich persönlich brauche diese ganze Fokusverfolgerei auch in den allermeisten Fällen nicht. In den Situationen, in der sie wirklich helfen würde – z.B. bei der Verfolgung eines Tieres oder Sportlers ist die Sony dann doch wieder zu langsam – da machen die Mitstreiter von Nikon und Canon Autofokus-mäßig definitiv einen besseren Job – und bei normalen «statischen» Motiven, steht die Art und Weise, wie Sony den Autofokus implementiert hat, meiner Arbeitsweise im Weg.
Wenn man den Autofokus im «Vollautomatik»-Modus betreibt, also die Kamera alles selbst machen lässt, gibt man natürlich jede Kontrolle auf und was man dann auf dem Display sieht, beschreibt Scott Rinckenberger, der übrigens auch eine schöne, praxisnahe Rezension zur A99 geschrieben hat wie folgt:
The combined effect of these features is a focus grid that looks like a fireworks show. It’s total chaos with colored boxes of different sizes popping up all over the place, and while shooting this way, I couldn’t have told you a thing about how well the system was working.
Ich für meinen Teil brauche einen Autofokus, der nachvollziehbar das macht, was ich von ihm möchte – nämlich auf einen bestimmten Punkt zu fokussieren. Den Punkt muss ich möglichst schnell festlegen können und er muss dann da bleiben oder von mir aus, wenn ich es zulasse, ein Objekt verfolgen.
Vielleicht kommt jetzt ein Sony-Kenner daher und erklärt mir, dass ich irgendeine Einstellung anders setzen muss und dann alles besser funktioniert, an den wenigen und viel zu eng angeordneten Fokus-Messfeldern wird das allerdings nichts ändern und an der Tatsache, dass ich trotz intensiver Beschäftigung mit der Kamera diesen Weg dann nicht intuitiv gefunden habe, auch nicht. Es mag auch durchaus sein, dass jemand mit einer anderen Arbeitsweise, mit dem Autofokus zurecht kommt – aber deswegen habe ich ja von vornherein geschrieben, dass das hier ein subjektives Review ist.
Video
Sony bietet mit einem echten 60fps-1080p Modus, hybridem Autofokus, Fokus-Peaking und einem unkomprimierten HDMI Ausgang eigentlich alles, was das Herz eines ambitionierten Videofilmers höher schlagen lässt. Die Video-Qualität ist fast en par mit der der Nikon D800, die im Moment die obere Messlatte im Video-Bereich darstellt.
Ein weiterer Vorteil, von dem ich ausgegangen war, ist der optische Bildstabilisator – der bei der Sony ja im Gehäuse sitzt und somit für alle Objektive funktionieren soll. Stutzig machte mich jedoch, dass der eingeschaltete Stabilisator im Video-Modus zu einem Beschnitt des Bildes führt.
Die Kamera bietet für den Foto- und den Video-Modus unabhängig im Menü eine Einstellung für den Stabilisator, «Steadyshot» genannt. Ich konnte leider nicht genau ergründen, ob sich das beides auf den optischen Stabilisator bezieht oder ob im Video-Modus die gleiche Bezeichnung für einen alternativen oder zusätzlichen elektronischen Stabilisator bezieht. Die Tatsache, dass beim Aktivieren des Steadyshot im Videomenü, das Bild immer einen relativ starken Beschnitt bekommt, deutet darauf hin, dass hier (zusätzlich?) ein elektronischer Stabilisator zu Einsatz kommt. Infos aus dem Netz deuten sogar darauf hin, dass Sony aus thermischen Gründen im Videomodus den optischen Stabilisator gar abschaltet. 100%ig konnte ich das aber leider nicht verifizieren. Wenn das so wäre, dann würde der optische Steadyshot im Video-Modus gar nicht zur Anwendung kommen und dieser Vorteil somit bei der Konkurrenz verbleiben, die die Stabilisatoren in die Objektive einbaut.
Ein 25fps/30fps Full HD Modus fehlt leider. Es gibt nur den 24fps und 50/60fps Modi. Für den 60fps Modus muss man auf NTSC umschalten – dann bekommt man allerdings immer die nervige Meldung «Läuft in NTSC» beim Einschalten der Kamera oder dem Wechseln in den Video-Modus. Das Handbuch verrät dazu:
Ist der NTSC-Modus ausgewählt, erscheint die Meldung «Läuft in NTSC.» bei jeder Einschaltung der Kamera stets auf dem Startbildschirm.
(und im Sucher! – das heißt, Kamera einschalten (auch im Fotomodus), Sucher ans Auge und man sieht für den Bruchteil einer Sekunde das Sucherbild, welches dann von einem schwarzen Bild mit dem oben genannten Schriftzug ersetzt wird. Und zwar so lange, bis man den Auslöser antippt. Epic fail.
