Auf der letzten Kolumbien-Reise hatte ich das neue Nikkor Z 100–400 dabei – leider hatte mein Exemplar einen defekten VR. Ob ich trotzdem einige gute Bilder hinbekommen habe und ob ich dieses Objektiv als «Universal-Tele» empfehlen kann, erfahrt ihr in meinem praxisorientierten Bericht. Dazu gibt es natürlich einige schöne Wildlife-Bilder aus Kolumbien.
Mit einer schwankenden Nussschale um eine Pazifik-Insel herum zu schippern, auf der Suche nach Wasservögeln im Flug und an ihren Brutplätzen, ist eine Herausforderung für jeden Fotografen und natürlich an die verwendete Kamera und das Objektiv. Die Ergebnisse sollen gestochen scharf sein, dabei schwankt und wackelt alles und die Vögel sind natürlich auch noch in Bewegung. Liegt wohl in ihrer Natur :-). Solche Aufnahmen erfordern eine schnelle Kamera, am besten ohne Schwarzzeit im Sucher. Weiterhin für die Beweglichkeit am besten ein leichtes und flexibles Objektiv mit ausreichend Brennweite und Lichtstärke; und natürlich einen möglichst guten Bildstabilisator.
Mit der Nikon Z 9 war ich Kamera seitig schon mal ziemlich ideal ausgestattet. Der schnelle und treffsichere Autofokus und die nicht vorhandene Schwarzzeit im Sucher machen diese Kamera zum Traum für Wildlife-Fotografen. Als Objektiv hatte ich mir für diese Reise das neue Nikkor Z 100–400 S von Nikon ausgeliehen. Es ist zwar nicht das lichtstärkste, besticht aber durch seinen Brennweitenbereich zwischen 100 und 400 mm und ist nur ungefähr so groß und schwer wie ein 70–200 f/2.8, das erleichtert das Handling natürlich enorm.
Das wird jetzt hier kein detaillierter Testbericht zu dem Objektiv mit irgendwelchen Messdaten – dazu hätte ich auch gar nicht die Möglichkeiten (oder das Interesse daran) -, sondern ich schreibe einfach meine Gedanken nach einigen Wochen Praxistest auf und zeige euch Ergebnisse.
Die etwas eingeschränkte Lichtstärke von f/5.6 am langen Ende konnte ich selbst bei den eher dunklen und regnerischen Bedingungen, die wir am Pazifik hatten, ganz durch die gute ISO-Leistung der Z 9 kompensieren. Ich habe die Kamera auf ISO-Automatik mit kürzeren Zeiten eingestellt – danach brauchte ich mich um die Belichtung nicht mehr zu kümmern, den Rest macht die Kamera. Über diese ungemein praktische Einstellmöglichkeit bei so gut wie allen Nikon-Kameras hatte ich erstmalig in meinem Testbericht zur Nikon D750 geschrieben. Die Maximale ISO habe ich hier auf 3.200 begrenzt. Das reichte in allen Situationen aus – hier mal zwei Bilder mit ISO 3.200 – ihr seht, die hohen ISO sind bei den heutigen Sensoren sehr gut nutzbar. Und das gilt nicht nur für die Z 9.
Bei den Vogelbildern hätte ich mir in den Situationen, in denen der Vogel eher nah am Hintergrund war, noch mehr Freistellpotenzial gewünscht – aber das erfordert halt mehr Lichtstärke, was wiederum eine größere, schwerere und teurere Optik bedeutet – ihr wisst schon. Das ist einfach der Kompromiss bei einem solchen Objektiv, den ich hier gerne eingegangen bin.
Übrigens: Ein Klick auf ein Bild zeigt es groß an!
Mit der Z 9 und dem 100–400 konnte ich sie trotz des schwankenden Boots und der schnellen Bewegung auch im Flug scharf einfangen.
Die Schärfe und Treffsicherheit des Autofokus ist bei dem 100–400 wirklich über jeden Zweifel erhaben. Das Objektiv hat eine hervorragende optische Leistung. Dazu kam der hervorragende Autofokus der Nikon Z 9.
Meist habe ich bei der Z 9 tatsächlich die automatische Motiverkennung zum Fotografieren der Vögel im Flug verwendet. Dabei stellte sich heraus, dass die Vogel-Erkennung sehr gut funktioniert. Und wenn sie einmal den Vogel nicht erkannt hat, dann war dieser in der Regel für ein interessantes Foto tatsächlich zu weit weg. Also habe ich mir quasi als Faustregel festgelegt: Wenn der Autofokus den Vogel nicht erkennt, wirst du das Bild später ohnehin nicht verwenden. Man tendiert ja im Eifer des Gefechts bei solchen Sessions immer eher dazu, zu viel als zu wenig zu fotografieren. Da ist eine gewisse «Bremse» manchmal gar nicht schlecht… :-)
Leider stellte ich recht schnell fest, dass das von mir ausgeliehene Objektiv einen defekten Stabilisator (VR) hatte. Das wackelnde Sucherbild hat mich auf dem schwankenden Boot teilweise wirklich Nerven gekostet.
