Auf unserer Peru-Expedition hatte ich erstmalig die neue Nikon D750 dabei. Meine Erwartungen waren hoch, erschien sie mir doch seit ihrer Ankündigung, als die ideale (Reise-)Kamera für hohe Ansprüche. Nun musste sich beweisen. Und wie. Hier erfahrt ihr, wie sie sich geschlagen hat, vor allem im Vergleich zu ihrer großen Schwester, der Nikon D810.
Vor allem die schlechten Lichtbedingungen im Urwald bei der morgendlichen Jagd nach Papageien im Flug waren eine absolute Herausforderung für den Autofokus der Kamera. Genauso die Kondore im Flug im Colca-Canyon. Aber auch der hohe Dynamik-Umfang in den Ruinen von Machu Picchu und anderen Inka-Stätten und die dunklen Bedingungen auf den Märkten stellten jede Kamera (und natürlich die Fotografen) vor hohe Herausforderungen. Last but not least gab es einige Sternenklare und mondlose Nächte, bei denen sie ihre ISO-Qualitäten bei der Nachtfotografie beweisen musste. Aber der Reihe nach.
Wenn ihr Euch für die D750 interessiert, solltet ihr Euch auf jeden Fall auch meine weiteren Artikel zu der Kamera durchlesen, da habe ich schon viel zu der Kamera als solches geschrieben. Hier möchte ich jetzt nur noch einmal die Dinge, die mir in der Praxis aufgefallen sind, gesondert herausstellen.
Übrigens: all Fotos in diesem Bericht wurden mit der D750 aufgenommen, einzige Ausnahme ist das Vergleichsbild mit der Canon 6D.
Die Haptik
Die D750 ist sicherlich die Nikon, die mir von allen am allerbesten in der Hand liegt. Ich habe allerdings recht große Hände. Dadurch bin ich es eigentlich gewöhnt, dass Kameras sich nicht gerade ideal greifen. Durch den tiefen Griff ist das bei der D750 nun anderes, sie liegt wie angegossen in der rechten Hand und alle Knöpfe sind da, wo sie sein sollen. Insbesondere die Fn-Taste (auf die ich die Belichtungsspeicherung programmiert habe) liegt jetzt einfach perfekt positioniert für den kleinen Finger. Selbst bei der D810 ist der Griff flacher, so dass die Fingerkuppen immer am Gehäuse drücken und vorne noch Luft ist. Mit hat das bei den anderen Kameras nie bewusst gestört, aber nun, wo ich mit der D750 fotografiert habe, möchte ich sie gar nicht mehr aus der Hand geben. Danke Nikon!
Das Gehäuse
Das Gehäuse ist angenehm klein, nicht zu klein, s.o., sondern genau richtig. Man fragt sich beim Fotografieren unvermittelt, wozu man überhaupt ein größeres Gehäuse haben wollen würde.
Das Gehäuse ist wertig, zwar nicht Vollmetall, aber das stört überhaupt nicht. Die Kamera wirkt hochwertig verarbeitet und hat alle Stöße, die bei einer solchen Reise zwangsläufig auftreten, ohne Mühe weggesteckt.
Der Auslöser
Der Auslöser ist sanft, fast so leise wie der der D810. Das rabiate Auslösegeräusch z.B. der D800 und anderer «größerer» Nikons scheint damit endgültig der Vergangenheit anzugehören. Im Liveview scheint die D750 immer mit elektronischem ersten Verschlussvorhang zu arbeiten, jedenfalls klappt der Spiegel hier nicht mehr hin und her beim Auslösen. Sehr angenehm.
Die Geschwindigkeit
Die 6.5 Bilder pro Sekunde waren perfekt, um die schnellen Vögel als Serie aufzunehmen. Ich schieße meist mehrere Kurzserien von 3–4 Bildern, und lasse die Kamera immer mal wieder wegspeichern. Nach ca. 13 RAW Bildern am Stück im High Speed-Modus ist ansonsten nämlich erst einmal Schicht und die Kamera muss wegspeichern. Alles in Allem war das aber in der Praxis so gut wie nie eine Limitierung.
