Die Sigma Art Objektive bestechen nicht nur durch ihre Bildqualität und Bauweise, sie erlauben dem Nutzer mit einem speziellen USB-Dock auch gewisse Konfigurationen vorzunehmen, die sonst dem Service vorbehalten sind. Dazu gehört die Feineinstellung des Autofokus. Warum das sinnvoll ist und wie das ganz einfach geht, erkläre ich euch in diesem Artikel.
Fokus-Ungenauigkeiten kennen Benutzer von Spiegelreflex-Kameras schon seit den ersten Autofokus Objektiven. Die Ursache dafür liegt einfach in dem Prinzip, wie der sog. Phasen-Autofokus der Kameras funktioniert. Das habe ich schon einmal in einem separaten Artikel erklärt. Vereinfacht gesagt kann es Unterschiede zwischen der tatsächlichen Entfernung eines Objekts und der vom Autofokus gemessenen Entfernung geben – und das ist leider recht üblich – dann liegt der Fokus beim Fokussieren durch den Sucher hinter oder vor dem anfokussierten Objekt, man spricht dann vom Back- oder Frontfokus.
Bei einigen Kameras kann man dafür in der Kamera selbst Korrekturwerte hinterlegen, diese beziehen sich jedoch meist auf den gesamten Fokusbereich und sind auch nicht immer ganz einfach zu konfigurieren.
Einen besseren Weg geht meiner Meinung nach Sigma. Seit der Einführung der Art, Sports und Contemporary Serien, kann man diese Objektive mit einem speziellen USB-Adapter, dem sog. USB-Dock selbst kalibrieren (Liste der unterstützten Objektive). Bisher hatte ich selbst noch keine Veranlassung gesehen, meine Objektive zu kalibrieren, doch die Fokus-Ungenauigkeiten meines neuen 20mm Sigma Art (zu meinem Testbericht) ließen mich dann doch zum USB-Dock greifen, um es einzustellen. Hier meine Erklärung, wie das ganz einfach und pragmatisch geht.
Einstellen des Autofokus mit dem Sigma USB Dock
Jede moderne DSLR bietet zwei Arten des Autofokus: zum einen den Phasen-Autofokus – das ist der, der aktiv ist, wenn wir durch den Sucher schauen und fotografieren und zum anderen den Kontrastautofokus, das ist derjenige, der aktiv ist, wenn wir im Live-View fotografieren.
Der Phasen-Autofokus (diesen hatte ich hier schonmal erklärt) ist derjenige, der anfällig für Front- und Backfokus ist. Der Kontrastautofokus ist hingegen immer exakt, wenn er genügend Kontrast im anfokussierten Objekt findet.
Die unterschiedlichen Charakteristika dieser beiden Autofokus-Varianten machen wir uns nun zunutze, um den Phasen-Autofokus zu kalibrieren. In diesem Artikel habe ich schon einmal erklärt, wie man Back- oder Frontfokus erkennt. Im Prinzip messt ihr den Fokus einmal mit ausgeschaltetem Live-View (Phasenautofokus) und einmal im Live-View (Kontrastautofokus). Wenn sich vorne am Objektiv die Entfernungsanzeige dabei unterscheidet, habt ihr einen dejustierten Fokus. Auf diesem Prinzip beruht die von mir nun im Folgenden vorgestellte Vorgehensweise beim Kalibrieren mit dem USB-Dock.
Zunächst benötigt ihr das USB-Dock von Sigma, dieses gibt es für die unterschiedlichen Bajonettversionen:
→ Sigma USB Dock für Nikon, Canon, Sony, Sigma, Pentax.
Anschließend ladet ihr euch die Software Sigma Optimiziation Pro von der Sigma Website herunter. Dort findet ihr Downloads für Windows und Mac.
Nun könnt ihr euer Objektiv mit dem USB Dock verbinden und das USB Kabel in den Rechner stecken.
Nach dem Start der Sigma Optimization Pro Software, checkt diese zunächst einmal nach einem Firmware-Upgrade für das Dock sowie für das angeschlossene Objektiv. Falls ein Update gefunden wurde, solltet ihr dieses als erstes direkt einspielen lassen.
Im Anschluss, klickt ihr auf Individualisierung…
…dann auf Fokus-Einstellung.
Nun erscheint der Fokus-Einstellungsdialog.
Es gibt 4 Fokusbereiche, die unabhängig voneinander eingestellt werden können, beim 20er z.B. 0.276m, 0.4m, 0.6m und Unendlich.
Das Einstellen ist nun ganz einfach. Fangt mit der Kalibrierung für Unendlich an.
Kalibrieren der Unendlich-Einstellung
- Stellt die Kamera auf ein Stativ, M‑Modus, Offenblende (!) – also Blende 1.4 bei den Sigma Art Objektiven und stellt die Belichtungszeit entsprechend so ein, dass ihr ein einigermaßen vernünftig belichtetes Bild bekommt. Stellt die Kamera im Garten auf oder öffnet ein Fenster und richtet die Kamera nach draußen. Den Autofokus stellt ihr auf Einzelfeld, als Messfeld wählt ihr das in der Mitte. Dieses richtet ihr auf irgendetwas in mehr als 50 Metern Entfernung, das etwas Kontrast aufweist, so dass ihr darauf fokussieren könnt. Zum Beispiel eine Baumgruppe in der Ferne.