Am Anfang wusste ich ja nicht, dass der VR tatsächlich defekt war. Ich habe es vermutet und zum Vergleich dann ein 100–400 eines Teilnehmers (andere Marke) in die Hand genommen. Der Vergleich war mehr als deutlich. Da ich mir nicht vorstellen konnte, dass Nikon hier einen um soviel leistungsschwächeren Stabilisator verbauen würde, lag die Vermutung nahe, dass dieser defekt sei. Und dieser Verdacht wurde dann von der Nikon-Werkstatt nach der Reise bestätigt.
Dass ich unter diesen Bedingungen überhaupt scharfe Bilder machen konnte, habe ich vermutlich dem internen, sensorbasierten Stabi (IBIS) der Z 9 zu verdanken.
Im Idealfall arbeitet dieser nämlich im Tandem mit dem VR des Objektivs. In meinem Fall musste er nun alleine übernehmen. Grundsätzlich ist der IBIS aber eher für kurze Brennweiten gedacht. Für den Tele-Bereich, erst recht unter solch erschwerten Bedingungen, kann er den Job normalerweise nicht alleine übernehmen, daher haben gute Tele-Objektive noch einen zusätzlichen Stabilisator eingebaut.
Umso erfreuter (und ehrlich gesagt auch etwas erstaunt) war ich, dass die Bilder so gut geworden sind und ich tatsächlich relativ wenig Ausschuss hatte.
Zumindest bei Fotos. Im Video-Bereich sah das anders aus. Das Filmen aus der Hand vom Boot war so gut wie unmöglich ohne den VR des Objektivs. Wie gut es mit dem VR geklappt hätte, weiß ich natürlich auch nicht – aber so ging es jedenfalls nicht.
Aber auch an Land haben wir natürlich fotografiert. Die Höhenlagen im Kaffee-Dreieck und die Gegend um den Nationalpark Tayrona sind für ihre vielfältige Vogelwelt bekannt. Immer wieder kam daher das 100–400 zum Einsatz.
Aber nicht nur Vögel gab es zu fotografieren, an der Karibik-Küste entdeckten wir zwei Brüllaffen. Die Entfernung war für 400mm schon grenzwertig, sodass ich hier schon extrem beschneiden musste. Aber auch hier hat das Objektiv kein Problem damit, die 46 Megapixel der Z 9 zu bedienen, allerdings sieht man schon etwas Rauschen.
Mein Fazit
Das Nikkor 100–400 f/4.5–5.6 VR S macht seinen Job hervorragend. Ich hatte Pech, das bei mir der VR nicht funktionierte, aber unabhängig davon habe ich knackscharfe Bilder auch unter erschwerten Bedingungen machen können. Mit funktionierendem VR hätte das Fotografieren noch deutlich mehr Spaß gemacht und vor allem das Filmen hätte sicher besser geklappt.
Als verhältnismäßig leichtes und kompaktes Tele deckt das 100–400 VR S einen recht großen Brennweitenbereich ab. Natürlich ist das Objektiv am langen Ende mit f/5.6 nicht besonders lichtstark. Hier muss man je nach Aufnahmesituation schon bereit sein, den ISO Bereich der Kamera bis mindestens 3.200 auszunutzen. Ich persönlich sehe darin aber bei modernen Sensoren kein Problem.
Sehr schön ist auch die kurze Naheinstellgrenze von ca. 75 cm und der daraus resultierenden Abbildungsmaßstab von 1:2,6. Dies erlaubt es bei kleinen Tieren, die eine kurze Fluchtdistanz haben oder anderen Details sehr nah heranzugehen und sie groß abzubilden.
Die Frage ist, für welche Anwendungsfälle ist dieses Objektiv geeignet. Ich hatte den Eindruck, dass ich es auf dieser Reise immer dann, wenn ich es auf der Kamera hatte, eher im langen Brennweitenbereich eingesetzt habe. Eine kurze Analyse der Metadaten in Lightroom hat das bestätigt: 80% aller Fotos mit diesem Objektiv habe ich mit 400mm gemacht und nur 10% bei 100mm. Die anderen 10% irgendwo dazwischen.