Zum Vergleich: die D810 schafft im «High-Speed»-Modus (allerdings nur mit 5 Bilder pro Sekunde) bei mir 24 RAW Bilder am Stück, dann legt sie eine Pause ein.
Der Autofokus
Hier habe ich eine echte Überraschung erlebt. Ich habe am Anfang die D810 und die D750 parallel genutzt. Und wenn ihr mir das vorher erzählt hättet, was ich Euch jetzt hier aufschreibe, hätte ich es nicht geglaubt. Aber ich habe es mehrfach und immer wieder verifizieren können.
Beim morgendlichen Fotografieren der Aras stellen sich mehrere Herausforderungen:
- die Vögel sind schnell,
- es steht wenig Licht zur Verfügung
- die Vögel heben sich kaum vom unruhigen Hintergrund (Wald) ab.
Das ist so mit eine der schwierigsten Situationen, die ein Autofokus zu meistern haben kann.
In diesen Situationen habe ich mit dem 300mm f/2.8 mit Offenblende und ISO-Automatik im Modus «kürzere Zeiten» gearbeitet. Um die Vögel scharf zu bekommen, muss man trotz guter Nachführung mit Zeiten von allermindestens 1/500 Sekunde arbeiten, besser mit 1/1000 oder gar kürzer. Die ISO-Automatik hilft hier immens, die Balance zwischen ISO und Belichtungszeit zu finden. Bei den neueren Nikons kann man glücklicherweise nicht nur das Verhalten der ISO-Automatik von längeren zu kürzeren Belichtungszeiten einstellen, sondern auch die Brennweite des genutzten Objektives wird automatisch berücksichtigt. Den Autofokus nutzte ich natürlich im kontinuierlichen Modus und ich schaltete den Gruppenautofokus ein, um eine etwas größere Fläche zu haben.
Nun – erwartungsgemäß entstand eine Menge Ausschuss – mit der D810. Mit der hatte ich nämlich am Anfang versucht, diese Aufnahmen zu machen, da sie mir mit ihren 36 MP doch etwas mehr Luft zum Beschneiden lässt. Die Vögel sind klein und weit weg. Da sind 300mm nicht gerade viel und jedes Quäntchen mehr an Auflösung hilft – zumal das Objektiv das ja hergibt.
Aber wie gesagt, ich hatte bestimmt 80% Ausschuss und höchstens durch Zufall mal einen Treffer in den genannten Situationen. Sehr frustrierend. Anders sah es freilich aus, wenn die Vögel vor dem Himmel flogen. Dann hatte es die Kamera natürlich deutlich leichter und die Trefferquote stieg auf 90% an. Auch später, bei mehr Licht, ging die Ausschussquote deutlich runter.
Aber ich wollte ja Morgendämmerung und Wald im Hintergrund, nicht den langweiligen Himmel.
In meiner Verzweiflung nahm ich die D750 zu Hand. Okay – «nur» 24 MP. Mal schauen. Auch hier nutzte ich den «Gruppenautofokus», der 4 Fokusfelder zusammenschaltet. Also – komplett gleiche Einstellungen. Und ich erlebte eine Offenbarung. Lag bei der D810 der Ausschuss bei 80% – entsprach dies bei der D750 nun der Trefferquote. Der Unterschied war wirklich eklatant. Plötzlich traf der Autofokus in den gleichen Situationen, wo ich vorher nur unscharfe Bilder produziert habe.
Ich habe dieses Verhalten an mehreren Tagen verifizieren können. Und ich kann ziemlich sicher ausschließen, dass es sich um ein Problem bei meiner D810 handelt, da Teilnehmer, die andere Kameras hatten, z.B. eine Canon 5D Mk III, die gleichen Probleme verzeichneten. Auch ihre Trefferquote lag im Rahmen dessen, was die D810 abgeliefert hat. Einzig die D750 hat hier einfach einen deutlich besseren Job abgeliefert. Bravo. Und bevor hier jemand vermutet, dass die «Unschärfe» mit der höheren Auflösung der D810 zusammenhing: ich spreche hier nicht über Verwacklungsunschärfe, sondern über eine nicht getroffene Fokus-Ebene. Beide Kameras waren selbstverständlich auf «Fokuspriorität» eingestellt. Das bedeutet, der Autofokus «dachte» schon, er hätte getroffen – dem war aber nicht so.