- Nun schaltet die Kamera in den Live-View. Das Live-View-Fokusfeld sollte auch genau in der Mitte platziert sein, so dass es exakt die Stelle fokussiert, auf der das Messfeld im Sucher gezeigt hat.
- Nun fokussiert im Live-View. Haltet den Auslöser halb gedrückt, solange, bis vorne am Objektiv die Entfernungsanzeige zur Ruhe kommt. Schaut weiterhin auf diese Anzeige und schaltet den Live-View aus. Nun fokussiert noch einmal und beobachtet die Skala dabei. Wenn sich der Fokus nicht verändert, ist er ohnehin perfekt eingestellt. Wenn die Skala sich leicht nach rechts dreht, habt ihr einen Backfokus, wenn sie sich leicht nach links dreht, habt ihr einen Frontfokus.
- Nun setzt ihr das Objektiv wieder in das Dock und klickt auf den Bereich «Unendlich». Dort tragt ihr nun einen Korrekturfaktor ein. Hier müsst ihr etwas probieren. Bei einem Backfokus, müsst ihr in den Minus-Bereich gehen, beim Frontfokus in den Plus-Bereich. Nehmt erst mal 5 als Wert mit dem jeweiligen Vorzeichen. Dann klickt ihr auf «Übertragung» (wichtig, sonst wird der Wert nicht ins Objektiv geschrieben!).
- Nun wieder das Objektiv an die Kamera und noch einmal probieren. Normalerweise sollte die Abweichung zwischen Live-View-Autofokus und Phasenautofokus nun geringer geworden sein. Macht das solange, bis die Abweichung kaum noch merkbar ist.
Etwas nervig ist, dass die Software bei jedem Ansetzen des Objektivs nach einer aktualisierten Firmware sucht, das ist wirklich unnötig und es wäre schön, wenn Sigma das in einer neuen Version abschaltbar machen würde.
Kalibrieren der weiteren Entfernungsstufen
Wechselt nun auf den nächsten Fokus Bereich, also 0.6 Meter. Dazu stellt ihr die Kamera in eurem Raum auf, am besten vor ein Bücherregal oder ähnliches. Die Entfernung von 0.6 Meter könnt ihr ganz einfach durch ausprobieren herausbekommen, indem ihr fokussiert und wieder die Skala vorne am Objektiv beobachtet. Verschiebt das Stativ so lange, bis sie ca. 0.6 Meter anzeigt. Dann geht ihr genauso vor, wie bei der Unendlich-Kalibrierung.
Führt das Ganze dann noch für die anderen beiden Fokus-Bereiche durch und ihr seid fertig.
Insgesamt habe ich für meine 3 Objektive nicht länger als 15 Minuten gebraucht, also 5 Minuten pro Objektiv.
Nachtrag: natürlich funktioniert das auch mit Zoom-Objektiven, z.B. dem 18–35 Art. Hier kann man dann für unterschiedliche Brennweiten individuell kalibrieren, beim 18–35 für 18, 24, 28 und 35 mm:
Fazit
Immer wieder höre ich Kritik, dass man extra das USB-Dock von Sigma kaufen müsse oder Aussagen wie «Sigma soll die Objektive von vornherein richtig kalibrieren, dann ist das alles nicht nötig etc.». Ich sehe das etwas anders.
Erstens ist das USB Dock natürlich optional. Meines Wissens nach bietet Sigma den Kalibrier-Service bei neuen Objektiven auch kostenlos an. Dazu muss man das Objektiv (und am besten auch die Kamera) dann allerdings einschicken und ggf. eine Woche oder mehr warten, bis man es zurück hat. Wer so lange auf sein Equipment verzichten kann und möchte, für den ist das dann sicher auch eine Option.
Weiterhin sind solche Fokus-Ungenauigkeiten eben nicht immer nur eine Sache des Objektives. Die Kamera spielt dabei nämlich auch eine Rolle. Wenn man sich beim Nikon-Service z.B. über Back- oder Frontfokus beschwert, empfehlen die auch immer, die Kamera inklusive Objektiv einzuschicken und das nicht ohne Grund: nur in der Kombination lässt sich ein solches System exakt justieren.
Und zu guter Letzt dient das USB-Dock ja nicht nur der Fokus justage, sondern man kann damit auch Firmware-Updates einstellen, bei einigen Objektiven den Stabilisator individuell auf seine Anforderungen kalibrieren und weitere Einstellungen vornehmen.
Ich persönlich finde: die Fokus-Kalibrierung mit dem Sigma-USB Dock ist eine tolle Sache. Schnell, einfach und präzise kalibriert man damit seine Objektive – jetzt, wo ich es einmal gemacht habe, frage ich mich, warum ich es nicht schon viel früher mal in Angriff genommen habe. Und die Kosten für das Dock, hat man mit einem einzigen gesparten Service-Auftrag nach Ablauf der kostenlosen Frist direkt wieder raus.
Also bleibt nur ein einziger Nachteil bei dem USB-Dock: es funktioniert nicht mit meinen Nikon Objektiven… :-)
Hier noch einmal die Links zu dem USB-Dock:
Und nun, auf zu schärferen Bildern und viel Spaß beim Kalibrieren!
Disclaimer: ich habe keine wie auch immer geartete Verbindung zu Sigma sondern bin nur Anwender und habe meine Objektive und das Dock selbst gekauft und bezahlt.
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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