Der manuelle Video-Modus, den man über das obere Wahlrad auswählen kann, tut zunächst einmal nicht das, was man von ihm erwartet – nämlich Zeiten / Blende und ISO manuell einstellen zu können. Hierzu muss man erst den Autofokus abschalten! Auch das hat mich einiges an Recherche gekostet, um das herauszufinden. Ist der Autofokus dann abgeschaltet, dann kann der Spaß beginnen: Fokus-Peaking ist an, der Liveview arbeitet wie er soll – hier wird dann auch die Blende «korrekt» im Display angezeigt und man kann sogar mit längeren Zeiten als dem Kehrwert der Bildwiederholrate arbeiten. (Fast) vorbildlich.
Für mich stellt sich trotzdem die Frage: warum ist das so intransparent gelöst? Wäre ein automatisches Abschalten des Autofokus in diesem Modus nicht viel transparenter gewesen? Oder zumindest ein Hinweis auf dem Display? Viele werden sich aber sicherlich auch fragen, warum der Hybrid-Autofokus denn im dedizierten Film-Modus noch nicht mal zum initialen Fokussieren zur Verfügung steht…
Es sei dazu gesagt, dass man auch in den anderen Modi P, A, S und M filmen kann. Hier funktioniert dann der Autofokus – allerdings gibt es hier dann wieder kein What-you-see-is-what-you-get – warum nur so furchtbar kompliziert Sony?? Auch in diesen Modi kann man für den Autofokus nur den mittleren Messbereich nutzen – bei Nikon kann man im Live-View den Fokusbereich des Kontrast-Autofokus beliebig auf dem Display positionieren, unabhängig von den Fokus-Sensoren.
Als Wermutstropfen erachte ich weiterhin die fehlende Live-Histogramm-Anzeige im Video-Modus. Im Foto-Modus ist es hingegen vorhanden.
Es bleibt also ein eigentlich sehr guter Video-Modus mit manuellem Fokus und allen dafür nötigen Hilfsmitteln aber eine zum Teil intransparente und unnötig komplizierte Umsetzung.
Der Autofokus ist im Video-Bereich jedenfalls kein schlagendes Argument für die Sony, auch wenn man das erstmal erwarten würde.
Positives und Negatives zusammengefasst
Positiv:
- Sehr guter 24 MP Sensor, sehr gute Bildqualität – besonders im RAW-Modus
- Sehr guter und akkurater Belichtungsmesser
- In den Body eingebauter Stabilisierer – das heißt Stabilisierung erfolgt bei allen Objektiven (bei Nikon / Canon ist der Stabilisator bei VR bzw. IS Objektive in den Objektiven eingebaut).
- Standard-Blitzschuh (im Gegensatz zu anderen Sonys)
- Bis 6 Bilder/Sekunde mit Autofokus (die «beworbenen» 10fps erhält man nur in einem Modus, bei dem nur ein innerer Bildausschnitt (Crop) abgebildet wird und mit JPGs!)
- 60fps 1080p Video
- Stereo Mikrofon, Kopfhörerausgang
- Sehr viele Tasten frei konfigurierbar
- Fokus Peaking, also farbliche Hervorhebung der Bereiche «in Fokus» im Display/Sucher beim manuellen Fokussieren
- Klappdisplay, allerdings z.T. etwas gewöhnungsbedürftig «Origami-artig» zu falten
- Elektronische Fokusweitenbegrenzung – sinnvoll im Makro-Bereich oder für Sportfotografen
- 2 SD Kartenslots, davon einer auch für Sonys proprietäre Memorysticks Pro Duo geeignet
- Sehr gute Videoqualität, unkomprimierte HDMI Ausgabe
- Besserer Autofokus im Video-Modus als die Kameras der Konkurrenz, aber leider mit Einschränkungen bzw. schlecht umgesetzt
- Eingebautes GPS Modul
- Programmierbarer «Silent-Controller» z.B. für Video-Funktionen verwendbar.
Neutral
- 100% OLED Sucher, mit 2.3 Megapixel – der eine wird ihn mögen, der andere nicht.
Negativ
- Autofokus hat nur bei lichtstarken Objektiven und viel Licht gute Leistung, bei wenig Licht ist er schwächer als die Konkurrenz
- nur 19 klassische Autofokus-Sensoren, viel zu mittig angeordnet zusätzlich 102 Sensoren über den Sensor, die allerdings nur beim Verfolgen von Objekten helfen sollen und für das initiale Fokussieren nicht nutzbar sind – und auch diese sind als Quadrat mittig angeordnet!