Aber bitte: ich spreche hier von echten Grenzsituationen, die nicht repräsentativ für andere Situationen sind. Ich habe bei normaler Landschafts‑, Portrait‑, Architektur- oder was auch immer ‑Fotografie oder auch Möwen an der Ostsee noch nie Probleme mit dem AF der D810, D800, D610, D5300 oder Canon 6D gehabt. Also in 99% der Fälle funktionieren deren Autofokus-Systeme ganz prima. Bitte rennt jetzt also nicht los und verkauft Eure Kameras.
Es war für mich aber einfach bemerkenswert für mich zu sehen, dass zwischen der D810 und der D750, die ja nur wenige Monate nacheinander erschienen sind, die D750 in diesen Grenzbereichen einen solchen Performance-Sprung beim Autofokus gemacht hat. Zumal sie ja die «kleinere» Kamera ist.
Übrigens: die 51 Autofokus Punkte der D750 sind deutlich weiter auseinander, als bei der Nikon D610/D600 und der Canon 6D. De facto sind sie nur ganz geringfügig enger angeordnet, als bei der D810 – der Mini-Unterschied ist der kleineren Bauform geschuldet, mit bloßem Auge sieht man ihn allerdings nicht und in der Praxis ist er auch nicht merkbar.
Der Sensor
Der Sensor der D750 ist von den Ergebnissen her sehr ähnlich mit dem der D600/D610. Im High-ISO Bereich hat er (s.o.) noch etwas zugelegt. Im Gegensatz zur D810 hat er zwar einen Tiefpassfilter, dieser ist aber sehr schwach. In der Praxis sieht man keinen nennenswerten Unterschied in der Schärfe zwischen den Bildern der D810 in 1:1 und denen der D750. Den Punkt könnt ihr also getrost ignorieren.
Die Bildqualität – High ISO und Dynamik-Umfang
Kommen wir zu einem der wichtigsten Punkte, der Bildqualität. Ihr wisst ja, ich sage schon seit langem, dass die Bildqualität aller modernen Sensoren – seien sie von Canon oder Nikon, seien es APS‑C sensoren oder «Vollformatige» – wirklich hervorragend ist. Bisher hatte die Canon 6D bei mir einen Ticken die Nase vorne in der High-ISO-Performance, so dass ich sie für Astro- und nächtliche Zeitraffer eingesetzt habe und die Nikons beim Dynamikumfang. Den Vergleich hatte ich ja schonmal angestellt.
War bei Nikon bislang der D610 (abgesehen von der Df) die High-ISO Königin, scheint sie nun sogar ganz leicht von der D750 abgelöst worden zu sein. Ich bin sehr froh dass das so ist – ist doch die D750 für mich der legitime Nachfolger der D610. Und bei der Neuen hat Nikon nun all das richtig gemacht, was bei der D600/D610 für Kritik gesorgt hat.
Selbst im Vergleich zu Canon 6D schneidet die Nikon D750 ziemlich en par ab. Ein echter Vergleich fällt hier jedoch sehr schwer, da die Bilder einfach aufgrund der unterschiedlichen Signalverarbeitung zwischen den Kameras zwar unterschiedlich aussehen, aber nicht unbedingt signifikant besser oder schlechter.
Hier mal ein unbearbeitetes Bild aus der Canon 6D mit ISO 6400, 20 Sekunden, f/2.8:
und das gleiche Motiv mit den gleichen Einstellungen aus der D750:
Und für die Pixel-Peeper, noch der Vergleich im 1:1 Ausschnitt:
Ihr seht, trotz der höheren Auflösung der D750 ist das Rauschen meiner Ansicht bei der Nikon sogar noch einen Mü geringer, als bei der Canon.
Hier noch das Bild der D750, nach der Bearbeitung:
Der deutlich bessere Dynamik-Umfang der Nikon macht sich dann natürlich auch noch bemerkbar, sobald man die Schatten aufhellen muss – und das ist ja sehr häufig der Fall.