Das ist nicht unüblich: Bei Zoom-Objektiven ist es häufig so, dass die extremen Brennweiten überproportional genutzt werden.
In meinem Fall zeigt es, dass ich für die Vögel eher eine noch längere Brennweite gebraucht hätte. Alle Bilder, die ihr hier seht, sind gecroppt. Das ist bei 46 Megapixeln und der hohen Auflösung des Objektivs kein Problem, aber hey – 600 mm wären hier besser gewesen und ich hätte in diesen Situationen mit einer Festbrennweite kaum Flexibilität eingebüßt.
Auf der anderen Seite habe ich mein 70–200 f/2.8 vermisst. Das habe ich sonst immer mit auf Reisen, aber beide Objektive wollte ich diesmal nicht mitnehmen. Gerade der Unterschied im Low-End zwischen 70 mm des 70–200 und den 100 mm des 100–400 ist doch erheblich.
Während ich das 70–200 auch gerne auf der Straße für Porträts einsetze, war mir das 100–400 dafür deutlich «zu lang» und blieb im Hotel.
Eine Alternative zu dem 100–400 f/4.5–5.6 wäre das Nikon Z 400 f/4.5, welches als Festbrennweite bei 400mm 2/3 Blendenstufen lichtstärker ist.
Was ich außerdem gerne mal für solche Situationen testen würde, ist das AF‑S NIKKOR 500 mm f/5.6E PF ED VR – das hat bei 500mm Lichtstärke 5.6 und spielt preislich auch in einer ähnlichen Liga. Als PF Objektiv ist es, ähnlich dem von mir geschätztem 300mm f/4 PF, relativ klein und leicht für seine Brennweite. Allerdings erfordert das an einer Spiegellosen Kamera den FTZ-Adapter – das würde mich persönlich aber nicht stören.
Im Endeffekt ist es natürlich immer eine Frage dessen, was man machen möchte. Es gibt ja auch bei der Wildlife-Fotografie Situationen, wo man größere Tiere oder aus näherer Entfernung fotografiert. Hier lernt man die Flexibilität dieses Brennweitenbereichs sicher noch stärker zu schätzen. Ich denke hier z.B. an Situationen bei unseren Fotosafaris in Afrika, wo die Geparden plötzlich vor dem Auto standen und jede Tele-Festbrennweite innerhalb von Sekundenbruchteilen nutzlos wurde. Hier hat man dann besser entweder ein flexibles Zoom oder eine zweite Kamera mit kürzerer Brennweite parat.
Für solche Aufnahmesituationen durfte ich ja mal das 180–400 1:4 E TC 1.4 FL ED VR mit dem eingebauten 1.4x Telekonverter testen. Eine Wucht – in jeder Hinsicht. Aber eben auch preislich eine ganz andere Liga als das hier vorgestellte Objektiv. Mein ausführliches Review findet ihr hier:
Objektiv Review: Nikkor 180–400 1:4E TC1.4 FL ED VR – das Super-Zoom für Tierfotografen?
Das Nikon 180–400 f/4 TC ist ein großes, schweres und teures Objektiv. Ob es mich begeistert hat, wo es punktet und welche Schwächen es hat, erfahrt ihr in meinem Video-Review! Ich habe das Nikkor Tele-Zoom eine Woche lang bei einer Fotosafari in Kenia im Bereich der Tierfotografie getestet. In der Zeit habe ich kaum ein anderes […]
Wer also einen Einsatzbereich zwischen 100 und 400mm mit einem Objektiv abdecken möchte und nicht nur die Extrembereiche nutzt, für den ist das 100–400 f/4.5–5.6 ein sehr gutes Objektiv, welches optisch auf ganz hohem Niveau spielt. Wer eher im langen Tele-Bereich unterwegs ist, für den gibt es noch Alternativen.
Produktlinks (Partnerlinks zu Foto-Koch)
Was sind eure Erfahrungen mit Tele-Zooms im Bereich der Wildlife-Fotografie? Oder setzt ihr lieber Festbrennweiten ein? Lasst es mich in den Kommentaren wissen!
Kolumbien
Umgeleitet!!! Kolumbien ist ein wunderbares Reiseland, welches fotografisch unglaublich viel zu bieten hat. Die Karibikküste mit der wunderschönen Stadt Cartagena, die Pazifiküste, das Kaffeedreieck, wunderschöne Nationalparks und die nettesten Menschen Südamerikas :-). Die Unruhen der Vergangenheit sind passé und derzeit ist in Kolumbien noch nicht der große Massentourismus ausgebrochen, daher ist jetzt eigentlich die richtige Zeit, […]
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Alle Inhalte © Gunther Wegner
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