- Bedienung des Autofokus gewöhnungsbedürftig und intransparent
- Verfolgung von Objekten nur möglich, wenn man die Bildkontrolle im Sucher abschaltet und auch dann eher schwierig
- Schwarzphase während des Auslösens wie bei herkömmlicher DSLR
- 14bit RAW nur im «Single-Shot» modus, sonst 12bit.
- Kein echtes «What-you-see-is-what-you-get» im Liveview und durch den Sucher. Die Wirkung der Blende wird z.B. nur bei gedrückter Abblendtaste gezeigt, nicht im normalen Sucher-/Liveview-Bild.
- Längere Hochfahrzeit als bei DSLRs der Konkurrenz, dadurch dass die Kamera ständig per Bewegungs-/Augenerkennung das Display bzw. den Sucher an macht muss man sie zwischendurch oft aus und einschalten.
- Hoher Batterieverbauch, nach wenigen hundert Bildern muss geladen werden
- Verwirrend: Video kann man sowohl in den einzelnen Aufnahme-Modi (PASM) als auch in einem speziellen Video-Modus aufnehmen.
- Der dedizierte, manuelle Video-Modus ist nur sinnvoll nutzbar, wenn Autofokus ausgeschaltet wird. Einen Hinweis darauf gibt es nicht.
- Ein 25fps/30fps Full HD Modus fehlt. Es gibt nur 24 und 50/60fps Modi. Wenn man für den 60fps Modus auf NTSC umgeschaltet hat, bekommt man immer (auch im Fotomodus) die Meldung «Läuft in NTSC».
- Kein Live-Histogramm im Video-Modus (gerade hier wäre er wichtig!)
- Im Film-Modus lassen sich keine Fotos aufnehmen
- kein eingebauter Intervallauslöser
- Kein eingebauter Blitz
- Kein benutzerdefiniertes Menü, wäre bei der Fülle an Funktionen sinnvoll
- Keine Hilfe-Funktion im Menü – auch das wäre bei der Fülle an Funktionen, die zum Teil recht kryptisch benannt sind, eine sinnvolle Ergänzung.
Mein Fazit
Die Sony Alpha SLT-A99 bietet eine sehr gute Bildqualität und einige wirklich vielversprechende Ansätze. Man muss hervorheben und anerkennen, dass Sony mit einigen der hier gezeigten Funktionen und Technologien sehr mutig Neuland betritt, vor dem andere Hersteller offenbar eine Menge Respekt haben. Die SLT-Technologie ist ein interessanter Ansatz, der natürlich heute noch in den Anfängen steckt und nicht auf die jahrzehntelange Historie des Spiegelreflex-Systems zurückblicken kann. Der elektronische Sucher ist nach wie vor sehr gewöhnungsbedürftig, trotzdem er an sich hier gut umgesetzt wurde und zweifelsohne einige Vorteile mit sich bringt.
Gerade für den Video-Bereich bringt Sony gute Ansätze, der hybride Autofokus könnte hier eine große Verbesserung gegenüber dem reinen Kontrast-Autofokus sein, den z.B. die Nikons bei Video derzeit bieten. Features wie das Fokus-Peaking und das Klappdisplay sind zusätzlich mehr als willkommen.
Leider wirkt die Kamera auf mich ziemlich überladen, der Benutzer hat für die tägliche Arbeit zu viele Freiheitsgrade die er beherrschen muss. Eine Vielzahl von Funktionen kann konfiguriert werden, allein 5 Gehäusetasten können individuell belegt werden und irgendwie ertappe mich immer wieder in der Unsicherheit, ob ich denn Potential verschenke, weil ich bestimmte Einstellungen vielleicht nicht verstanden oder falsch vorgenommen habe. Ich halte mich ja nun schon für wirklich Technik-affin, aber wenn mich die Technik davon abhält mich auf meine Motive zu konzentrieren, dann ist es mir schlicht und ergreifend «too much». Andere mögen das anders sehen. Wer Spaß daran findet (und die Zeit dafür hat), sich tagelang mit den einzelnen Kamerafunktionen zu beschäftigen, sich zu merken in welchem Modus die Kamera sich warum wie verhält und die Kamera für sich persönlich fine-zu-tunen, der bekommt mit der A99 sicherlich ein schöne Kamera, an der er sich austoben kann.
Eine der essenziellsten Funktionen, nämlich der Autofokus, wurde durch die Verwendung eines winzigen Messfeld-Bereichs derart eingeschränkt, dass man stattdessen auch ein einziges Messfeld hätte nehmen können. Es macht kaum Sinn, durch diese Felder zu schalten, weil sie einfach zu dicht beieinander liegen. Die elektronische Unterstützung durch den Phasenautofokus ist im Videobereich sinnvoll, hilft aber beim Fotografieren nicht wirklich weiter – die Verfolgung des Motivs durch das Rechteck im Bild wirkt auf mich eher wie ein Marketing-Addon, als das es für die Praxis echten Mehrwert böte.