Hier mal ein unbearbeitetes Bild aus dem Inneren einer Kirche:
das Ganze nach Bearbeitung der Dynamik in Lightroom:
Vom Dynamikumfang schlägt die D750 die Canon auf jeden Fall locker, an die D810 kommt sie diesbezüglich nicht ganz ran – ist aber kurz dahinter, so wie auch die D610.
Ganz klar: wie immer beziehen sich alle meine Ausführungen auf den RAW-Modus der Kameras.
Das Klappdisplay
Ich glaube darüber muss ich nicht mehr viel schreiben. Ich bin ein großer Fan. Und wenn man in so einer Gruppe fotografiert – wie wir nun in Peru mal wieder – und ich natürlich als Coach immer wieder darauf hinweise, bitte die Komfortzone zu verlassen und auch mal bodennah zu fotografieren, dann heißt das für mich oft, einfach nur zu hocken und die Kamera im Live-View mit geklappten Display auszurichten (auch die tolle Wasserwaage der D750 ist hier eine immense Hilfe) – während die Anderen mit festem Display neidisch gucken und sich auf den Boden legen.
Kurzum: das Display will man nicht mehr hergeben, wenn man es einmal genutzt hat. Ob aus der Hand oder vom Stativ. Gerade auch bei den Astro-Aufnahmen oder Zeitraffern ist es unglaublich rückenschonend, das Display ausklappen zu können. Und last, but not least, lässt sich damit auch mal ganz prima unauffällig das eine oder andere Foto «aus der Hüfte» schießen.
Das WLAN
Funktioniert ganz prima. Die Zeitraffer, die ich aufgenommen habe, habe ich alle mit der D750 aufgenommen via WLAN und per qDslrDashboard. Dabei habe ich nicht einen Absturz oder Abbruch verzeichnet. Perfekt. Auch die einmalige Einrichtung ist im Verglich zur Canon 6D super einfach, ich habe sie hier beschrieben.
Dies und das
Beim Druck auf die Einstellungstasten hinten an der Kamera (Weißabgleich, ISO, Qualität) geht nun bei der D750 das hintere Display an, um die Einstellungen einzublenden. Das ist offenbar dem Formfaktor der Kamera und dem damit verbundenen kleinen oberen Display geschuldet. Insbesondere nachts nervt es mich etwas, ich würde mir wünschen, das abschalten zu können, die Option habe ich aber zumindest nicht gefunden.
Mein Fazit
Mit der D750 hat Nikon wirklich ein sehr gutes Händchen beim Produkt-Design bewiesen. Sie hat alles, um die «Volks-Vollformat-DSLR» zu werden, die die D600/D610 eigentlich hätte sein sollen. Das Ganze Handling macht einfach Spaß, sie ist schnell, der Autofokus ist eine Wucht und die Bildqualität gehört zu dem Besten, was man bekommen kann.
Und die D810? Nun – diese beiden Kameras miteinander zu vergleichen ist wirklich schwierig. Sie ergänzen sich eigentlich perfekt. Die D810 ist die Profi-Cam für die ganz fein Details und die hohe Auflösung. Also für Panoramen, Studio, Landschaften. Die D750 kann diese Disziplinen sicherlich auch, aber sie zeigt ihre Stärke vor allem in allen «normalen» Situationen, bei Nachtaufnahmen, schnellen Bewegungen und schwachem Licht. Sie ist mit Sicherheit die universellere Kamera. Die D810 eher das Spezial-Werkzeug.
Wie bei allen Vollformat-DSLRs müsst ihr aber vor allem auch die richtigen Objektive am Start haben, sonst verpufft die Leistung der Kamera. Wenn ich versucht hätte, die Aras mit Blende f/5.6 aufzunehmen, wäre von der Leistung der D750 auch nicht viel übrig geblieben.
Ich hoffe, ich konnte Euch mit meiner Einschätzung weiterhelfen! Wenn ja, dann unterstützt ihr mich wie immer, wenn ihr über einen meiner Amazon-Links kauft. Ihr zahlt dadurch keinen Cent mehr aber ich bekomme eine kleine Provision. Dabei spielt es übrigens keine Rolle, ob ihr eine Kamera oder irgendetwas anderes kauft, solange ihr einmal über den Link geht.
Über Euer Feedback als Kommentar – auch zu den Fotos – freue ich mich, wie immer, sehr!
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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