Trotz der zweifelsohne großartigen Bild- und Videoqualität, die die Sony liefert – das kann ich gar nicht oft betonen – und den wirklich guten Ansätzen ist der Funke auf mich leider nicht übergesprungen. Sicherlich ist auch ein Stück Gewohnheit dabei – aber auch das ist natürlich ein wichtiger Punkt – denn die wenigsten Käufer einer A99 werden «aus dem Nichts» kommen. Bei der für die Sony zu tätigenden – doch erheblichen – Investition und der anvisierten Zielgruppe steht zu vermuten, dass derjenige potenzielle Käufer, der nicht aus dem Sony-Lager kommt, schon Erfahrungen mit DSLRs anderer Hersteller haben wird – ein Umgewöhnungsprozess wird also bei dieser Zielgruppe fast immer stattfinden müssen und entsprechende Vergleiche werden dann natürlich zwangsläufig auch gezogen werden.
Bei meiner Nikon D800 z.B. habe ich nur wenige Grundeinstellungen vorgenommen und wenn ich sie in die Hand nehme, kann ich mich sofort darauf konzentrieren, Bilder zu machen. Eine Startverzögerung gibt es nicht, sie ist sofort schussbereit, der Akku hält (gefühlt) 5x so lange und die Kamera funktioniert einfach so, wie ich es erwarte. Die Bild- und Videoqualität ist einen Ticken besser, der Autofokus deutlich besser und die Bedienung ein Traum, weil alles irgendwie logisch und auch deutlich übersichtlicher und nicht so überladen erscheint – aber ja, ich kenne das System auch besser. Zudem kann ich mit optischen Sucher und Liveview die Vorteile beider «Welten» optimal für mich – je nach Einsatzzweck – nutzen.
Als ich die Sony das erste mal in die Hand genommen habe, hätte ich nicht gedacht, dass mein Review nach 2 Wochen dann doch so relativ kritisch ausfallen würde. Ich kann und will aber nicht das x‑te Review schreiben, das eine Kamera in den höchsten Tönen lobt. Ja, natürlich kann man mit ihr tolle Fotos und Videos machen! Aber wenn ich doch bei der praktischen Arbeit mit ihr gewisse Defizite feststelle, dann fühle ich mich auch verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen. Ich habe mich auch über die Nikon D600 aufgeregt, weil ich es angebracht fand, auf die Probleme aufmerksam zu machen.
Ist die Sony SLT-A99 600€ mehr wert, als die Nikon D800? In meinen Augen nein. Ist das Sony Vario Sonnar 24–70mm f/2.8 von Carl Zeiss 500€ mehr wert, als das Nikon 24–70 f/2.8? Ich weiß es nicht. Bei dem Selbstbewußtsein, das die Preisgestaltung der Sony Top-Modelle wiederspiegelt, finde ich, müssen sie sich auch einem harten Vergleich stellen. Würde diese Kamera preislich deutlich unter der D800 angesiedelt sein, würde man sicherlich gewisse Dinge anders beurteilen.
Nichts desto trotz finde ich es toll, dass Sony seinen eigenen Weg beschreitet. Ich habe vor einigen Tagen eine Sony NEX‑7 in der Hand gehabt und war super angetan – nein eher begeistert – von der Logik und Stringenz ihres Bedienkonzepts. Hier hat Sony definitiv alles richtig gemacht! Aber es ist natürlich eine Kamera in einem ganz anderen Segment – und vermutlich unterhalten sich die Entwickler der verschiedenen Sparten nicht miteinander… Aber eines ist sicher: Sony verwendet heute Technologien, von denen sich andere Hersteller eine Scheibe abschneiden können und natürlich immer das Potential besteht, es ggf. sogar an der einen oder anderen Stelle besser machen können. Für Sony selbst ist es die erste Vollformat Kamera mit der SLT-Technologie und ich bin ziemlich sicher, dass Sony sich darauf nicht ausruhen wird sondern die Verbesserungspotenziale erkennen wird – ich bin ja schließlich nicht der erste und Einzige, der auch kritische Punkte in seinem Review nennt. :-)
Für Aufsteiger von der Alpha 900, die schon Sony Objektive haben, ist die A99 sicherlich eine tolle Weiterentwicklung. Für technikbegeisterte Neueinsteiger mit großem Geldbeutel, die nicht vorbelastet von den klassischen Bedienkonzepten sind, ist sie sicherlich auch eine Kamera, die so schnell nicht langweilig wird und großartige Ergebnisse produziert. Vor allem gemeinsam mit den Zeiss-Objektiven!
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